Andreas Hampe, Technischer Werkleiter im Werk Nürnberg bei der Robert Bosch GmbH, erläutert dazu: "Der ursprüngliche Treiber war unser Bedürfnis, die Logistikkosten zu reduzieren, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Wir haben resümiert, dass wir viel Material mit vielen Menschen bewegen. Die Erkenntnis daraus war, dass wir die Intralogistik automatisieren müssen, damit sich unsere Mitarbeiter auf höherwertigere Tätigkeiten konzentrieren können."
Im Zuge der Technologie, die in der Bosch-Gruppe vorhanden seien, wie beispielsweise der autonome Rasenmäher (Indego Connect), entstünden Ideen wie der Bau eines autonomen Transportroboters. "Zumal es auf dem Markt nichts gab, was wir hätten verwenden können und was auch wirtschaftlich war. Wir brauchten etwas Spezifisches für uns beziehungsweise für unsere Bodenroller", sagt Hampe.
Den 'AutoBod' entwickelt Bosch für den Eigenbedarf und sieht sich auch in der Leitanwender-Rolle beim Thema Industrie 4.0 – nach dem Prinzip von der Leitanwenderschaft zur Leitanbieterschaft. "Zunächst ist er für den Bosch-internen Gebrauch im Werk Nürnberg vorgesehen, dann weltweit für Bosch-Werke. Wir gehen davon aus, dass wir den AutoBod auch für außenstehende Firmen, die dieselben Bedürfnisse wie wir haben, vermarkten können."
Transportroboter mit hauseigenen Bauteilen
Christian Ochs, Projektleiter des AutoBod, fügt hinzu: "Wir entwickeln den Transportroboter selbst, da es am Markt kein für unsere Bedürfnisse passendes System gibt. So haben wir den AutoBod an den Standard der hauseigenen Bodenroller von Bosch angepasst. Zudem brauchen wir etwas, das selbst aufladen, selbst fahren und auch selbst abladen kann."
Die Implementierung eines fremden Roboters koste schlichtweg zu viel. Ochs weiter: "Außerdem können wir auf einige Bauteile aus der eigenen Gruppe zurückgreifen wie unsere Power Tool-Akkus, hauseigene Steuerelektronik, elektrische Antriebe sowie die Hydraulik und die Blinkleuchte." Zudem sei der AutoBod Technikträger auch für andere, künftige Fahrzeuge.
Warum sich die innerbtriebliche Logistik umstellen muss
Der Projektleiter blickt auch auf den Energieverbrauch, denn "starre Förderbänder laufen Tag und Nacht, egal ob beladen oder unbeladen. Diese benötigen demnach immer Energie. Mit Transportrobotern können gegenüber Förderbändern bis zu 30 Prozent Energie gespart werden."
Viel gravierender hingegen sei, dass sich die innerbetriebliche Logistik deutlich umstellen werde. Dazu Ochs: "Mit dem AutoBod geht ein Paradigmenwechsel vom zyklischen Bus-System zum On demand-Taxi-System einher.
Das entspricht der Logik wie beim Fahrdienstanbieter Uber: Derjenige AutoBod, der räumlich am nächsten am Abholort ist, bekommt den Zuschlag für die Abholung von Material. Das bedingt natürlich eine Einbindung des Transportroboters in die Industrie 4.0, der wir uns im Werk ohnehin verschrieben haben."
Bosch habe auch bereits mit einem anderen Unternehmen an einem Tisch gesessen, das ebenfalls einen Transportroboter entwickelt. Da geht es in erster Linie um die Standardisierung von Schnittstellen.
Bosch entscheidet sich für SLAM-Algorithmus
Die Anforderungen an die Flexibilität des Roboters waren bei Bosch hoch und "deswegen haben wir uns auch für die markerlose Navigation über Laserscanner mit dem SLAM-Algorithmus (Simultaneous Localization and Mapping) entschieden", erläutert Ochs.
Im Werk Nürnberg verändere sich die Umgebung aus Sicht des Fahrzeugs ständig, da die Umgebung permanent durch An- und Ablieferung von Material variiert. "Da trennt sich die Spreu vom Weizen bei den Laserscannern, die diese ständigen Modifizierungen auch erkennen und dem Transportsystem Informationen liefern können", verdeutlicht Ochs. Über einen Algorithmus lerne der AutoBod in einer initialen manuellen Mapping-Fahrt die Umgebung kennen und erstelle dabei eine Karte der Umgebung.
Der erste Einsatz im Werk lässt noch etwas auf sich warten, da "wir gerade an einer weiteren Generation von Prototypen arbeiten, mit der wir schon kleine Schwärme von Robotern intern testen werden. Das Bosch-interne Rollout ist ab 2018 vorgesehen", verrät Ochs.
AutoBod soll sukzessive eingeführt werden
Der Vorteil dieses Systems sei ja gerade, dass es sich in die vorhandene Umgebung – also die vorhandene Werks-Infrastruktur – perfekt integriere. Dazu ergänzt der Projektleiter: "Die Bodenroller können sowohl mit Routenzügen als auch mit dem AutoBod transportiert werden. So kann im Jahr 2018 der AutoBod sukzessive eingeführt werden, indem zunächst nur ein Routenzug ersetzt wird. Läuft das stabil, kann der nächste Routenzug ausgetauscht werden."
So sei ein sukzessives Ausrollen und Dazulernen möglich. Das Materialversorgungssystem von ganzen Linien könne eben nicht von heute auf morgen komplett auf ein neuentwickeltes System umstellen – in einem Werk, das 24/7 und 365 Tage im Jahr fertigt. Auch das sei eine Entwicklungsanforderung.
