Materialstudie beleuchtet Lieferketten-Risiken

Kritische Rohstoffe im E-Motor im Fokus

Geopolitische Abhängigkeiten, technologische Rückstände und steigender Materialbedarf treffen auf ambitionierte Nachhaltigkeitsziele – die neue Studie des PEM-Lehrstuhls der RWTH Aachen zeigt, wie kritisch die Lage rund um Schlüsselmaterialien für E-Motoren ist.

Veröffentlicht
Symbol für den Trend zum magnetfreien E-Motor-Aufbau: Ein vom Lehrstuhl PEM entwickelter FSM-Rotor.
Symbol für den Trend zum magnetfreien E-Motor-Aufbau: Ein vom Lehrstuhl PEM entwickelter FSM-Rotor.

Hintergrund der Studie

Der Lehrstuhl für Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) an der RWTH Aachen hat eine umfassende Analyse zur Verfügbarkeit und Verwendung zentraler Materialien für die Herstellung von Elektromotoren vorgelegt. Die Untersuchung trägt den Titel „Schlüsselmaterialien im E-Motor: Kritische Ressourcen im Spannungsfeld technologischer Entwicklung und globaler Abhängigkeiten“ und ist in deutscher sowie englischer Sprache erschienen.

Ziel war es, zentrale Materialien wie seltene Erden, Kupfer, Aluminium, Elektroblech sowie Halbleiter- und Isolationsmaterialien hinsichtlich ihrer Kritikalität zu bewerten – also unter anderem ihrer Verfügbarkeit, Substituierbarkeit und ihrer Bedeutung für die technologische Weiterentwicklung.

Seltene Erden als geopolitisches Risiko

Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung ist die massive strategische Abhängigkeit Europas, insbesondere der EU, von China bei der Versorgung mit seltenen Erden. „Die Betrachtung der Kritikalität wird immer wichtiger, da sich die steigende Nachfrage trotz enormer Effizienzgewinne im Materialeinsatz nicht vollständig kompensieren lässt und diese Entwicklung in ein Umfeld geopolitischer Spannungen und protektionistischer Tendenzen fällt“, betont PEM-Leiter Professor Achim Kampker.

Obwohl die weltweiten Vorkommen ausreichend seien, erschwert laut Studie eine Kombination aus technischer Komplexität, hohen Investitionskosten und strengen Umweltauflagen den Aufbau alternativer Lieferketten. Kampker ergänzt: „Das erfordert massive öffentliche und private Investitionen, langfristiges politisches Engagement und eine realistische Zeitplanung.“ Die vollständige Transformation werde voraussichtlich zehn bis fünfzehn Jahre in Anspruch nehmen.

Kupferverfügbarkeit und Recyclingsysteme

Auch Kupfer zählt zu den essenziellen Bestandteilen eines jeden Elektromotors. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Kupfer zwar global ausreichend vorhanden ist, jedoch sei aufgrund der hohen europaweiten Nachfrage eine deutlich effizientere Recyclingstrategie nötig. Nur so könne der Wertstoff in Zukunft in hoher Qualität wiederverwendet werden. Hier besteht erheblicher Entwicklungsbedarf, um potenziellen Engpässen vorzubeugen.

Halbleiter: Europas technologische Schwäche

Besondere Aufmerksamkeit widmet die Analyse der Halbleiterindustrie. Hier offenbart sich eine kritische Konzentration der Produktions- und Distributionskapazitäten auf Taiwan, Südkorea und China. Europa nimmt mit einem Anteil von lediglich zehn Prozent an der globalen Chipproduktion eine untergeordnete Rolle ein.

Der technologische Rückstand ist gravierend. „Aufgrund seines deutlichen Know-how-Defizits liege Europa in diesem Bereich technologisch rund zehn Jahre hinter der Konkurrenz“, so die Studie. Die Abhängigkeit von außereuropäischen Lieferketten und Technologien sei besonders im Kontext der strategischen Souveränität und Versorgungssicherheit problematisch.

Strategien zur Reduktion kritischer Abhängigkeiten

Die Untersuchung zeigt, dass europäische Entwickler und Produzenten elektrischer Antriebe zwei wesentliche Strategien verfolgen: Einerseits den Ersatz kritischer durch weniger kritische Materialien, andererseits die Reduktion des Materialeinsatzes insgesamt. Beide Ansätze lassen sich je nach Komponente und Material feststellen.

Aufgrund spezifischer Materialeigenschaften, gesetzlicher Restriktionen und ökonomischem Druck dominiert jedoch aktuell die Strategie der Mengeneinsparung. Kampker bringt es auf den Punkt: „In Summe ist die hohe Abhängigkeit von asiatischen Lieferketten ein besonderes Erfolgsrisiko bei der Elektrifizierung der Mobilität in Europa.“

Studienkontext und Förderrahmen

Erarbeitet wurde die Untersuchung im Rahmen des durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsprojekts „Scale-up E-Drive“. Die vollständige Studie steht kostenfrei zum Download bereit unter: https://t1p.de/qt301

Die offizielle Online-Pressemeldung ist hier verfügbar: https://t1p.de/6hi4k.

Mit Material der RWTH Aachen

FAQ zur Materialstudie

  • Welche Materialien wurden in der PEM-Studie untersucht? - Bewertet wurden seltene Erden, Kupfer, Elektroblech, Aluminium sowie Halbleiter- und Isolationsmaterialien.
  • Was ist das Hauptproblem bei seltenen Erden? - Die starke strategische Abhängigkeit der EU von China und die Schwierigkeit, alternative Lieferketten aufzubauen.
  • Wie steht es um die Kupferverfügbarkeit? - Die globalen Vorkommen sind ausreichend, jedoch wird effizientes Recycling in Europa zunehmend wichtiger.
  • Welche Rolle spielen Halbleiter in der Studie? - Sie gelten als besonders kritisch, da Europa technologisch deutlich hinter der Konkurrenz liegt und stark abhängig ist.
  • Welche Strategien verfolgen europäische Hersteller? - Sie versuchen, kritische Materialien entweder zu ersetzen oder deren Einsatzmenge zu reduzieren.
  • Wie lange dauert laut Studie der Umbau der Lieferketten? - Der Aufbau alternativer Strukturen wird voraussichtlich zehn bis fünfzehn Jahre benötigen.