300-Millimeter-Wafer in Bosch-Fabrik in Dresden

Die Dresdner Bosch-Fabrik für Halbleiter ist ein IPCEI-Projekt und wurde mit 140 Millionen Euro gefördert. (Bild: Bosch)

47 Milliarden Euro. So viel will die Bundesregierung in diesem Jahr an Subventionen springen lassen. So steht es zumindest im Haushaltsplan. Die Summe hat sich damit innerhalb von drei Jahren fast verdoppelt. Zum Vergleich: 2019 zählte der Posten im deutschen Staatshaushalt „nur“ 24,6 Milliarden Euro.

Doch auf welcher Basis fließt das Geld überhaupt? Immerhin untersagt Artikel 107 Absatz 1 des EU-Vertrags „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“

Also alles illegal? Nein, denn es gibt Ausnahmen. Danach ist es entscheidend, welchen Zweck die Subventionen verfolgen. Gleichzeitig sollen die Beihilfen so transparent wie möglich vergeben werden, daher müssen sie bei der EU-Kommission angemeldet und durch die Behörde genehmigt werden.

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Was darf in Deutschland subventioniert werden?

Grob lassen sich staatliche Zuschüsse einteilen in Vergünstigungen und Finanzhilfen. Vergünstigungen werden in der Regel sektorspezifisch über bestimmte Branchen gewährt und sind indirekte Hilfen. Ein Beispiel hierfür ist die langjährige Ausnahme von der EEG-Umlage für stromintensive Unternehmen. Oder die Ausnahme der Luftfahrt von der Kraftstoff- und Mehrwertsteuer. Dagegen sind Finanzhilfen direkte Subventionen, hier fließt Geld vom Staat auf das Konto der Unternehmen oder Organisationen.

Diese drei Arten von Subventionen erlaubt das deutsche Recht:

  1. Anpassungssubventionen: Sie dienen dazu, bestehende Strukturen zu verändern. Dabei entlasten sie Unternehmen bei einem Strukturwandel und fördern so notwendige Anpassungsprozesse.
  2. Erhaltungssubventionen: Sie machen traditionell den größten Teil der Subventionen aus und werden bestimmten Sektoren gewährt, deren Erhalt gesellschaftlich oder politisch gewünscht ist. Beispiele hierfür sind etwa die Landwirtschaft, der Schiffs- oder der Bergbau.
  3. Produktivitätshilfen: Diese werden gewährt, um einen Produktivitätsfortschritt zu erreichen. Zielbranchen sind meist zukunftsweisende Branchen, etwa die Umwelttechnik oder der Energiesektor.

Das bedeutet aber auch: Staatliche Hilfen, zum Beispiel um ein neues Produkt auf den Markt zu bringen, sind nicht erlaubt. Volkswagen darf also keine Subventionen für den Bau eines neuen Elektroautomodells erhalten. Sehr wohl wäre aber eine staatliche Beihilfe, möglich, um in einer strukturschwachen Region ein neues Werk anzusiedeln.

Ein anderes Kriterium für eine erlaubte Subvention ist die ihrer Höhe. Dafür gibt es die sogenannte De-minimis-Regelung.

Was ist die De-minimis-Regel?

Die De-minimis-Verordnung legt den Schwellenwert fest, bis zu dem Beihilfen als geringfügig angesehen werden. Das bedeutet: Subventionen bis dieser Grenze werden nicht als (drohende) Wettbewerbsverfälschung angesehen. Sie bedürfen keiner Genehmigung durch die Europäische Kommission.

De-minimis-Beihilfen dürfen im laufenden sowie in den beiden vorangegangenen Kalenderjahren folgenden Wert nicht übersteigen:

  • Landwirtschaft: 20.000 Euro
  • Gewerbe: 200.000 Euro
  • Fischerei: 30.000 Euro
  • Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse: 500.000 Euro

Doch was, wenn der Subventionsbetrag etwas höher liegen soll? Dann gibt noch einen anderen Weg, staatliche Beihilfe zu leisten: IPCEI.

Was ist ein IPCEI?

IPCEI ist die Abkürzung für Important Project of Common European Interest, also ein Vorhaben, von dem die Europäische Gemeinschaft als Ganzes profitieren soll. Eine Förderung soll zu mehr Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft führen. Folgende Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein:

  • Das Vorhaben muss einen Beitrag zu den strategischen Zielen der Europäischen Union leisten.
  • Es muss von mehreren Mitgliedsstaaten durchgeführt werden.
  • Die beteiligten Unternehmen oder Organisationen müssen einen Teil der Kosten selbst tragen.
  • Das Projekt muss positive Spill-Over-Effekte in der EU bewirken.
  • Das Vorhaben muss sehr ehrgeizige Ziele im Hinblick auf Innovation und Forschung verfolgen. Es sollte deutlich über den internationalen Stand der Technik im betreffenden Sektor hinausgehen.

Gefördert werden können Produkte oder Produktionsprozesse, sowie Forschung und Entwicklung. Das Besondere dabei: Selbst der Roll-Out, also die Markteinführung eines Produktes, wird bei einem IPCEI gefördert – im deutschen Subventionsrecht ist das sonst ein No-Go.

Das sind die bislang geförderten IPCEI

Die Vorgehensweise bei IPCEI funktioniert folgendermaßen: Zunächst reichen Unternehmen Projektskizzen für diese Förderung in einem Interessenbekundungsverfahren ein. Die jeweils federführenden Behörden wählen eine gewisse Anzahl von Projekten aus und legen diese der EU-Kommission zur Genehmigung vor. Vom Antrag bis zum Geldfluss dauert es daher eine geraume Zeit. In der Regel erfolgt die Förderung als quartalsweise nachschüssige Zahlung.

