Bundesfinanzminister Christian Lindner.

Bundesfinanzminister Christian Lindner: Es brauche eine wirtschafts- und finanzpolitische „Zeitenwende“, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. (Bild: Anna McMaster)

Wie war der Migrationsgipfel am Montag für den Bundesfinanzminister, wollte Moderatorin Ursula Heller wissen. „Weniger kostenintensiv als ich am Beginn des Abends gefürchtet habe und in der Sache effektiver, als ich erhofft hatte“, antwortete Christian Lindner. „Sie beginnen den Tag mit dem Wirtschaftsminister und wenn abends das gesellige Programm bevorsteht, kommt der Finanzminister für den gemütlichen Teil“, scherzte Lindner, der zuvor seinen französischen Amtskollegen Bruno Le Maire getroffen hatte.

Dabei sei ihm eine Ungleichheit aufgefallen. Frankreich habe Unternehmenssteuern reduziert und sei dabei, seinen Industriestrompreis durch eine marktgetriebene Alternative zu ersetzen. „Frankreich wird ein Stück deutscher und zur gleichen Zeit erwägen wir einen Industriestrompreis und werden französischer“, sagte Lindner. So habe er sich die deutsch-französische Annäherung jedoch nicht vorgestellt.

Standortvorteile werden in Deutschland nicht ausreichend genutzt

Bei der Inflation gingen die Zahlen zurück, man habe die fiskalische Wende geschafft, sagte der Minister weiter. Andere G20-Länder hätten derzeit mehr Dynamik als Deutschland, das sei unter anderem der zurückgehenden Nachfrage in China und der nachlassenden Kaufkraft geschuldet. Lindner ist sich jedoch sicher: „Wir haben strukturelle Probleme, weil wir unsere Standortvorteile nicht gepflegt haben“. Es brauche eine wirtschafts- und finanzpolitische „Zeitenwende“, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, ähnlich wie bei von Bundeskanzler Scholz ausgerufenen Zeitenwende mit Blick auf die Militärausgaben für die Sicherheit.

„Vorstellungen von links, die von Umverteilung träumen, bin ich gewohnt“, schoss Lindner gegen die SPD-Ideen – und andere politische Konkurrenz: „Dass die Substanzbesteuerung jetzt auch auf Seiten der CDU eingebracht wird, halte ich für einen Nachteil.“ Mit seiner Position, dass es bereits eine hohe Steuerlast gebe, die nicht weiter erhöht werden sollte, sei er „ziemlich allein“. Das Wachstumschancengesetz sei nicht die große Unternehmenssteuerreform, die er sich gewünscht habe, aber dennoch ein Schritt in die richtige Richtung. Zudem wünsche er sich die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, an der er arbeite.

Lindner ist gegen ein Aufweichen der Schuldenbremse

„Wir müssen investieren in Straße, Schiene, Wasserstraße und digitale Netze. Es wird gesagt, die Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse. Die Schuldenbremse ist die Inflationsbremse“, erklärte Lindner. Durch deren Aufweichung würde er die Bemühungen der EZB konterkarieren, die Bekämpfung der Inflation würde länger dauern und teurer werden. Dennoch seien „Rekordinvestitionen“ möglich, im nächsten Jahr werde man 54 Milliarden dafür zur Verfügung stellen.

Der Industriestrompreis sei nicht finanzierbar, ohne die Schuldenbremse zu hinterfragen, führte Lindner aus. Morgens hatte schon Vorredner Robert Habeck gesagt, dass innerhalb der nächsten zehn Tage mit einer Einigung zu rechnen sei. „Wir müssen etwas tun, ohne in die Marktpreise einzugreifen und mehr mit Blick auf das Steuerrecht, um die aktuelle Lage zu lindern. Das soll kein Spoiler sein“, deutete auch der Bundesfinanzminister eine kommende Einigung an. In einer Saalumfrage gaben immerhin rund 75 Prozent der über 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Maschinenbau-Gipfels an, dass sie denken, die Schuldenbremse hält.

Bürokratie muss noch weiter abgebaut werden

Zudem sprach sich der Finanzminister gegen Überbürokratisierung aus. „Wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten wollen, dann muss das Lieferkettengesetz der großen Koalition der letzte große bürokratische Akt gewesen sein, weitere können wir uns nicht erlauben“, so Lindner. Im Wachstumschancengesetz habe man Bürokratie rund um die Besteuerung aus PV-Anlagen abgebaut. Schon zuvor hatte der Minister die Stärkung der steuerlichen Forschungsförderung und Stärkung des Eigenkapitals beim Verlustvor- und rücktrag mit dem neuen Gesetz erwähnt.

Anschließend fragte die Moderatorin VDMA-Präsident Karl Haeusgen, was er sich denn noch vom Bundesfinanzminister erwarte. „Es ist schwer, mit Herrn Lindner zu streiten, weil er alles gesagt hat, was Sie hören wollen – wie am Szenenapplaus zu merken war“, so Haeusgen. Der Finanzminister setze Signale, aber es sei nicht das, was an Unternehmenssteuerreform aus Sicht der Branche nötig sei. So müssten etwa die mittleren und kleineren Einkommen stärker entlastet werden.

Sie möchten gerne weiterlesen?