PFAS umfasst mehr als 10.000 verschiedene Stoffe.

Per- und polyfluorierten Chemikalien, kurz PFAS, umfasst mehr als 10.000 verschiedene Stoffe. (Bild: Vladislava – stock.adobe.com)

Die Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Chemikalien, kurz PFAS, umfasst mehr als 10.000 verschiedene Stoffe. Hergestellt seit den späten 1940er Jahren, kommen sie seither in zahlreichen Verbraucherprodukten wie Kosmetika, Kochgeschirr, Papierbeschichtungen, Nahrungsmittelverpackungen, Textilien oder Ski-Wachsen zum Einsatz. Verwendung finden sie auch in der Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen, in Pflanzenschutzmitteln oder Feuerlöschschaum bis hin zu Herzkathetern.

Kurzum: PFAS werden überall dort verarbeitet, wo deren Vorteile unverzichtbar sind. Sie sind nämlich nicht nur wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie chemisch und thermisch stabil. Vor allem sind sie langlebig, weshalb man sie auch Ewigkeitschemikalien nennt. Und genau das ist das Problem: Da sie sich in der Umwelt innerhalb kürzester Zeit über das Wasser verteilen, sich in Böden und einige davon auch in Organismen bis hin zum Menschen anreichern und bestimmten PFAS bereits gesundheitsschädliche Wirkungen nachgewiesen werden konnten, stellen sie aufgrund ihrer Langlebigkeit ein sehr bedenkliches Problem für Mensch, Umwelt und Tier dar.

300.000 Tonnen PFAS werden pro Jahr produziert und verarbeitet

Mittlerweile sind PFAS überall auf der Welt in Gewässern und Böden nachweisbar. Laut dem BMUV gestaltet sich die Beseitigung und Sanierung der mit PFAS belasteten Böden und Grundwasser nicht nur kompliziert, aufwändig und kostspielig. Die vollständige Beseitigung wäre auch nur in hochtemperierten Sonderverbrennungsanlagen möglich, die nicht in der benötigten Kapazität zur Verfügung stehen, um die kontaminierten Mengen aufzunehmen. Laut der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) werden in der EU allein rund 300.000 Tonnen PFAS pro Jahr produziert und verarbeitet.

Verbot macht Schluss mit Schlupflöchern

Die Problematik um die Ewigkeitschemikalien ist nicht neu: So wurde zum Beispiel noch vor Inkrafttreten der EU-REACH-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1907/2006) ein EU-weites Verbot für PFOS (Perfluoroctansulfonsäure, C8) beschlossen, das kurz darauf in die EU-POP-Verordnung (persistent organic pollutants) übernommen wurde. Auch die Verwendung des besonders relevanten Stoffs PFOA (Perfluoroctansäure, C8) ist in dieser Verordnung untersagt. Die Konsequenz: PFOA wurde durch das zuvor unbekannte GenX (Ammoniumsalz von Hexafluorprolylenoxid-Dimersäurefluorid) ersetzt, das mittlerweile unter REACH als besonders besorgniserregender Stoff (Substances of Very High Concern, SVHC) identifiziert wurde.

Umfassende Regelung aller PFAS geplant

Ein Verbot einzelner Stoffe hat in der Vergangenheit immer wieder dazu geführt hat, dass regulierte PFAS teilweise durch andere noch unregulierte PFAS ersetzt wurden. Da sich in den letzten Jahren die Hinweise weiter verdichtet haben, dass eine große Gruppe der PFAS aus Umweltsicht problematisch ist, haben deutsche Behörden deshalb gemeinsam mit den Behörden aus Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Schweden nun ein Verfahren begonnen, das zu einer umfassenden Regelung aller PFAS führen soll.

Der bei der ECHA eingereichte Beschränkungsvorschlag enthält momentan zwei Optionen: die erste ist ein komplettes, uneingeschränktes Verbot aller PFAS in allen Einsatzfällen. Die zweite ist ein komplettes Verbot, der Herstellung, der Verwendung und der Inverkehrbringung von PFAS mit einigen wenigen, zeitlich begrenzten Ausnahmefällen, deren Verwendung trotz problematischen Eigenschaften derzeit als gesellschaftlich unabdingbar anzusehen sind.

