Industrie unter Druck durch Peking-Politik

Materialmangel in Industrie: China verschärft Krise

Exportkontrollen, Abhängigkeit und wachsender Druck: Chinas Eingriffe in den Weltmarkt zeigen Wirkung – mit dramatischen Folgen für die deutsche Industrie.

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Eigentlich wollte Deutschland weniger abhängig von China werden, aber das Gegenteil ist eingetreten. Die Industrie hat gerade wieder mit einem Materialmangel zu kämpfen. Und das ausgerechnet wegen der Politik in Peking.
Eigentlich wollte Deutschland weniger abhängig von China werden, aber das Gegenteil ist eingetreten. Die Industrie hat gerade wieder mit einem Materialmangel zu kämpfen. Und das ausgerechnet wegen der Politik in Peking.

Die deutsche Industrie steht erneut unter Druck: Eine zunehmende Zahl an Unternehmen meldet Lieferengpässe, insbesondere bei Halbleitern und elektronischen Komponenten. Der Ursprung dieser Entwicklung liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit in politischen Entscheidungen der chinesischen Regierung. Aktuelle Umfragen und Handelsdaten bestätigen die wachsende Abhängigkeit Deutschlands von China – und zeigen, dass sich diese sogar noch verstärkt hat.

Die aktuelle Lage in der Industrie

Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts klagen derzeit 11,2 Prozent der Industrieunternehmen über Materialengpässe – doppelt so viele wie noch im Oktober. Besonders betroffen ist die Automobilindustrie: 27,6 Prozent der Betriebe berichten über Nachschubprobleme. Auch Hersteller elektronischer und optischer Produkte sind zunehmend betroffen, hier stieg der Anteil betroffener Unternehmen von 10,4 auf 17,5 Prozent.

Ein wesentlicher Grund sind fehlende Halbleiter, für deren Herstellung sogenannte seltene Erden notwendig sind. Diese Metalle unterliegen seit dem Frühjahr chinesischen Exportkontrollen. Die Maßnahmen Pekings wirken sich nicht nur auf den direkten Handel mit China aus, sondern treffen auch Länder, die chinesische Vorprodukte in ihre Lieferketten integriert haben.

Mögliche politische Motive

Das Ifo-Institut hat die Unternehmen zwar nicht explizit nach den Ursachen befragt, jedoch hält Klaus Wohlrabe, der Leiter der Umfrage, einen politischen Zusammenhang für naheliegend. Hintergrund sind die chinesischen Exportbeschränkungen für seltene Erden, die laut Beobachtern auch als Mittel zur politischen Einflussnahme genutzt werden. Besonders im Fokus steht dabei der europäisch-chinesische Streit um den niederländischen Chiphersteller Nexperia, der im Besitz eines chinesischen Eigentümers ist.

Die Strategie Chinas zielt offenbar darauf ab, durch kontrollierte Verknappung und strategische Lieferengpässe politischen und wirtschaftlichen Druck auf ausländische Märkte auszuüben und gleichzeitig die eigene Industrie zu stärken.

Reaktionen der europäischen Wirtschaft

Laut einer Erhebung der EU-Handelskammer in China plant fast ein Drittel der dort ansässigen europäischen Firmen, sich neue Lieferanten außerhalb der Volksrepublik zu suchen. Gleichzeitig zeigen die Daten, wie groß die Abhängigkeit noch ist: Mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben an, dass ihre Werke außerhalb Chinas auf Vorprodukte aus der Volksrepublik angewiesen sind.

Chinas Exportkontrollen haben die Unsicherheit innerhalb der europäischen Unternehmenslandschaft erhöht. Laut Jens Eskelund, Präsident der EU-Handelskammer in China, drohen Produktionsstopps oder Verzögerungen. Die Kammer fordert daher einen Mechanismus für allgemeine Genehmigungen, um den bürokratischen Aufwand bei Lieferungen seltener Erden zu reduzieren.

Sonderrolle Deutschlands

Deutschland ist innerhalb Europas besonders stark betroffen. Nach Berechnungen des Mercator-Instituts für China-Studien (MERICS) importiert die deutsche Industrie rund 95 Prozent der benötigten seltenen Erden aus China – deutlich mehr als der europäische Durchschnitt.

Obwohl die politische Diskussion über eine Verringerung der Abhängigkeit von China bereits zu Amtszeiten der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel begann, ist bisher keine wirksame Entkopplung gelungen. Im Gegenteil: Die wirtschaftliche Verflechtung hat weiter zugenommen.

Handelsbilanz unter Druck

Germany Trade & Invest (GTAI), die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Bundes, prognostiziert für das laufende Jahr ein Rekordhandelsdefizit von fast 88 Milliarden Euro im Handel mit China. Die deutschen Exporte in die Volksrepublik könnten um 10,6 Prozent zurückgehen, während die Importe um rund 7 Prozent steigen dürften. Die ehemals vielzitierte „Win-Win-Situation“ hat sich damit klar zugunsten Chinas verschoben.

Globale Auswirkungen chinesischer Industriepolitik

Die Einbußen der deutschen Industrie beschränken sich bisher weitgehend auf den chinesischen Markt. Gleichzeitig expandieren chinesische Unternehmen jedoch mit aggressiven Preisstrategien und staatlicher Unterstützung in andere Weltregionen. Die chinesische Industrie hat in mehreren Sektoren enorme Produktionskapazitäten aufgebaut, die den heimischen Markt übersteigen. In der Folge versuchen chinesische Unternehmen, ihre Produkte auch in anderen Ländern zu platzieren – oft zulasten europäischer Wettbewerber.

Das Mercator-Institut warnt in einer aktuellen Analyse vor den mittelbaren Effekten der chinesischen Exportkontrollen: Diese könnten nicht nur die Preise für seltene Erden steigen lassen, sondern auch die Planbarkeit für Unternehmen erheblich beeinträchtigen.

FAQ zum Materialmangel in der deutschen Industrie

Was versteht man unter „seltenen Erden“? Dabei handelt es sich um eine Gruppe von 17 chemischen Elementen, die unter anderem für die Herstellung von Halbleitern, Batterien und Permanentmagneten benötigt werden.

Welche Branchen sind besonders betroffen?
Vor allem die Automobilindustrie sowie Hersteller elektronischer und optischer Produkte.

Was ist die Ursache für die aktuellen Engpässe? Wahrscheinlich sind die chinesischen Exportkontrollen für seltene Erden der Auslöser.

Wie stark ist Deutschland von China abhängig? Die deutsche Industrie bezieht rund 95 Prozent der benötigten seltenen Erden aus China.

Wie reagieren europäische Unternehmen?
Viele suchen neue Lieferanten außerhalb Chinas und fordern mehr Genehmigungssicherheit.

Mit Material der DPA

Tabelle: Wichtigste Zahlen zur aktuellen Entwicklung
KennzahlWert
Anteil betroffener Industrieunternehmen11,2 %
Anteil in der Automobilindustrie27,6 %
Anteil bei elektronischen/optischen Produkten17,5 %
Rückgang der Exporte nach China-10,6 % (Prognose 2025, laut GTAI)
Anstieg der Importe aus China+7 % (Prognose 2025, laut GTAI)
Anteil seltener Erden aus China (Deutschland)95 %
Unternehmen mit Abhängigkeit außerhalb Chinas> 66 %
Firmen, die neue Lieferanten suchenca. 33 %
Erwartetes Handelsdefizit mit China88 Mrd. € (Prognose 2025)

Quelle: DPA