Sie wollen funktionale Oberflächen nach Vorbildern aus der Natur industrialisieren (v.l.n.r.): Co-Founder Prof. Dr. Frank Mücklich, Co-Founder & Co-CEO Surfunction/Surfunction TEC Dr. Dominik Britz, Co-CEO Surfunction TEC Dr. Bogdan Voisiat und Co-Founder Prof. Dr. Andrés Lasagni.

Sie wollen funktionale Oberflächen nach Vorbildern aus der Natur industrialisieren (v.l.n.r.): Co-Founder Prof. Dr. Frank Mücklich, Co-Founder & Co-CEO Surfunction/Surfunction TEC Dr. Dominik Britz, Co-CEO Surfunction TEC Dr. Bogdan Voisiat und Co-Founder Prof. Dr. Andrés Lasagni. (Bild: Surfunction)

Oberflächen von Dingen haben nicht nur Einfluss darauf, wie sie aussehen oder sich anfühlen. Sie können auch die Funktion verändern. Möchte man Dinge miteinander verkleben, ist eine raue Oberfläche hilfreich. Soll kein Schmutz haften bleiben, sollte sie eher möglichst glatt sein. Eine Inspirationsquelle für funktionale Oberflächen ist die Natur. Haihaut verfügt beispielsweise über eine gezahnte Oberfläche, die den Strömungswiderstand verringert und gleichzeitig verhindert, dass sich Seepocken ansiedeln.

Solche Naturphänomene in Industrielösungen umzuwandeln, das hat sich das Start-up Surfunction zum Ziel gemacht. Mittels eines speziellen Laserverfahrens können vielfältige Oberflächenstrukturen geschaffen werden.

Wir stellen ihnen das junge Unternehmen vor, das Finalist beim Startup Award des Maschinenbau Gipfels 2023 war.

Warum sind funktionale Oberflächen so relevant?

„Im Endeffekt sind alles, was Sie in Ihrem Leben sehen und berühren, Oberflächen“, betont Dr. Dominik Britz, einer der Gründer und Geschäftsführer des Start-ups. „Also hat auch tatsächlich jeder damit zu tun.“

Bisher ist allerdings nur wenigen bekannt, dass die Eigenschaften von Oberflächen programmiert werden können. „Aus unserer Sicht verlieren wir dadurch enorm viel Potenzial bei der Performance und der Funktionalität“, sagt der Surfunction CEO. „In Kombination mit dem richtigen Werkstoff und mit dem Wissen über die Werkstofftechnik eröffnen sich da ganz neue Möglichkeiten.“

Ein Grund, warum eine solche Oberflächentechnologie gerade jetzt so relevant ist, sei das geplante PFAS-Verbot der EU. Denn dies befeuere die Notwendigkeit: „Da macht man sich auf einmal überhaupt erst Gedanken darüber, was ich denn machen kann, um zum Beispiel meinen Reibkoeffizienten oder meinen Verschleiß zu reduzieren, wenn ich auf einmal kein PTFE-basiertes Hilfsmittel mehr einsetzen kann“, berichtet Britz. Denn spätestens dann braucht man Alternativen und da sei die Topografie, also die eigentliche Oberfläche, ein bisher noch sehr häufig ungenutztes Potenzial. Um genau dies zu ändern, wurde Surfunction gegründet.

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Wie kam es zur Gründung von Surfunction?

Im Grunde ist ein Referenzkunde aus der Forschung daran schuld, dass es Surfunction überhaupt gibt. Denn eigentlich stand im Fokus der Gründer die Entwicklung der Technologie und ihre Forschungsarbeit. Das Direct Laser Interference Patterning, kurz DLIP, welches Surfunction für die Bearbeitung der Oberflächen nutzt, wurde bereits Ende der 90er Jahre von Prof. Frank Mücklich an der TU München erfunden. Später machte er die Oberflächenstrukturierung mittels Laserinterferenz zu seinem Forschungsschwerpunkt. Gemeinsam mit seinem damaligen Doktoranden Prof. Andrés Lasagni erzielte er viele Erfolge und die beiden gewannen einige Preise für ihre Forschung.

In Saarbrücken eröffnete Mücklich 2009 das Material Engineering Center Saarland (MECS), das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Werkstofftechnologien aus der Forschung in die Wirtschaft zu transferieren - in Kooperation mit regionalen, nationalen und internationalen Firmen.

Doch im Fall von DLIP fiel auf, dass die Arbeit im Rahmen des MECS nicht ausreicht. Ein Partner aus der Wirtschaft machte die Verantwortlichen darauf aufmerksam. Also gründeten Frank Mücklich und Andrés Lasagni 2020 gemeinsam mit Dominik Britz und Ralf Zastrau das Start-up Surfunction, um die Technologie weiter zu industrialisieren.