Unbegrenzte Ausnahmen hingegen sind zum Beispiel für Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln, Biozidprodukten und Human- sowie Tierarzneimitteln und Löschschäumen vorgesehen. Stoffe, die auf direktem Weg auf Böden und somit ins Grundwasser, auf Pflanzen und in Organismen sowie in unsere Blutbahnen gelangen – wovor uns das geplante Verbot eigentlich schützen soll.

Was sind PFAS?

PFAS steht für "per- und polyfluorierte Chemikalien" (englisch: per- and polyfluoroalkyl substances). Dabei handelt es sich um eine Gruppe von chemischen Verbindungen, die Fluor und Kohlenstoff enthalten. Diese Verbindungen haben besondere Eigenschaften, die sie in vielen industriellen Anwendungen und Produkten nützlich machen, zum Beispiel in wasserabweisenden Materialien, schmutzabweisenden Textilien, Lebensmittelverpackungen, feuerbeständigen Schaumstoffen und vielem mehr.

PFAS sind aufgrund ihrer Stabilität, Wasser- und Fettbeständigkeit weit verbreitet, werden aber auch als "persistente Chemikalien" bezeichnet, da sie in der Umwelt nur sehr langsam abgebaut werden. Dies hat zu Bedenken hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt geführt.

Einige der bekanntesten PFAS-Verbindungen sind PFOA (Perfluoroctansäure) und PFOS (Perfluoroctansulfonsäure). Diese Verbindungen wurden aufgrund ihrer weit verbreiteten Verwendung und möglicher Gesundheitsrisiken insbesondere in Trinkwasserquellen und in der Umwelt gefunden.

Es gibt zunehmende Bedenken hinsichtlich möglicher schädlicher Auswirkungen von PFAS auf die menschliche Gesundheit, einschließlich möglicher Zusammenhänge mit Krebs, Lebererkrankungen, hormonellen Störungen und anderen Gesundheitsproblemen. Daher wird weltweit an der Regulierung und Beschränkung der Verwendung von PFAS gearbeitet.

Wirkung und Auswirkung dürfen nicht gleichgesetzt werden

In Bereichen, in denen es auf absehbare Zeit keine geeigneten Alternativen geben wird beziehungsweise die sozio-ökonomischen Vorteile die Nachteile für Mensch und Umwelt überwiegen, sollen PFAS weiterhin zum Einsatz kommen dürfen. Offenbar sind moderne grüne Technologien wie Windturbinen, Solarpaneele, Wärmepumpen oder Elektrolyseure für die Gewinnung von grünem Wasserstoff in Zeiten des Klimawandels nicht vorteilhaft genug.

Hier sind PFAS nämlich ebenfalls unverzichtbar, um die Baubestandteile resistent gegen Hitze, Druck und Abrieb zu machen. Auch müssen in vielen industriellen Prozessen zum Beispiel Säuren transportiert und abgepumpt werden. Ohne ein PFAS-Innenleben würden diese Pumpen in kürzester Zeit von den Säuren zerstört. Zwar gibt es schon die ersten Wärmepumpen, die statt den F-Gasen in den Kältemitteln Propangas nutzen, doch greifbare Alternativen für Brennstoffzellen, Lithiumbatterien oder Computerchips? Fehlanzeige.

Der ZVEI warnt sogar davor, dass die generelle Beschränkung von PFAS die Halbleiterindustrie in Europa und die Ziele des European Chips Acts gefährdet. Es gibt derzeit einfach keine chemischen Stoffe, die in gleicher Weise geeignet wäre, die notwendigen chemischen Prozesse bei der Chipherstellung auszuführen.

Rein vorsorgliches Verbot von PFAS

Obwohl die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Reihe von PFAS als ‚polymers of low concern‘, also als ungefährlich für die Umwelt, einstuft und selbst die Schäden, welche die langlebigen PFAS in der Umwelt auf Dauer anrichten können, häufig noch unerforscht sind, hält Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamts, an dem weitläufigen Verbot fest. Aus Vorsorgegründen sei dies für ihn der richtige Schritt. Ein Schritt, der dazu führen wird, dass wir in Europa sämtliche zukunftsweisenden Schlüsseltechnologien aufs Spiel setzen und vor allem viele mittelständische Betriebe vor dem Aus stehen werden, heißt es im VDMA.

