Derzeit äußern zwar Manager von Automobilherstellern gerne, dass sie Daten aus ihrer Produktion nicht an andere herausgeben. Dabei stehen ihnen diese Daten in ihrer Gesamtheit gar nicht zur Verfügung, weil die Hersteller der Maschinen, die in ihrer Produktion stehen, diese Daten für sich behalten; denn sie meinen, das wären Daten ihrer Geräte. Und auch die Unternehmen, die Fertigungsanlagen produzieren, wollen nicht unbedingt ihre Daten mit anderen Geschäftspartnern teilen. In dieser Deadlock-Situation befinden sich derzeit Industrieunternehmen, wenn sie eine Datenanalyse vornehmen wollen.
Wem gehören nun die Daten, deren Auswertung mit Big Data-Ansätzen einen großen Mehrwert bringen soll. „Das Thema ist derzeit noch offen“, sagte Markus Rossmann, Leiter des internationalen Kernteams der Digital Manufacturing Services bei Capgemini.
Wem gehören nun die Daten?
Welche aktuellen Gesetze die Datenhoheit regeln könnten, hat der wissenschaftliche Beirat der Plattform Industrie 4.0 analysiert. Beispielsweise sind aus Sicht eines Maschinenbetreibers Systemgestaltungen problematisch, bei denen die Daten ausschließlich extern von einem Dienstleister gespeichert oder ausgewertet werden. Will das Unternehmen die Big Data nun selbst auswerten, muss er die Herausgabe der Daten verlangen. Dazu könnte nach dem Vorbild des strafrechtlichen Schutzes von Daten, insbesondere von § 303a StGB, ein ‚Dateneigentum‘ analog zu § 903 BGB konstruiert und der Herausgabeanspruch auf § 985 analog gestützt werden. Dieses ‚Dateneigentum‘ sollte dann demjenigen zustehen, der die Daten unmittelbar speichert, das heißt, den Skripturakt vornimmt.
Zum Thema Integrität von Daten stellte der Beirat – Professor Gerrit Hornung und Kai Hofmann von der Universität Kassel – fest, dass ein umfassender deliktischer Schutz bisher nur für den Eigentümer oder berechtigten Besitzer des betroffenen Datenträgers anerkannt wird.
Die Daten selbst seien lediglich strafrechlich (§§ 303a ff. StGB) sowie zivilrechtlich als Teil des Gewerbebetriebs gegen gezielte Eingriffe geschützt. Eine sich verbreitende Meinung will darum ein Recht am Datenbestand als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB anerkennen, das auch gegen fahrlässige Schädigungen schützen würde.
Um den Abfluss von Wissen zu verhindern, wollen Maschinenhersteller die Vertraulichkeit von in den Analyseergebnissen enthaltenen Informationen sicherstellen. Dies wird in erster Linie durch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 17 UWG gewährleistet, unter den grundsätzlich auch Maschinendaten fallen könnten. Der Geheimnischutz soll die direkte Offenbarung von Informationen verhindern und laufe deshalb laut der Plattform 4.0 bei gezieltem Datenaustausch ins Leere.
Hält ein Maschinenhersteller Daten geheim, sind sie ihm zugeordnet
Berechtigt zur Nutzung von Daten ist derjenige, der die Geheimhaltung der Daten – faktisch oder vertraglich vermittelt – kontrolliert. Über wen diese Daten Informationen enhalten, spielt keine Rolle, heißt es in der Analyse des Beirats: „Wo die Kontrolle der Daten nicht aufrechterhalten werden kann, weil etwa der Maschinenbetreiber dem -hersteller nicht auf Augenhöhe begegnen kann, bietet der gesetzliche Geheimnisschutz keine Hilfe.“ Mehr noch: Gelinge es dem Hersteller einer Maschine, die von ihr erzeugten Daten vor dem Betreiber geheim zu halten, sind sie diesem Hersteller zugeordnet.
Die Verwertung der Daten wird schließlich von einem Dienstleister oder dem Hersteller selbst vorgenommen. Dabei sind diejenigen Firmen, die den Prozess nicht kontrollieren können, daran interessiert, auch Kapital aus der Datenauswertung zu schlagen. Dies kann nach Einschätzung von Profesor Hornung und Hofmann über den erwähnten Geheimnisschutz erreicht werden. Wird eine Vereinbarung über die Nutzung der Daten erzielt, kann derjeinige, der die Daten für die Analyse bereitstellt, die Verwertung des Analyseergebnisses ganz oder teilweise verbieten. Diese Kombination aus tatsächlicher Exklusivität und vertraglichen Regelungen ist bisher die Grundlage für den Handel mit Big Data, ohne aber eine eigenständige Zuweisung zu bewirken.
