Der Elektromotor besteht zwar aus weniger Teilen im Vergleich zum Verbrenner, aber die Herausforderungen, die sich bei der Produktion ergeben, sind nicht geringer. Die Energieumwandlung im E-Motor muss besonders effizient sein, denn nur so wird eine hohe Reichweite möglich. Dabei sind Automobil-Hersteller auf besonders genaue und leistungsfähige Produktionsverfahren angewiesen.
Nicht nur die Werkzeugmaschinen-Hersteller unterstützen die Autobauer auf dem Weg zur Elektromobilität, auch die Produzenten von Präzisionswerkzeugen stellen dafür hochspezialisierte Lösungen zur Verfügung.
Welchen Beitrag leisten die Werkzeuge, um die Effizienz und Reichweite von Elektroautos zu erhöhen?
Präzision, Prozesssicherheit und Produktivität bei der Herstellung ermöglichen es, besonders effiziente Elektroautos zu bauen.
"Bauteile im Bereich der Elektromobilität brauchen eine besonders hohe Präzision, um möglichst wenig Energieverlust zu haben - so kann die Effizienz und Reichweite von E-Autos erhöht werden", erläutert Matthias Winter, Marktsegment Manager Elektromobilität bei Mapal.
Werner Penkert, Manager Future Solutions bei Kennametal, sieht das ähnlich: "Im Fokus der Bearbeitung von Teilen für die Elektromobilität steht die Vermeidung von Energieverlust und die Reduzierung von Gewicht. Dies zahlt im Endeffekt auf die Reichweite des fertigen Elektroautos ein."
Zum Erreichen dieser Ziele spielen nicht nur die Werkzeugmaschinen eine wichtige Rolle, sondern auch die darauf eingesetzten Werkzeuge. Die benötigte Präzision für einen möglichst geringen Energieverlust wird über spezielle Geometrien bei Sonderwerkzeugen, besonders hochwertige Materialien und Leichtbau erreicht.
Der Leichtbau trägt zudem zu einer höheren Produktivität bei, genauso wie auf die E-Mobilität abgestimmte Sonderwerkzeuge. "Spezielle Werkzeuge für die Elektromobilität steigern die Produktivität", erklärt Matthias Winter. "Das wird spätestens dann wichtig, wenn die Stückzahlen steigen. Die erhöhte Produktivität führt dazu, dass die Produktionskosten sinken und so die Autos für die Endverbraucher günstiger werden."
Was macht Werkzeuge tauglich für die Bearbeitung von Elektroauto-Teilen?
Viele der Bauteile im Bereich der Elektromobilität sind sehr ähnlich zu denen, die generell im Automobilbau benötigt werden und auch hier sind Präzision und Produktivität von hoher Bedeutung. Der größte Unterschied liegt im Bereich der Motoren und Getriebe, weshalb sich die Werkzeug-Hersteller mit Ihren Elektromobilität-Lösungen genau auf ebenjene Bauteile konzentrieren.
Bei den Getrieben ist die Besonderheit, dass bei Elektroautos nicht geschaltet wird und die Getriebe im Dauereinsatz sind. Daher werden neue Materialien und dafür neue Werkzeuge benötigt.
Der Elektromotor und dessen Stator-Rotor-Kombination sind die größte Herausforderung
Die größten Herausforderungen birgt der Elektromotor, wie Matthias Winter von Mapal ausführt: "Die hohen Drehzahlen im Elektromotor erfordern eine besonders hohe Genauigkeit, da jede kleine Fehlstellung einen Energieverlust herbeiführt sowie eine hohe Belastung für die Teile, was einen schnellen Verschleiß bedeutet."
Auch bei der Ceratizit Group beschäftigen sich die Werkzeug-Entwickler mit dem Motor der Elektrofahrzeuge. "Ceratizit fokussiert sich momentan auf das Elektromotor-Gehäuse und dabei ist die Stator-Bohrung das aufwändigste und teuerste Teil", erklärt Salvatore Leonetti, Program Manager Engine Cutting Solutions bei Ceratizit. Außerdem sei bei Stator und Rotor Präzision gefragt, so Salvatore Leonetti weiter: "Denn wenn der Stator und der Rotor nicht den exakten Abstand haben, den sie benötigen, sinkt der Wirkungsgrad. Das sollte nicht passieren, denn nur ein hoher Wirkungsgrad ermöglicht eine effiziente Energieumwandlung im Motor."
Die Statoren eines Elektromotors müssen daher enge Durchmessertoleranzen sowie Form- und Lagetoleranzen erfüllen. Dies hat zur Folge, dass die Werkzeuge speziellen Anforderungen gerecht werden müssen. Es müssen wirtschaftlich präzise Bearbeitungen der engen Durchmessertoleranzen bis IT6 ausgeführt werden können. Zudem bedarf es prozesssicherer Werkzeuglösungen bei besonders engen Form- und Lagetoleranzen, wie der für Stator und Rotor geforderten Koaxialität von bis zu 40 µm bei einer Bezugslänge, die mehr als 10.000-mal so lang ist.