„Das ist aus meiner Sicht genau so gelaufen, wie es eigentlich laufen sollte“, berichtet Britz. „Aus der Grundlagenforschung über den Transfer in die Anwendung hinein.“ Entscheidend sei es dabei, das wissenschaftliche Know-how im Hintergrund zu haben, ohne dabei die Industrialisierung beziehungsweise die wirtschaftlichen Aspekte aus den Augen zu verlieren.

Da kurz nach der eigentlichen Gründung die Corona-Pandemie die Welt lahmlegte, startete Surfunction erst 2021 ins operative Geschäft. Dieses wird gelenkt von Dominik Britz, der sich als promovierter Materialwissenschaftler hauptsächlich um die technologischen Aspekte kümmert, und Ralf Zastrau, der sich eher auf den kaufmännischen Bereich fokussiert.

Nach wie vor sind auch noch die Erfinder der Technologie Mücklich und Lasagni als Gesellschafter mit dabei. „Die beiden sind wichtige Impulsgeber und sorgen auch dafür, dass uns die Themen und Ideen nicht ausgehen“, berichtet Britz schmunzelnd.

Was ist DLIP?

Beim Direct Laser Interference Patterning (DLIP) werden zwei oder mehr Laserstrahlen so überlagert, dass ihre Wellen an bestimmten Punkten interferieren. Mittels einer gezielten Steuerung der Interferenzmuster werden hochpräzise, periodische Strukturen auf der Zieloberfläche erzeugt.

Die Strukturen können in ihrer Größe von einigen Mikrometern bis hin zu einigen Nanometern variieren. Dies ist abhängig von den Parametern des Laserprozesses, wie Wellenlänge, Einfallswinkel und Interferenzmuster der beteiligten Laserstrahlen.

Diese präzise Erzeugung von periodischen Mustern auf der Oberfläche eines Materials kann dessen physikalische, chemische und biologische Eigenschaften signifikant verändern. Bearbeitet werden kann eine Vielzahl von Materialien, darunter Metalle, Polymere und Glas.

Was ist das Produkt von Surfunction im Detail?

Das eigentliche Produkt von Surfunction ist nicht die DLIP-Technologie, sondern es sind Oberflächenfunktionalitäten. Diese liefert das Unternehmen auf zwei verschiedene Weisen:

  1. Oberflächen als Dienstleistung: Bei dieser Variante schicken die Kunden ihre Bauteile, zum Beispiel Werkzeuge, die mit bestimmten Eigenschaften versehen werden sollen, an Surfunction. Im eigenen Oberflächenzentrum funktionalisieren, strukturieren und veredeln die Surfunction-Mitarbeitenden die Oberflächen und senden die Produkte zurück.
  2. Anlagenintegration in der Produktion des Auftraggebers: Die andere Möglichkeit ist der Technologietransfer in die Serienfertigung des Kunden. Hier wird ein Komplettsystem für die gewünschten Oberflächen in die bestehende Produktionslinie integriert. Dabei stellt Surfunction den Laser, die Optiksysteme und die Scanstrategie als Gesamtsystem zur Verfügung und arbeitet mit Partnern aus dem Sondermaschinenbau oder auch den internen Fertigungsbereichen zusammen.

Bevor sich Anwendende für einen der beiden Wege entscheiden, prüft Surfunction die Machbarkeit und zeigt die möglichen Effekte der Oberfunktionalisierung auf. „Wir haben natürlich die Laser- und Optikkompetenz in der Firma, aber vor allem auch die materialwissenschaftliche Kompetenz“, berichtet Britz. Dem Kunden beratend zur Seite zu stehen, ist daher ein essenzieller Teil des Geschäfts.

Daher wird Surfunction auch die Laseroptiken für das DLIP-Verfahren allein nicht verkaufen. Der Grund: „Nur wenn man weiß, was man mit dem Material anstellt, kann man so eine Technologie auch sinnvoll einsetzen“, sagt der CEO. „Die Skala im Mikrometer-Bereich, auf der wir da unterwegs sind, ist eine Größenordnung, mit der man jetzt als ‚normaler‘ Maschinenbauer bisher nicht unbedingt direkt in Kontakt war.“ Daher gäbe es eben ausschließlich entweder ein abgestimmtes Komplettsystem oder eine fertige Oberfläche.

Wofür kann die Technologie im Maschinenbau genutzt werden?

Die Einsatzgebiete für funktionalisierte Oberflächen sind vielfältig. „Sobald es um Reibung und Verschleiß geht, sind wir eigentlich immer mit dabei“, kommentiert Britz. Surfunctions Oberflächen können beispielsweise bei Führungssystemen, Werkzeugen oder Lagern hilfreich sein.

Bei den Werkzeugen kann beispielsweise der Materialverschleiß reduziert werden, bei den Lagern geht es um einen gezielteren Einsatz von Schmiermittel, um den Verbrauch zu reduzieren, ohne einen Schmierfilmabriss zu riskieren.

