Symbolbild Chemikalien Chemie PFAS - Glasgefäße mit bunten Flüssigkeiten

Schluss mit PFAS? Noch ist nichts entschieden. (Bild: mila103 - stock.adobe.com)

In einer Welt, in der wir uns den Konsequenzen unseres Handelns auf die Umwelt immer stärker bewusst werden, steht eine Gruppe von Chemikalien aktuell im Fokus der Diskussion: Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen, auch bekannt als PFAS. Diese Stoffgruppe umfasst etwa 10.000 einzelne Substanzen - Gase, Flüssigkeiten und Feststoffe sind darunter. Die EU-Kommission plant, den Einsatz dieser Stoffe zu regulieren. Vielen Menschen, die in der Industrie tätig sind, bereitet diese Entwicklung Sorge.

Was ist das Problem mit PFAS?

Einige PFAS schaden der Gesundheit beziehungsweise „sie werden mit negativen Effekten auf die Gesundheit in Verbindung gebracht“, so die Chemikalienagentur der EU, ECHA. Konkret geht es um den Verdacht auf folgende Eigenschaften:

  • Fortpflanzungsschädigende Wirkungen
  • Schädigung der Entwicklung ungeborener Kinder
  • Krebserzeugende Wirkungen
  • Beeinträchtigungen des Hormonhaushalts beim Menschen

Die PFAS gelangen meist bei der Herstellung und Verarbeitung sowie beim Gebrauch und der Entsorgung PFAS-haltiger Produkte in die Natur. Ein wichtiger Faktor sind fluorhaltige Feuerlöschschäume.

Problematisch ist, dass die Mehrheit der Stoffe in der Natur kaum oder sehr langsam abgebaut wird. Deshalb werden PFAS auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt. Tatsächlich verbleiben einige PFAS länger in der Umwelt als alle anderen synthetischen Stoffe, die momentan bekannt sind. Seit dem Beginn ihrer Nutzung in den 1950ern haben sie sich über den ganzen Planeten verbreitet und wurden sogar in Eisbären in der Arktis nachgewiesen. Solange weiter PFAS in die Umwelt gelangen, steigt die Kontamination von Menschen und Umwelt unweigerlich weiter. Sich dem zu entziehen oder zumindest ungeborene Kinder zu schützen, ist nicht möglich.

Es sind momentan nur sehr teure Wege bekannt, eine Kontamination des Bodens zumindest teilweise rückgängig zu machen. Diese Optionen stehen daher auf EU-Ebene nicht zur Debatte. Aus dem Trinkwasser können PFAS über kostenintensive Maßnahmen wie Umkehrosmose entfernt werden.

Zwei Feuerwehr-Leute am Flughafen bekämpfen einen Brand - Symbolbild Einsatz PFAS in Löschschaum
PFAS aus Löschschaum sind ein wichtiger Faktor für die Kontamination der Umwelt mit den "Ewigkeitschemikalien". (Bild: burnstuff2003 - stock.adobe.com)

Wie ist die Situation in Deutschland?

Teile der PFAS sind bereits reguliert und gelten unter REACH als besonders besorgniserregende Stoffe – mit dem Erfolg, dass die PFOA- und PFOS-Belastung für Menschen nach Informationen des Umweltbundesamtes (UBA) in den letzten Jahrzehnten abgenommen hat. Allerdings sei die Belastung trotzdem noch beachtlich, so ein Bericht der Behörde aus dem Jahr 2020.

Laut UBA nehmen Menschen die Substanzen meist über die Nahrung auf - vor allem durch Eier, Fisch und Früchte. Das Trinkwasser steht in Deutschland nur an wenigen Orten im Verdacht, stark zur Kontamination beizutragen. An folgenden Orten könnte laut Umweltbundesamt eine Verunreinigung vorliegen: Düsseldorf, Rastatt, der Hochsauerlandkreis, der Bundeswehrflughafen Manching und der Chemiepark Gendorf.

