Um zu erfahren, wie weit ihre Mitglieder beim Thema Digitalisierung sind, hat die Bundesvereinigung Logistik (BVL) eine Umfrage gestartet. Das Ergebnis: Mehr als ein Drittel der Teilnehmer verfügen weder über ausreichend qualifiziertes Personal, noch finden sie geeignete Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt, um den Weg der Digitalisierung beschreiten zu können. Elf Prozent sind sogar der Meinung, dass ihr Unternehmen nicht digitalisiert werden muss. Rund 81 % geben außerdem an, dass ihre Firma kaum oder nur zum Teil digital arbeitet. In den meisten Betrieben spielen Papier und Telefon weiterhin eine bedeutende Rolle.
„Angesichts aktueller Marktentwicklungen und zukünftiger Anforderungen sind diese Zahlen bedenklich. Solche Unternehmen riskieren, den Anschluss an eine digitale und vernetzte Wirtschaft zu verlieren“, so der Vorstandsvorsitzende der BVL, Robert Blackburn. Laut der BVL-Studie ‚Trends und Strategien in Logistik und Supply Chain Management‘ sehen Logistik-Experten vor allem bei der intelligenten Sensorik, dem Datenzugriff über mobile Endgeräte, bei Prognose-Tools, fahrerlosen Transportsystemen sowie der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation große wirtschaftliche Potenziale.
Zauderer vs. Frühaufsteher
Auch Gunnar Gburek, Company Spokesman bei TimoCom, kennt diese Problematik: „Unternehmen gehen heute unabhängig von ihrer Größe unterschiedlich mit dem Thema um. Die Zauderer und Zögerer suchen nach Argumenten, den Fuß auf der Bremse zu lassen: Zu aufwendig, zu teuer, zu unsicher.“ Dahinter stehe häufig die unbegründete Angst, seine Datenhoheit zu verlieren und den Wettbewerb schlau zu machen.
Die Frühaufsteher hingegen hätten erkannt, dass 50 % der Logistik schon heute IT und damit digital seien. Gburek weiter: „Sie sehen die Digitalisierung als das, was sie ist: Stand der Technik. Wie weit diese Technik reicht, zeigen Entwicklungen wie der 3D-Druck: Wer hätte gedacht, dass man Produkte eben doch ‚beamen‘ kann, wenn man sie über die Datenautobahn versendet.“
Gerade Mittelständler tun sich offenbar schwer mit der Digitalisierung, wie Blackburn sagt: „Befragungen mittelständischer Unternehmen zeigen immer wieder, dass sie die Herausforderungen in der Umsetzung der digitalen Transformation entweder gar nicht oder nur sehr weit unten auf ihrer Agenda haben. Dafür sind sie sehr stark auf Themen wie den Fachkräftemangel fokussiert.“ Doch auch dabei kann die Digitalisierung helfen. Zum Beispiel sorgen Vernetzung und Softwarelösungen für effizientere Prozesse. Gleichzeitig sind moderne, digitalisierte Unternehmen beliebtere Arbeitgeber für junge Menschen.
»Zur Digitalisierung gibt es keine Alternative. Wer sich dieser Entwicklung nicht stellt, wird über kurz oder lang leider ins Hintertreffen geraten.«
Robert Blackburn, Vorstandsvorsitzender Bundesvereinigung Logistik (BVL)
„Gerade der Mittelstand muss Digitalisierungspotenziale ausschöpfen“, so Blackburn. „Rund 99 Prozent der Unternehmen in diesem Land sind kleine und mittlere Unternehmen, in denen über 60 Prozent aller Arbeitnehmer beschäftigt sind. Gleichzeitig werden mittelständische Unternehmen aus Deutschland für ihre Innovationskraft und ihre Flexibilität geschätzt“, erklärt der BVL-Vorstandsvorsitzende.
Besonders KMU seien in der Lage, wirtschaftlich kleine Mengen zu produzieren und schnell auf Änderungen zu reagieren. Damit seien sie grundsätzlich gut auf die Zukunft vorbereitet, in der Warenströme noch individueller und somit kleinteiliger werden. Entscheidungen würden aufgrund von Echtzeit-Daten getroffen, Plattformen und Apps würden immer wichtiger. Darum müssten Unternehmen digitaler werden und ihre Wertschöpfungsketten neu organisieren. Mit einer passenden Strategie könnten gerade KMU enorm von der Digitalisierung profitieren.