Nicht toxische PFAS im Innern von Maschinen unbedenklich

„Richtig ist, dass PFAS in unserer Umwelt bis hin zu Muttermilch nachgewiesen wurde. Das ist wirklich erschreckend und das will keiner von uns“, sagt Dr. Sarah Brückner, Abteilungsleiterin Umwelt und Nachhaltigkeit und Geschäftsführerin Fachverband Abfall- und Recyclingtechnik im VDMA. Der Verband ist also keinesfalls gegen eine generelle Regulierung von PFAS. „Aber es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen toxischen PFAS und jenen, die nachweislich kein relevantes Risiko für die Umwelt darstellen. Und es gibt einen großen Unterschied zwischen PFAS im Konsumbereich mit direktem Umweltkontakt und jenen tief im Inneren von Maschinen, die anschließend entsorgt werden und keinen Umweltkontakt haben“, betont sie.

Großbritannien nimmt 38 PFAS aus dem Verbot heraus

Es ginge nämlich auch anders, wie der Ansatz in Großbritannien zeigt: Statt einem pauschalen Verbot versucht man die Auswirkungen auf die Umwelt zu regulieren. Aufgrund einer Risikoanalyse wurden deshalb dort die 38 Fluorpolymere aus dem Verbot ausgenommen. Diesen Ansatz hält Brückner auch für Europa für richtig und sinnvoll: „Wenn wir sagen, dass wir uns gegen das PFAS-Verbot wehren, geht es uns vor allem um die Stoffgruppe mit 38 PFAS, die als Polymers of low concern eingestuft sind. Sie sind entscheidend für viele industrielle Prozesse, gerade für die Energiewende.“ Zu den möglichen Ausnahmefällen sollten auch Anwendungen zählen, die keine direkte Auswirkungen auf die Umwelt haben. Bauelemente zum Beispiel, die im Inneren von Maschinen verbaut sind und fachgerecht entsorgt werden.

Dr. Sarah Brückner, Abteilungsleiterin Umwelt und Nachhaltigkeit und Geschäftsführerin Fachverband Abfall- und Recyclingtechnik im VDMA.
Dr. Sarah Brückner: „Die Regulierung muss auf die PFAS fokussiert sein, von denen ein Gefährdungspotenzial ausgeht, aber die EU muss die Stoffe, von denen wir wissen, dass sie ungefährlich sind, vom Verbot ausnehmen.“ (Bild: VDMA)

Den Konsequenzen muss man sich bewusst sein

Wenn die Regulierung so kommt, wie sie geplant ist, geht der VDMA davon aus, dass alle Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau betroffen sind – entweder direkt in den eigenen Produkten und Prozessen oder in ihren Zulieferungen. Eine seriöse Analyse für alle Anwendungsfälle ist bei der Menge an Anwendungen in dem zur Verfügung stehenden Zeitfenster ohnehin nicht möglich.

Unmöglich ist auch eine allgemeingültige Aussage zu den Substituten zu treffen, da die Verwendung eines Ersatzstoffes ebenfalls immer einer Einzelfallbetrachtung bedarf. Wirklich gleichwertige Substitute wird es laut Brückner auch nicht für alle Anwendungen geben. PFAS-Dichtungen zum Beispiel kommen ohnehin nur in den Fällen zum Einsatz, wo sie unersetzbar sind, da ihr Preis im Vergleich zu nicht-PFAS-Dichtungen etwa um das 15-fache höher ist. Für sie einen adäquaten Ersatz zu finden, daran forschen Dichtungshersteller bereits seit 15 Jahren. Tatsächlich haben sie ein Substitut gefunden – allerdings weist dieses eine um 1/3 geringere Lebensdauer und einen 5-fach höheren Leckagewert auf.