Über 100 Transportroboter im Einsatz
Am Standort Nürnberg werden künftig über 100 Transportroboter im Einsatz sein. Ochs dazu: "Es sind aber nicht alle permanent im Einsatz, denn der Schwarm ist von der Kapazität auf Belastungsspitzen plus Reserve ausgelegt, sodass er im Mittel zu 60 bis 70 Prozent ausgelastet sein wird."
Das habe den Vorteil, dass immer ein Roboter relativ nahe zum Abholpunkt der Ware zur Verfügung stehe. Somit gebe es immer ausreichend Transportkapazität. "Da der Roboter aus unserer Eigenproduktion vergleichsweise günstig ist, können wir uns das auch erlauben. Oder anders ausgedrückt: Der Nutzen durch diese kurze Wiederbeschaffungszeit überschreitet die Kosten der Redundanz", verdeutlicht Ochs.
Zur Fertigung des AutoBod erklärt Hampe, dass "in der Anfangsphase die ersten Prototypen und auch die ersten Serien natürlich hier in Nürnberg gefertigt werden. Alles Weitere ist noch nicht entschieden." Entschieden ist hingegen, wo die wichtige Komponente des Laserscanners herkommt: "Den kaufen wir momentan von der Firma Omron, ein Laserscanner der Firma Sick oder von anderen Anbietern wäre auch möglich." Langfristig sei es auch das Ziel, ein Bosch-Steuergerät einzusetzen. Das hänge davon ab, ob die selbst entwickelten Algorithmen auf ein hauseigenes Steuergerät passten – wenn der Kostenaufwand dafür nicht zu hoch sei.
Ein Greifer am AutoBod ist laut Hampe in der ersten Stufe nicht vorgesehen. "Wenn wir aber darüber sprechen, wie wir uns noch weiterentwickeln – also wie wir das Material direkt in die Maschine bringen – dann geht es schon um Greifroboter. Diese sind aber heute für uns so noch nicht wirtschaftlich verfügbar. Ein neuer Roboter mit einem Greifarm würde das Material vom sogenannten Kleinladungsträger direkt an die Maschine weiterreichen. Diese Aufgabe übernimmt heute noch ein Feinversorger."
Audi: Teile und Behälter autonom an die Montagelinie liefern
Die selbstentwickelten Transportroboter von Audi – intern auch Paula genannt – befördern Teile und Behälter. Diese AGV (Automated Guided Vehicle) nutzen eine selbst entwickelte, intelligente Navigationssoftware auf Basis von Automotive Software und Automotive-Software-Entwicklungsprozessen.
Dadurch können sie völlig frei und autonom Waren vom Lager an die Montagelinie liefern. Sie erkennen komplizierte Verkehrssituationen und reagieren auf sie flexibel. Das Navigationssystem ermöglicht dem Audi AGV autonomes Fahren auf einer definierten Strecke, die im Vorfeld am Rechner konzipiert und simuliert worden ist; alternativ kann das AGV einen Fahrweg auf einer manuell geführten Fahrt lernen und abspeichern.
Auf Basis dieser Karte bewegt es sich daraufhin innerhalb seines Radius frei – nach den Prinzipien des Machine Learning sucht es sich dabei stets den günstigsten Pfad. 'Paula' verfügt über drei Onboard-Laserscanner – zwei an der Front und einen am Heck. Sie ermöglichen ihm Orientierung und sorgen zudem dafür, dass es nicht mit Personen zusammenstoßen kann.
Einer der Frontscanner ist nach oben geneigt, sodass er von der Decke hängende Objekte erkennen kann. Mit seinen Laserscannern erkennt das AGV den Werkstück-Trailer anhand seiner Konturen. Es fährt ihn millimetergenau an, selbst wenn er nicht exakt auf seiner vorgesehenen Position steht. Das Einparken über der Ladeplatte geschieht mit der gleichen Präzision.
BMW: Smart Transport Roboter in der Versorgungslogistik
Bei BMW hat man keinen Transportroboter am Markt gekauft, da es keinen gebe, der auf die Maße der Transportbehälter gepasst hätte. Die Höhe von den Lasten, die er bewegt, ist für die BMW-Werke normiert. Außerdem wollte BMW auch aus Kostengründen selbst entwickeln, da Transportroboter sehr teuer seien. "Zumal wir auf zahlreiche Komponenten zurückgreifen können, die wir ohnehin selbst produzieren wie die Batterie aus dem i3 oder auch Sensoren", so eine Sprecherin.
Am Standort Wackersdorf fährt in der Halle der Versorgungslogistik der selbstfahrende Roboter unter einen Rollcontainer mit Autoteilen.
Er hebt den Container geräuschlos und setzt sich in Bewegung durch die Logistikhalle. Flankiert von Funksendern und ausgerüstet mit einer digitalen Karte fährt er selbstständig zum Bestimmungsort der Ware.
Kreuzt ein Routenzug den Weg, erkennt ein eingebauter Sensor die Situation und stoppt den selbstfahrenden Roboter mit seinen Autoteilen, die bis zu einer halben Tonne schwer sind. "Die Entwicklung des sogenannten Smart Transport Robots ist für die BMW Group ein wesentlicher Meilenstein für die Digitalisierung und Autonomisierung in der Produktionslogistik. Dieses Projekt leistet einen wichtigen Beitrag für agile Lieferketten, die sich in der Logistik und Produktion schnell und flexibel an veränderte Rahmenbedingungen anpassen", so Dirk Dreher, Leiter Auslandsversorgung bei der BMW Group.