Im Grundwasser fand das UBA allerdings in mehr als 70 Prozent der Messstellen PFAS. Bei einer "nicht unerheblichen Anzahl von Messstellen" wäre die Geringfügigkeitsschwellenwerte teils deutlich überschritten worden, insbesondere bei PFOA, PFOS und PFHxA. Journalistische Recherchen im Forever-Pollution-Project, an dem auch NDR, WDR und SZ beteiligt waren, zeigten: Es sind mehr als 1500 Orte in Deutschland verseucht. In Europa sind es mehr als 17.000.

Bub trinkt Wasser aus Pumpenbrunnen - Symbolbild Trinkwasser-Belastung mit PFAS
Einige PFAS reichern sich im menschlichen Körper an, beispielsweise übers Essen und Trinken. Dazu gehören die PFOA und PFOS, welche bereits reguliert sind. Laut einer Untersuchung des Umweltbundesamtes sind bei zwei bis drei Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland die Belastungen mit PFOS so hoch, dass gesundheitliche Auswirkungen "durchaus zu erwarten sind". (Bild: Andreas Schuepbach - stock.adobe.com)

Wofür werden PFAS eingesetzt?

PFAS finden sich in vielen industriellen Anwendungen, der Medizintechnik, Feuerlöschmitteln, wasserabweisenden Folien für Kleidung und zahlreichen anderen Bereichen. Ihre Aufgabe ist meist, Gleiteigenschaften zu verbessern oder Oberflächen wasser- beziehungsweise fettabweisend zu machen. Bei einigen Anwendungen haben Unternehmen bereits Alternativen entwickelt.

Tipp

Wissen Sie, wo Ihr Unternehmen PFAS einsetzt? Betrachten Sie nicht nur die hauseigene F&E und Produktion, sondern auch die Lieferkette sowie Service und Ersatzteile für Bestandskunden.

Was plant die EU-Kommission in Bezug auf PFAS?

In der EU-Politik setzt sich langsam die Meinung durch, dass die Nachteile der PFAS überwiegen könnten. Die Herstellung und Nutzung einiger PFAS-Gruppen unterliegen in Europa bereits den REACH-Einschränkungen oder sind sogar global verboten. Die EU-Kommission hat in der 2020 veröffentlichten Chemikalienstrategie das Ziel ausgegeben, den Einsatz der PFAS nach und nach zu beenden, es sei denn, ein Stoff wäre unverzichtbar. Unter anderem sind folgende Schritte geplant:

  • Verbot aller PFAS als Gruppe in Feuerlöschschäumen.
  • Verbot aller PFAS, außer sie sind unverzichtbar für die Gesellschaft.
  • PFAS-Probleme auf globaler Ebene angehen.
  • Festlegung eines EU-weiten Konzepts und finanzielle Forschungsförderung an Methoden, wie PFAS aus Umwelt und Produkten beseitigt werden können.
  • Bereitstellung von Forschungs- und Innovationsmitteln für sichere Innovationen als Ersatz für PFAS im Rahmen von Horizon Europe.

Bei dieser Strategie handelt es sich um ein Richtliniendokument der EU-Kommission, mehr nicht. Erst am Ende des mehrstufigen Gesetzgebungsprozesses, der aktuell noch läuft, werden verbindliche Verordnungen und Gesetze stehen.

Worum dreht sich die aktuelle PFAS-Diskussion?

Es liegt der europäischen Chemikalienagentur ECHA aktuell ein Vorschlag vor, der PFAS komplett verbieten würde: alle Untergruppen und Nutzungsarten. Diesen Vorschlag übermittelten die nationalen Behörden Dänemarks, Deutschlands, der Niederlande, Norwegens und Schwedens der ECHA am 23. Februar 2023. Diese Initiative geht auf einen einstimmigen Beschluss im EU-Umweltrat vom Juni 2019 zurück.