Die ersten IPCEI-Projekte wurden 2018 mit dem Schwerpunkt Mikroelektronik genehmigt. Fokusthemen waren energieeffiziente Chips, Leistungshalbleiter, smarte Sensoren, optische Komponenten und Verbundmaterialien. Geförderte Unternehmen waren zum Beispiel Infineon, Zeiss, Semikron, Globalfoundries, ST Microelectronics oder die Produktion der von SiC-Chips im 2021 eröffneten Bosch-Werk in Dresden.

Ein Jahr später folgte ein IPCEI mit dem Schwerpunkt Batteriezellen. Hier standen Projekte zu den Themen Roh- und Werkstoffe, Zellen und Module sowie Recycling, Raffination und Umnutzung auf dem Plan. Von diesem IPCEI profitierten beispielsweise BMW, Varta, BASF, Umicore, Automotive Cells Company und Solvay.

2021 startete dann die dritte IPCEI-Runde zum Thema Wasserstoff. Gefördert werden Erzeugungsanlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff, etwa in der Stahl- und Chemieindustrie, H2-Infrastrukturprojekte und H2-Mobilitätsprojekte. Genehmigt wurden Vorhaben von BMW, Siemens Energy, RWE Renewables, Linde, Vattenfall, Shell, Total, Daimler Truck, Saarstahl, Thyssengas und Salzgitter Flachstahl. Es war das bislang größte IPCEI. Die Bundesregierung wählte 62 Großvorhaben aus Deutschland aus, die mit insgesamt acht Milliarden Euro gefördert werden sollen. Sie verspricht sich dadurch Investitionen von 33 Millionen Euro.

Aktuell läuft ein zweites IPCEI mit dem Schwerpunkt Mikroelektronik. Die Projektauswahl hat das BMWK bereits der EU vorgelegt. Wer die Subventionsempfänger sind, will das Ministerium verkünden, sobald die EU ihren Segen gegeben hat.

Ein weiteres IPCEI mit dem Fokusthema pharmazeutische Industrie geht auf eine deutsch-französische Initiative zurück. Hier sollen bevorzugt Vorhaben zur Gen- und Zelltherapie gefördert werden. Eine Entscheidung ist jedoch noch nicht gefallen. Auch Cloud-Computing ist einer der nächsten Projekt-Schwerpunkte, die im Gespräch sind. Perspektivisch könnte ein weiteres IPCEI für CO₂-arme Produktionsmethoden die Transformationsprozesse in emissionsintensiven Branchen unterstützen, so das BMWK auf seiner Webseite.

European Chips Act

Im Herbst 2021 gab es Meldungen, dass Intel möglicherweise eine neue Chip-Fabrik in Europa bauen könnte. Für die neue Megafabrik machen sich auch zwei deutsche Standorte Hoffnungen – Dresden, Magdeburg und Penzing westlich von München sind im Gespräch.

Laut Intel sollen rund zehn Milliarden Dollar in die erste Fertigungslinie fließen. Über mehrere Jahre könnte der Konzern nach eigenen Angaben sechs bis acht solcher Fabs in dem Standort errichten. Der Knackpunkt: Der Chip-Hersteller hätte gerne Subventionen in Höhe von 40 Prozent der Investitionen. Macht summasummarum etwa vier Milliarden Dollar. In Asien seien Finanzhilfen in dem Rahmen durchaus üblich, was die Produktion im fernen Osten für die meisten Fertiger attraktiver macht als hierzulande.

Das Problem dabei: Solche Subventionen verstoßen sowohl in ihrer Höhe als auch im Zweck gegen alle EU-Beihilferegeln und fallen auch nicht unter die Ausnahmen. Art. 107 EGV ist da sehr deutlich. Ein Ausweg könnte die Förderung über ein IPCEI sein. Allerdings kann dieser Prozess erst in Gang gesetzt werden, wenn die endgültige Entscheidung für den Bau gefallen ist. Das soll „Anfang 2022“ der Fall sein, so Intel-Chef Pat Gelsinger.

Aber auch hier gibt es wiederum einen Haken: So fördert IPCEI zwar die erste gewerbliche Nutzung innovativer Techniken, die „deutlich über den bislang üblichen internationalen Stand der Technik“ in dem betreffenden Sektor hinausgehen. Allerdings darf die Technologie, die ein gefördertes Unternehmen marktreif machen will, andernorts auf dem Globus noch nicht auf dem Markt zu haben sein. Ansonsten ist ein solches Projekt streng genommen auch kein Fall mehr für IPCEI.

Der Bau einer neuen Halbleiterfabrik, die nicht gerade Chips mit Strukturbreiten von fünf Nanometern oder weniger produziert, würde aus dem Grund aus dem IPCEI herausfallen, da die Technologie weitestgehend etabliert ist.

Hier soll der European Chips Act Abhilfe schaffen. Mit diesem hat sich die EU das ehrgeizige Ziel gesetzt, dass bis 2030 mindestens 20 Prozent der Mikrochips in Europa gebaut werden. Dazu müsste sich die aktuelle Produktion allerdings vervierfachen. Hier setzt der Chips Act an: Er soll auch staatliche Hilfen für den Aufbau von Produktionskapazitäten bereits bestehender Technologien ermöglichen. Der Chips Act besagt nämlich, dass eine Technologie sehr wohl gefördert werden darf, wenn diese noch nicht in der EU Fuß gefasst hat - ob das in den USA oder Asien der Fall ist, spielt dabei keine Rolle mehr.

Am 8. Februar hat die EU einen Entwurf für den Chips Act vorgestellt. Er muss jetzt noch vom Parlament bestätigt werden.

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