Bisher am häufigsten genutzt wird die Technologie für Steckverbinder. „Es gibt inzwischen fast keinen Steckverbinder-Hersteller, mit dem wir nicht mehr zusammenarbeiten“, erzählt Britz. „Das ist der Hauptmarkt, und da eben nicht nur Automotive, sondern auch Industrial Solutions.“

Das bedeute überall, wo es irgendwelche elektrischen Schnittstellen gibt, sei Surfunction sehr gut vertreten. Nun will das Start-up aber noch viele weitere industrielle Anwendungsfelder erschließen.

So wie in dieser Mikroskopaufnahme können die strukturierten Oberflächen auf Steckverbindern beispielsweise aussehen.
So wie in dieser Mikroskopaufnahme können die strukturierten Oberflächen auf Steckverbindern beispielsweise aussehen. (Bild: Surfunction)
Redakteurin Julia Dusold mit additiver Greiferlösung
  (Bild: PRODUKTION)

Die Autorin Julia Dusold ist Technik-Redakteurin bei mi connect. Sie beschäftigt sich mit verschiedenen Fertigungstechnologien, zum Beispiel der Zerspanung, der Lasertechnik und dem 3D-Druck. Außerdem in Julias Portfolio: Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie. Gemeinsam mit der Wirtschaftsredakteurin Anja Ringel produziert und moderiert sie den Interview-Podcast Industry Insights.

Vor ihrer Arbeit bei mi connect hat Julia zuerst Physik und dann Wissenskommunikation studiert. In ihrer Freizeit ist sie gerne am, im und auf dem Wasser unterwegs oder reist auf diverse Weisen in fiktive Welten.

Welche Ziele hat Surfunction für die Zukunft?

Viele der Anwendungsfelder sind bisher noch unentdeckt, weil nur wenige Menschen in der Industrie davon wissen. Das bestätigt Britz: „Im Moment hapert es so ein bisschen auch an der Umsetzung, da viele nicht auf dem Schirm haben, was Oberflächen ausmachen.“ Dabei sei der Markt und die Nachfrage definitiv da, die ersten Referenzanwendungen bestätigen den Erfolg der Oberflächen von Surfunction.

Daher gehe es nun darum, die zu etablieren und es zu schaffen, dass die Leute von den programmierbaren funktionalen Oberflächen wissen. Die nächsten Schritte sind für Surfunction das Ausrollen der Technologieplattform und die breite Serienanwendung. „Das ist jetzt das Ziel für die nächsten Jahre, und da sind wir auf einem guten Weg“, sagt der Geschäftsführer.

Aktuelles aus der Industrie

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Was hat Surfunction die Teilnahme am Start-up-Wettbewerb des Maschinenbau-Gipfels gebracht?

Einen Teil zur Zielerreichung beigetragen hat der Start-up-Wettbewerb des Maschinenbau-Gipfels. Denn der mit dem Wettbewerb verbundene Besuch und Pitch auf dem Maschinenbau-Gipfel war eine Möglichkeit, auf die bisher unbekannte Technologie aufmerksam zu machen. „Das Feedback vom Maschinenbau-Gipfel war enorm“, so Britz. Bisher seien schon einige weiterführende Gespräche mit Teilnehmenden des Gipfels geführt worden.

Britz und sein Team haben zwar bereits im Vorfeld von dem starken Netzwerkgedanken des Gipfels gehört und auch unter anderem deswegen an dem Wettbewerb teilgenommen, waren aber vom Ausmaß der Reaktionen und der Qualität der Kontakte überrascht: „Die Erwartung war, dass man sein Netzwerk ein bisschen erweitert und diejenigen, die in den verschiedenen Branchen an entscheidenden Stellen sitzen, mal kennenlernt“, berichtet Britz. „Aber dass die Resonanz so gewaltig ist, hätte ich nicht gedacht.“ Somit war die Teilnahme am Wettbewerb ein Türöffner in Branchen, in denen Surfunction bisher noch gar nicht unterwegs war.

Dominik Britz durfte auf dem Maschinenbau-Gipfel für sein Start-up auf der großen Bühne pitchen.
Dominik Britz durfte auf dem Maschinenbau-Gipfel für sein Start-up auf der großen Bühne pitchen. (Bild: Anna McMaster)
Deutscher Maschinenbau-Gipfel 2022
(Bild: mi-connect)

Deutscher Maschinenbau-Gipfel

Der Maschinenbau-Gipfel 2023 ist vorbei - hier können Sie die Highlights Revue passieren lassen:

 

Die Veranstalter des Maschinenbau-Gipfels, VDMA und PRODUKTION freuen sich, wenn Sie auch 2025 in Berlin dabei sind!

 

Hier geht es zur Website des Maschinenbau-Gipfels.

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