Die Agentur bat am 23. März 2023 dann alle interessierten Kreise, wissenschaftliche und technische Informationen über die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung dieser Stoffe einzureichen. Insbesondere Risiken, sozioökonomische Aspekte und alternative Stoffe sind von Interesse. Dieser Vorgang wird im EU-Vokabular Konsultation genannt und läuft bis zum 25. September 2023. Deshalb melden sich aktuell viele Verbände und Unternehmen zu Wort, auch mit öffentlichen Positionspapieren.

Die wissenschaftlichen Ausschüsse der ECHA für Risikobewertung (RAC) und für sozioökonomische Analyse (SEAC) nutzen alle eingegangenen Beiträge aus der Konsultation, um eine Bewertung und eine Stellungnahme zu dem Vorschlag zu verfassen. Diese Dokumente sind die Basis, auf der die Europäische Kommission und EU-Mitgliedstaaten über das weitere Vorgehen entscheiden.

Im Raum steht, ob die Produktion, der Import sowie die Bereitstellung von Ersatzteilen verboten werden. Ein Verbot würde frühestens in einigen Jahren in Kraft treten. Im aktuell diskutieren Vorschlag werden als danach greifende Übergangsfristen 18 Monate bis 12 Jahre genannt.

Industriegebiet als Symbol für Industrie und deren Reaktion auf PFAS
Einige PFAS in den Lieferketten der Industrie sind schwer zu ersetzen - vor allem kurzfristig. (Bild: kbarzycki - stock.adobe.com)

Wie reagierte die Industrie auf den Vorschlag, PFAS komplett zu verbieten?

In der Industrie gibt es viel Unterstützung dafür, die Emission schädlicher Stoffe zu unterbinden. Aber gegen einzelne Punkte des Verbots leistet die Industrie erbitterten Widerstand. Der Hauptkritikpunkt ist, dass angeblich auch Substanzen verboten würden, welche die OECD als "Polymer of Low Concern" einstuft. Viele Firmen und Verbände – beispielsweise aus der Dichtungsbranche – streben deshalb eine differenziertere Regelung an, bei der wenig gefährliche Stoffe vom Verbot ausgenommen sind.

In vielen Bereichen müssten neue Lösungen entwickelt werden. Einige Firmen sind davon sehr stark betroffen und sehen ihre Existenz in Gefahr. Deshalb regen einige an, man könnte für bestimmte PFAS-Gruppen anstelle eines Komplettverbots ein End-of-Life-Management einführen oder einen geschlossenen Stoffkreislauf.

Kritik gibt es auch beim Thema Ersatzteile – hier wünschen sich diverse Industrievertreter eine Ausnahmeregelung, damit Bestandsanlagen problemlos reparierbar bleiben.

Industrieverbände kritisieren außerdem den zeitlichen Rahmen des Prozesses. Der europäische Baumaschinenverband CECE beispielsweise hält den Konsultationszeitraum mit sechs Monaten für sehr kurz bemessen, angesichts der Tatsache, dass Unternehmen auch ihre Lieferketten auf PFAS abklopfen müssen. Der Verband schlägt eine 38-monatige Konsultationsfrist vor.

Der CECE hält eine dreijährige Übergangsfrist für machbar, in anderen Branchen werden mitunter auch 15 Jahre Übergangsfrist gefordert. Dabei geht es vor allem darum, neue Komponenten zu prüfen, beispielsweise was Vibration, Temperatur und funktionale Sicherheit angeht. Dem CECE-Verband ist außerdem wichtig, dass für Offroad-Maschinen die gleichen Ausnahmeregelungen gelten wie für den Automotive-Bereich.

Der VDMA merkt an, dass es keine standardisierte Analysemethode gebe, um Produkte mit PFAS zu ermitteln, die nach Europa importiert werden. Auf diese Weise wäre die Konkurrenz aus Nicht-EU-Ländern im Vorteil, schlussfolgert der Verband und schlägt eine weniger konsequente Regulierung vor, bei der die Anwendung eben nicht mehr, wie von der Kommission gefordert, auf essenzielle Fälle begrenzt sein soll. Stattdessen könnte man PFAS-Produkte erlauben, sofern sie beispielsweise nur im Innern der Maschine eingesetzt werden, so die Idee des Verbands der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer.

