Batteriespeicher: Schlüssel zur Energiewende
Wie Großbatterien Deutschlands Stromnetz retten sollen
Gigantische Preisschwankungen, drohende Dunkelflauten und wachsender Flexibilitätsbedarf befeuern den Boom: Batteriespeicher werden zur heißesten Wette der Energiewende – wer jetzt investiert, sichert sich Rendite und Resilienz.
Ganze Hallen mit Großbatteriespeichern sollen nicht nur für stabile Stromnetze sorgen, sondern auch für stabile Energiepreise.
(Bild: phonlamaiphoto - stock.adobe.com)
Deutschland musste im vergangenen Winter mehr als einmal die Tücken der Energiewende erleben, zwar wächst der Anteil der Erneuerbaren am Strommix, doch immer wieder sorgten Dunkelflauten für Tohuwabohu an den Strombörsen. Wind und Sonne sind nicht planbar verfügbar und mit der steigenden Abhängigkeit Deutschlands von den Erneuerbaren gerät in Zeiten der Dunkelflaute das europäische System schnell unter Stress, hohe Kosten für Zukäufe sind die Folge.
Auch im Zuge dessen geraten nun Großbatteriespeicher vermehrt in den Fokus von Investoren. Diese versprechen, in Zeiten hoher Verfügbarkeit von Wind und Sonnenenergie Puffer aufzubauen, die bei Bedarf ins Netz eingespeist werden können. Ein Versprechen, das vermehrt Investoren auf den Plan ruft.
Großspeicherboom gewinnt massiv an Fahrt
Die nun eingesetzte Marktdynamik kann auf vier Faktoren zurückgeführt werden:
- Die Energiewende erfordert Flexibilität im Energiesystem, ein Trend der weltweit vermehrt den Blick in Richtung größerer Speicher lenkt, die diese Flexibilität als Ergänzung zu Erneuerbaren ermöglichen können. Ein Anstieg um Faktor 50 ist weltweit nötig bis 2050.
- Erfahrungswerte haben sich verbessert. Inzwischen verfügen wir über vielfältige und erprobte Technologieoptionen für verschiedene Speicher-Anwendungsfälle beziehungsweise Geschäftsmodelle.
- Die Batterieentwicklung hat einen notwendigen Reifegrad erreicht. Wir sehen bereits eine starke Kostenreduktion in Größenordnungen wie man es bisher nur von Solarzellen kennt – und weitere Reduktionen werden erwartet.
- Inzwischen lockt verstärkt die finanzielle Attraktivität verschiedener Geschäftsmodelle, bei denen Großbatteriespeicher wettbewerbsfähig sind mit konventionellen Alternativen; eine Kombination von Modellen ('Revenue Stack') ist aber notwendig zur Gewinnmaximierung.
Die Speicherkapazität von Batterien ist bisher klar verteilt auf verschiedene Größenklassen, Heimspeicher (bis ca. 30 kWh) dominieren den hiesigen Markt aktuell. Dies ändert sich nun in rasanter Geschwindigkeit, da verstärkt Bewegung in die Industrie kommt.
Pendant zu Erneuerbaren, Sicherheit im System
Die Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien benötigt starkes Wachstum von Technologien mit flexibler Nutzungsweise. Schon beim Netto-Null Ziel in 2050, was in der EU derzeit veranschlagt wird, wäre ein Wachstum mit dem Faktor 50 bei Batteriespeichern erforderlich, was heute eine Investitionssicherheit für Lieferanten und Investoren bietet.
Absehbar ist ein hoher Flexibilitätsbedarf in Zukunft, von dem Batteriespeicher bereits in 2040 64 Prozent des TWh-Angebotes (exkl. Elektrolyseure) ausmachen werden. Batteriespeicher dürften auch als Ersatz für traditionelle Energieträger vermehrt auf den Plan treten: So wird etwa ein Rückgang von Gas Peaker Anlagen erwartet, welche bis dato hierzulande oft flexible Leistung bereitgestellt haben.
Gleichzeitig sind Pumpspeicherpotentiale in Deutschland nahezu ausgeschöpft – 2024 wurde erstmals mehr Batteriespeicher-Leistung als Pumpspeicherleistung installiert. Ein Trend, der sich fortsetzen wird und einen Kraftakt der heimischen Wirtschaft erfordern sollte, will man an der Wertschöpfung der Technologie partizipieren.
Batterietechnologie – Preistrend verlockt zum Handeln
Batteriezellen sind weiterhin der entscheidende Kostentreiber von Batterie-Energiespeichersystemen und machen hier mehr als die Hälfte der Gesamtkosten aus. In den letzten zehn Jahren haben wir einen Kostenrückgang von fast 90 Prozent bei Lithium-Eisenphosphat-Akkumulatoren verzeichnen können. Dieser geht sowohl auf stark gesunkene Rohstoffpreise – vor allem bei Lithium – aber auch auf eine beeindruckende Skalierung der Fertigungskapazitäten in China zurück. Aktuell sehen wir Überkapazitäten in der Produktion (besonders bei Lithium-Eisenphosphat-Akkumulatoren) aufgrund einer Zurückhaltung beim Kauf von E-Fahrzeugen.