Automotive-Firmen zögern mit bei der Datenherausgabe
Nach Einschätzung von Rossmann ist bei der Frage nach dem Dateneigentum wichtig, wo die Wertschöpfung stattfindet. Während die Automotive-Firmen häufig mit der Datenherausgabe zögern, wollen die Asset-Provider ihre Anlagen durch eine Datenanalyse entweder verbessern oder auf Basis diese Informationen weitere Dienste aufbauen, die sie auch anderen Kunden zur Verfügung stellen.
„Die Axoom-Plattform wurde zunächst einmal deswegen aufgebaut, weil die Maschinen von Trumpf bei der Steuerung des Fertigungsablaufs beim Kunden optimiert werden sollten“, sagte Joerg Wahler, Vice President bei Capgemini Consulting. Trumpf habe Interesse daran, dem Kunden optimal laufende Maschinen zur Verfügung zu stellen, Service-Kosten zu senken und zu verstehen, unter welchen Feldbedingungen die Maschinen funktionieren.
Weil Daten zum Teil auch auf Intellectual Property zurückschließen lassen, kann der Schaden durch eine unbewusste Herausgabe groß werden, meinte Rossmann. Deshalb sei die Frage nach der Daten-Ownership zusätzlich knifflig und situativ zu beantworten. Meistens entstehen solche Lösungen in einer engen Zusammenarbeit zwischen den Anbietern der Plattformen und den Produzenten und werden vertraglich vereinbart.
Industrie 4.0 bei Lamborghini
Ein Beispiel dafür ist Volkswagen, das bei seiner Marke Lamborghini im italienischen Sant‘Agata Bolognese zusammen mit Eisenmann das Konzept Smart Paint Shop im Sinne von Industrie 4.0 umsetzt, um Rückläufe und Nacharbeitsquote zu reduzieren und die Leistung der Lackieranlagen zu verbessern.
Die neue Automobillackierung bewegt sich weg vom starren Linienprinzip hin zu einer hochflexiblen Werkstattfertigung mit Linienelementen. Gesteuert wird diese Lackierung durch das Produktionsleitsystem der Eisenmann Industrial Software Company (Enisco) namens E-MES. Damit wird eine Serienproduktion in Losgröße 1 möglich.
Eisenmann verstehe unter Industrie 4.0 die optimale Verknüpfung von flexibler Hardware, intelligenter Software und digitalen Services, die im Zusammenspiel maximalen Kundennutzen ermöglichten, sagte Enisco-Geschäftsführer Werner Gruber. Eisenmann arbeitet dabei mit dem Automobilhersteller unter Feldbedingungen zusammen, um die Anlage zu optimieren.
Lamborghini arbeitet bei Auswertung mit Eisenmann zusammen
Einen anderen Ansatz verfolgen diejenigen Maschinenbauer, die unterschiedliche Maschinen auf ihrem Shopfloor haben, Fertigungs-Know-how besitzen und sich übergreifende Verbesserungen wünschen. Diese Unternehmen benötigen eine Plattform, die nicht an einen Anbieter gebunden ist und die eine Steuerung nicht nur für einen Anlagentypus, sondern für den gesamten Shopfloor ermöglicht.
Einige dieser Unternehmen haben sich der Plattform Adamos angeschlossen, bei der die Data proprietär dem Kunden gehören. Die aufgesetzte Analytik wird, wenn gewünscht, anonymisiert den anderen Teilnehmern zur Verfügung gestellt.
In einer Ausbaustufe ist angedacht, dass in Benchmarks gleichartige Produktionsprozesse über die Firmen verglichen werden, wenn die Kunden dem zustimmen. „Wir garantieren volle digitale Souveränität sowie die Datenhoheit für jeden Endkunden beziehungsweise jeden Partner“, sagte Adamos-Geschäftsführer Marco Link. Der Endkunde entscheide, welche Daten für welche Services zur Verfügung gestellt werden.
Laut Daniel van Geerenstein, VDMA-Rechtsanwalt, existiert ein „Dateneigentum“ nicht und ist auch abzulehnen. Der VDMA fordert, dass die Unternehmen in der Lage sein müssen, für unternehmensübergreifende Lösungen vertraglich flexible Regelungen zu treffen. Eine Reform des nationalen AGB-Rechts müsse die Vertragsfreiheit stärken und Raum für digitale Geschäftsmodelle schaffen.