Welche technischen Änderungen müsste die Industrie vornehmen, um auf PFAS zu verzichten?

Da PFAS in vielen Bereich eingesetzt werden, würde ein Verbot zahlreiche technische Anpassungen erforderlich machen. Allein im Bereich Kältetechnik, zu dem auch Wärmepumpen gehören, wären das beispielsweise:

  • Konstruktions- und Beschichtungswerkstoffe: Hier werden PFAS momentan eingesetzt, um Reibung und Verschleiß zu reduzieren und die Energieeffizienz zu verbessern.
  • Dichtungsmaterialien in Dichtungssystemen: PFAS tragen momentan zur Langlebigkeit, Austauschbarkeit und Wartungsfreundlichkeit bei sowie zur Vermeidung von Schadstoff-Freisetzungen.
  • Elektrotechnische- und elektronische Komponenten: In Motoren, Sensoren, Schützen, Kabeln werden teilweise PFAS eingesetzt.
  • In Kältemitteln für bestimmte Anwendungen werden PFAS eingesetzt.

Auch Maschinen und Anlagen, die mit chemisch sehr aggressiven Substanzen arbeiten, nutzen oft PFAS für Dichtungen, Ventile, Klappen und andere Komponenten. Im Bereich Brennstoffzellen und Elektrolyse werden PFAS auf Membranen eingesetzt - um nur einige Beispiele zu nennen.

Diskussion um Ausnahmen für Klimaschutz-Technik

Mehrere große deutsche Industrieverbände fordern, es müsse vom PFAS-Verbot Ausnahmen geben, da die Klimawende sonst gefährdet sei. Einige Stoffe würden für die Produktion von Technik benötigt, ohne die sich Klimaneutralität nicht erreichen lässt, so eine Mitteilung von VDMA, VDA und ZVEI. Dabei geht es beispielsweise um Windenergieanlagen und die Wasserstofferzeugung.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plädiert ebenfalls für einen differenzierten Umgang mit der Chemikaliengruppe. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte er: "Da, wo diese Chemikalien nicht sicher für Mensch und Umwelt verwendet werden und gut durch andere Stoffe ersetzt werden können, sollten wir den schnellen Ausstieg befördern."

Bei Zukunftstechnologien wie Halbleitern, Elektrolyseuren und elektrischen Antrieben befürwortet der Politiker Ausnahmen. Die Erneuerung der Industrie dürfe nicht gefährdet werden. „Hier lassen sich PFAS auch nicht einfach ersetzen und hier dürfen wir die Entwicklung von Technologien nicht durch Überregulierung verhindern, zumal der Einsatz in geschlossenen Systemen in der Produktion erfolgt, " argumentiert Habeck.

Bisher wurden durch den Einsatz der PFAS mehr als 1500 Orte in Deutschland verseucht – möglicherweise für immer.

Schwierigkeiten beim Verzicht auf PFAS

In einigen Anwendungen gibt es Alternativen zu PFAS-haltigen Produkten. Oft gehen diese Alternativen allerdings mit Einbußen bei der Lebensdauer, Leistung und Sicherheit der Anlage einher.

Für einige Anwendungen müssen neue technische Lösungen entwickelt werden, um auf PFAS zu verzichten. Ein Grund ist, dass jene Lösungen, die vor Entwicklung der PFAS eingesetzt wurden, den heute geltenden Sicherheitsstandards nicht entsprechen. In anderen Fällen wurden zuvor Materialien wie Blei verwendet, die ebenfalls giftig sind oder aus anderen Gründen nicht mehr verwendet werden.

Die Entwicklung neuer Lösungen könne mehrere Jahre dauern, geben Industrieverbände zu bedenken. Beantwortet werden müsse außerdem die Frage, bis wann Ersatzteile für langlebige Bestandsanlagen hergestellt und eingesetzt werden dürfen.

Überarbeitet: Dagmar Merger, 04.08.2023

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