Wirtschaftlichen Konsequenzen für viele Hersteller

Während man als Anlagenbetreiber mit den technischen Konsequenzen – kürzere Instandhaltungszyklen und Energieverlust – noch leben kann, sehen die wirtschaftlichen Konsequenzen für viele Hersteller ganz anders aus. „Wir haben dann kaum noch Chancen, Maschinen mit so viel schlechteren Eigenschaften im Ausland zu verkaufen, wo PFAS ja weiterhin eingesetzt werden dürfen“, prognostiziert Brückner den Zustand, „mit dem wir in Europa nach dem geplanten Verbot leben müssen.“

Brückner sieht durch das Verbot aber nicht nur die Wirtschaft in Gefahr: „Wir leben dann auch mit Photovoltaikanlagen, deren Wirkungsgrad im zweistelligen Bereich schlechter ist als bei den bisherigen. Mit dem PFAS-Verbot werden wir die Energiewende technisch nicht schaffen. Wir können uns als Volkswirtschaft dafür entscheiden, dass wir das alles in Kauf nehmen. Aber dann muss uns auch bewusst sein, dass wir in diesen Bereichen einen krassen Rückschritt machen.“

PFAS-Verbot: Entweder-Oder-Entscheidungen unumgänglich

Entweder-Oder-Entscheidungen werden mit dem PFAS-Verbot in vielen Bereich gefällt werden müssen. Selbst zu Lasten der Sicherheit. Wo heute zum Beispiel brandsichere Ummantelungen von elektrischen Kabeln vorgeschrieben sind, wird man in Zukunft durch den Verzicht auf PFAS wohl auch auf den Brandschutz verzichten müssen. Oder soll hier etwa wieder eine von unzähligen Ausnahmen greifen?

Genau in denen sieht der VDMA auch massive Probleme bei der Umsetzung der geplanten Regulierung, die ja auch den Import von PFAS miteinschließt. „Ein großes Manko hinter solchen Regulierungen ist, dass die Wertschöpfungsketten dahinter nicht gesehen werden. Es ist absurd zu glauben, dass ein Verbot, das von 1.000 Ausnahmen durchlöchert wird, sinnvoll durchgesetzt und von den Behörden überprüft werden kann“, gibt die VDMA-Expertin zu bedenken. Abgesehen davon sei es überhaupt nicht möglich, hundertprozentig festzustellen, ob ein Bauteil PFAS-frei ist. Fluor ist zwar nachweisbar, allerdings muss es nicht unbedingt vom PFAS stammen.

Konsultationspflicht endet am 25. September

Weil eben nicht nur die Kontrolle durch den Zoll eine unlösbare Aufgabe wäre, sondern auch die Möglichkeit, für alle Anwendungen, welche die Industrie braucht, eine Ausnahme zu schaffen, fordert VDMA-Expertin Brückner ganz klar: „Lasst uns von diesem kleinteiligen Ansatz weggehen und stattdessen die PFAS in größere Stoffgruppen mit gleichen chemischen Eigenschaften gruppieren. Die Regulierung muss auf die PFAS fokussiert sein, von denen ein Gefährdungspotenzial ausgeht, aber die EU muss die Stoffe, von denen wir wissen, dass sie ungefährlich sind, vom Verbot ausnehmen.“

Ob der Forderung des VDMA nach einem strikt risikobasierten Ansatz der PFAS-Regulierung nachgekommen wird, steht derzeit noch in den Sternen, denn die Konsultationspflicht zum aktuellen Entwurf endet am 25. September. Deshalb rät Brückner allen betroffenen Unternehmen dazu, „sich klar zu machen, wo sie PFAS einsetzen. Auch bei den Zulieferern muss nachgefragt werden, wo sie PFAS-haltige Produkte einkaufen.“

Alle Firmen sollen sich an der Konsultation beteiligen und bei der ECHA angeben, wo sie Betroffenheit haben. „Wir raten auch dazu, die Anwendungsfälle einzureichen, bei denen man jetzt noch nicht gar nicht weiß, ob man eventuell substituieren kann“, hebt Brückner ausdrücklich hervor. Denn jeder Anwendungsfall, der nicht bis Ende September eingereicht wird, wird danach definitiv nicht mehr berücksichtigt.

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