Diese Abwärtsspirale bei den Kosten hat dafür gesorgt, dass etwa PV-Batteriesysteme im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken (zum Beispiel Gasturbine) teils deutlich kostengünstiger realisierbar sind. Ein Wettlauf rund um den Aufbau der Batterie-Energiespeichersysteme ist entbrannt – neue Geschäftsmodelle rücken in den Fokus.
Drei Geschäftsmodelle im Blick – First Mover im Vorteil
Für Investoren gilt es, drei zentrale Geschäftsmodelle voneinander abzugrenzen. Zum einen die Frequenzhaltung, bei der Batterien das Stromnetz stabilisieren, indem sie kurzfristig Leistung bereitstellen oder aufnehmen. Eine Lösung, welche gerade in der aktuellen Phase der Energiewende entscheidend ist, da ein stabiler Netzbetrieb gewährleistet sein muss. Zunehmend ins Blickfeld kommt außerdem der Großhandelsmarkt für Strom, der Arbitrage ermöglicht.
Hierbei erfolgt die Nutzung der Preisschwankungen am Strommarkt: Batterien speichern günstigen Strom und verkaufen ihn bei hoher Nachfrage teurer weiter. Mit dem zunehmendem Anteil Erneuerbarer Energien steigt die Volatilität der Strompreise – Arbitrage wird lukrativer. In den Kinderschuhen steckt hierzulande noch der Bereich Kapazitätsmarkt/ -auktionen. Batterien werden für langfristige Netzstabilität genutzt, indem sie Kapazitäten für Engpässe oder Notfälle vorhalten. Noch nicht vollständig in Deutschland etabliert, aber künftig wichtiger zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit.
Welche Geschäftsmodelle machen Batteriespeicher profitabel?
Kein einzelnes Geschäftsmodell reicht jedoch aus, um den wirtschaftlichen Betrieb von Großbatterien zu garantieren. Durch die gezielte Kombination ('Revenue Stack') lassen sich Einnahmequellen diversifizieren und Risiken reduzieren. Hierbei muss die Nutzung der Batterie dynamisch angepasst werden – ein erfahrener Aggregator ist erforderlich, um die Fahrweise täglich zu optimieren.
Der Markt für Frequenzhaltung ist begrenzt, sodass eine frühe Marktposition ('First Mover Advantage') Vorteile bringt. Kapazitätsmechanismen zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit sind politisch noch nicht final definiert, werden aber langfristig eine Rolle für Batteriespeicher spielen. Einige relevante Anwendungen, wie Vergütung für Momentanreserve, sind in Deutschland noch nicht geregelt – das beeinflusst die zukünftige Business-Case-Planung.
Klar ist jedoch, dass Player, die Anlagen schnell an den Markt bringen, bessere Chancen haben, und diese sind hochattraktiv: Ein hypothetisches und vereinfachtes Praxisbeispiel zeigt, durch hohe tägliche Schwankungen der Börsenstrompreise in KW 45 in 2024 hätte ein Betreiber eines BESS allein in dieser genannten Woche nahezu ein Prozent der Anfangsinvestition verdient.
Steht Deutschland vor einer Speicherblase oder vor dem Durchbruch?
Der aktuelle Stand deutscher Batteriespeichersysteme ist noch in einem Anfangsstadion, so summiert sich ihre Leistung auf 2,2 Gigawatt (GW). Doch ein rasanter Anstieg scheint ausgemacht, es gibt eine Flut neuer Anträge für Großbatteriespeicher. 650 Anträge auf den Anschluss von Speichern liegen derzeit bei den großen Netzbetreibern – mit der Aussicht auf Kapazitäten von 226 GW. Hinzu kommen weitere Anträge bei Stadtwerken. Laut Bundeswirtschaftsministerium ein Vielfaches der erforderlichen Größenordnungen.
Entsprechend werden erste Unkenrufe laut, dass Deutschland vor einer Batterie-Flut steht, die zu immensen Überkapazitäten führen könnte. Ist das Szenario immenser Fehlinvestitionen also eine reale Gefahr? Die gestellten Anträge werden wohl fernab der tatsächlich gebauten Anlagen sein. Die tatsächliche Zahl bewilligter Netzanschlussbegehren steigt zwar auch deutlich, liegt jedoch in gänzlich anderen Größenordnungen. Die Prüfung der Anträge bleibt aufwendig und entpuppt sich als echtes Nadelöhr. Gleichzeitig prüfen viele Investoren parallel mehrere Grundstücke. Nur ein Bruchteil der Verträge wird wohl in echte Bauprojekte münden.
Aktuelle Meldungen aus der Industrie
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Was bedeutet der Speicherboom für Investoren und Industrie?
Unbestreitbar bleibt allerdings die Wichtigkeit des Hochlaufs für den Energie- und Wirtschaftsstandort Deutschland. Für entschlossene Investoren bieten sich wertvolle Chancen: Sofern noch nicht geschehen, sollten Unternehmen mit Möglichkeit eines Batterieeinsatzes (EVU, produzierendes Gewerbe, Energieinfrastruktur-Investoren etc.) eine kurzfristige Batterie-Strategie aufstellen und eine klare Langfristperspektive verfolgen. Je schneller Unternehmen Investitionsentscheidungen treffen, desto größer der für sie adressierbare Umsatzpool, jedoch werden auch langfristig rentable Investitionen erwartet.
überarbeitet von: Dietmar Poll