Diese Werkzeuge sorgen für mehr Effizienz bei E-Autos
Aufgrund dieser sehr speziellen Anforderungen arbeiten viele Werkzeughersteller momentan an Komplettwerkzeugen für diese Anwendung.
Bereits im Serieneinsatz ist das Feinbohrwerkzeug von Mapal. Es wurde in Ultraleichtbauweise konstruiert und wiegt daher lediglich rund 10 kg. Eine optimierte Kühlkanalführung mit einer speziellen Rückspülung ermöglicht einen besonders effektiven Abtransport der Späne, sodass die Oberflächen nicht verkratzt werden. Außerdem werden die Bauteile durch spezielle Stützen am Werkzeug abgesichert, was aufgrund der Dünnwandigkeit der Bauteile notwendig ist.
Video: So bearbeiten Werkzeuge die Bohrungen des Elektormotor-Stators mit großem Durchmesser
Ein ähnliches Konzept steckt auch hinter dem sechsschneidigen PKD-Werkzeug von Gühring, das bei einem Durchmesser von 235 mm weniger als 20 kg wiegt. Das Werkzeug hat ein geringes Kippmoment und minimiert so die Maschinenspindel-Belastung. Auch das Werkzeug von Gühring verfügt über eine spezielle Spanabfuhrgeometrie, die sowohl beim Fräsen, Aufrauen als auch beim Reiben die anfallenden Späne definiert ausbringt.
Sowohl Kennametal als auch Ceratizit gehen mit ihren Werkzeug-Geometrien noch einen Schritt weiter: Ihre Kombinationswerkzeuge für die Stator-Bearbeitung sind komplett additiv gefertigte High-End-Lösungen, deren Geometrie sich noch weiter von klassischen Werkzeugen entfernt.
Kennametal setzt auf einstellbare Schneidkörper für die Hochpräzisionsbearbeitung sowie innenliegende Kühlkanäle, die zu einer höheren Produktivität und Lebensdauer führen sollen. Außerdem wird das Werkzeug entweder aus 3D-gedrucktem Metall oder rohrförmigen Kohlefasern gefertigt – je nach Anforderung des Kunden.
Ceratizit setzt ebenfalls auf ein komplett additiv gefertigtes Werkzeug. Die sehr filigrane und verstrebte Struktur des Grundkörpers ist bis ins letzte Detail topologisch optimiert. "Unser Werkzeug hat eine sehr spezielle Konstruktion. Es ist mithilfe von FEM-Berechnungen topologisch optimiert worden und verfügt dank der Konstruktionsform sowie der speziellen Stützstrukturen über eine ideale Versteifung gegen Torsion", beschreibt Salvatore Leonetti. "Das Werkzeug wiegt lediglich 17 Kilogramm und wir konnten es innerhalb von 38 Stunden drucken." Mithilfe des additiven Herstellungsverfahrens lässt sich das Werkzeug sehr flexibel an Kundenwünsche anpassen.
Batteriewanne und elektrische Kältemittelverdichter erfordern besondere Werkzeuge
Neben dem Elektromotor und dem Getriebe sind die Batteriewanne und der elektrische Kältemittelverdichter weitere wichtige Teile des Elektromotors. Hierfür hat beispielsweise Gühring spezielle Fräser entwickelt, die über eine besonders gute Spankontrolle verfügen und somit für diese sehr dünnwandigen Bauteile ideal geeignet sind. Auch Mapal bietet spezielle SPM-Fräser mit Schlichtgeometrie und hochpositivem Spanwinkel an, die eine Bearbeitung von Grund, Wandung und der Fase an der Stirnfläche des elektrischen Kältemittelverdichters in einem Schnitt ermöglichen.
Warum eignet sich 3D-Druck gut für Werkzeuge im Bereich Elektromobilität?
Generell dürfen die Werkzeuge trotz teilweise sehr großer Bauteile nicht zu groß und zu schwer werden. Um diese Herausforderung zu meistern setzen die Werkzeughersteller auf Leichtbau mithilfe spezieller Materialien, aber vor allem mittels additiver Fertigungsverfahren.
"Die großen Durchmesser und Flächen der Bauteile benötigen auch große Werkzeuge, die dann sehr schwer wären", sagt Werner Penkert. "Dies führt nicht nur zu Problemen im Prozess aufgrund der Massenträgheit, sondern auch zu Schwierigkeiten beim Be- und Entladen." Daher sei der Leichtbau der Werkzeuge zwingend erforderlich. "Minimales Gewicht lässt sich nur durch eines erreichen: additive Fertigung." Denn hier wird weniger mit massiven Körpern, sondern lediglich mit Stützstrukturen gearbeitet. Auch die Spanabfuhr kann in additiven Werkzeugen meist besser erfolgen, beispielsweise durch das Innere des Werkzeugs.
Den technischen Herausforderungen werden die Werkzeug-Hersteller also schon gerecht, es bleibt die Herausforderung des Elektroauto-Markts. "Niemand weiß, wann und wie viele Elektroautos in Zukunft produziert werden", berichtet Gökmen Sanuk, Leitung Produktmanagement und -entwicklung PKD-/CBN-Werkzeuge bei Gühring. "Aber uns ist es wichtig, die passenden Lösungen bereits jetzt schon anbieten zu können."