Das sieht auch Andreas Rudolph so, Leiter Logistikplanung bei Müller – Die lila Consult GmbH: „Viele Unternehmen stehen mit der digitalen Entwicklung vor der Herausforderung, Prozesse der immer bedeutender werdenden Materialflussplanung automatisieren zu müssen. Um effizienter zu werden und Marktchancen zu erhalten, müssen Betriebe abwägen, welche Abläufe manuell belassen und welche automatisiert werden sollen. Die dem Entschluss für solche Veränderungen zugrunde liegenden Kriterien sind komplex, genaue Planung ist gefragt. Idealerweise werden mögliche Szenarien in einer Simulation durchgespielt.“
Digitalisierte Planung als Zukunftsmodell
Auch die Berater würden immer effizienter: Auf Grundlage bestehender, weiterentwickelter Simulations-Software könnten logistische Modelle entworfen und die Prozesse mit diesem Tool so auch dreidimensional präsentiert werden. Programmiert müsse bei dem Einsatz des Tools mit einfacher Benutzeroberfläche kaum werden. Sie mache es möglich, zeitsparend Modelle aufzubauen und diese zwei- und dreidimensional darzustellen. Damit erleichtere das Tool die Planung und stelle bereits in der Planungsphase Daten und Kennzahlen für mehr Wirtschaftlichkeit bereit.
Dazu ergänzt Rudolph: „Bei der zukünftigen Unternehmensausrichtung setzen die Berater also auf Digitalisierung: Die digitalisierte Planung soll mit der digitalen Fabrik als operative Einheit in einem Gesamtwerk kombiniert werden und darüber hinaus das ganze IT-Netzwerk abbilden können.“
Und wenn nicht? Was den Unternehmen widerfahren wird, die nicht digitalisieren wollen, schildert Gburek: „Diese Unternehmen werden als Dinosaurier der analogen Welt über kurz oder lang vom Aussterben bedroht sein. Was ihnen bleibt, sind extrem begrenzte Nischen.“ Darin könnten sie nur einfachste Dienstleistungen erbringen. Es werde ihnen schwer fallen, eigene Kundenbeziehungen aufzubauen.
„Außerdem fehlt der Überblick über Daten und Prozesse in Echtzeit. Denn Papier ist nicht nur geduldig. Es hat auch keine nützliche Schnittstelle. So sinkt die Informations- und Servicequalität rapide. Und auch bei den Kosten werden die Anhänger des Fax-Zeitalters mit dem Wettbewerb nicht mehr mithalten können“, warnt Gburek und nennt positive Beispiele: „Viele Logistikunternehmen kooperieren heute mit Start-ups oder gründen eigene Inkubatoren, in denen Digitalstrategien entwickelt, erprobt und umgesetzt werden. Dazu gehören DHL, Imperial Logistics oder Schenker.“
Fehler machen und daraus lernen
Aber auch im Mittelstand bewiesen Speditionen und Logistiker, dass sich mit digitalisierten Prozessen ein beachtlicher Marktvorsprung herausfahren lasse. Welchen vielfältigen Nutzen die Digitalisierung bringe, zeige die Telematik, eines der Schlüsselsysteme in der Logistik: Routenplanung, Flottenmanagement, Temperaturüberwachung, Ortung – immer mehr Einsatzbereiche würden entwickelt. Und immer mehr Unternehmen fänden so den Einstieg in die digitale Welt.
Blackburn wünscht sich vom Mittelstand daher mehr Mut, Digitalisierungsprojekte zu wagen: „Für die Digitalisierung gibt es kein Patentrezept und keine Garantien. Unternehmen werden sich verändern und auch Fehler machen – und das ist gut so. Dabei gilt es, aus diesen zu lernen und besser zu werden. Aber zur Digitalisierung gibt es keine Alternative. Wer sich dieser Entwicklung nicht stellt, wird über kurz oder lang leider ins Hintertreffen geraten.“
Doch wie lassen sich die Unternehmen überzeugen, zu digitalisieren? Dazu Gburek: „Wir zeigen ihnen, dass es keine Zauberei ist, digitale Prozesse zu etablieren. Bei TimoCom braucht es im Grunde nur wenige Mausklicks dazu. Es geht darum, einfach anzufangen und auszuprobieren. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen, am besten auf Basis etablierter Standards, die den Switch von der analogen in die digitale Welt kostengünstig und risikolos ermöglichen. Vielen wird bei näherer Betrachtung klar, dass die Entscheidung kurzfristig fallen muss, um den Anschluss nicht zu verlieren.“
Lufthansa Cargo führt Papiergebühren ein
Lufthansa Cargo hat zum 2. April 2018 eine Gebühr für papier-basierte Frachtbriefe ein. Dazu Gunnar Gburek, Head of Business Affairs bei TimoCom: „Lufthansa Cargo schafft mit der Einführung von Papiergebühren Tatsachen und setzt ein wichtiges Signal für den Markt: Der Schritt in die digitale Welt der Logistik ist unumkehrbar. Nur gehen müssen ihn viele Marktteilnehmer eben noch. Dazu braucht es Plattformen, die einfach zu bedienen sind und alle beteiligten Partner ohne Medienbrüche in die papierlose Informationskette integrieren. Erst wenn alle mitmachen, läuft die digitale Welt wirklich rund.“
BVL