Deutschland schlägt Großbritannien: Im Vereinigten Königreich war die Hoffnung groß. Tesla kommt auf die Insel, errichtet eine Fabrik oder ein Ingenieurs- und Designzentrum. Daraus wurde bekanntermaßen nichts, wie wir seit dieser Woche wissen, als Elon Musk seine Deutschland-Pläne bei der „Preisverleihung zum Goldenen Lenkrad“ verkündete.
Warum nicht in Großbritannien, Mister Musk, fragte die britische Zeitschrift ‚Auto Express‘. „Der Brexit machte es zu riskant, eine Gigafabrik in Großbritannien zu errichten“, antwortete der Tesla-Chef kühl. Er kennt nun mal die Fakten. Schließlich hatte unlängst die Ratingagentur Moody’s den Ausblick für Großbritannien von „stabil“ auf „negativ“ gesenkt. Der Grund: Verunsicherung und Lähmung durch den Brexit sowie eine wahrscheinliche Verschlechterung der britischen Wirtschaftskraft.
Eigentor England: Brexit verhindert Gigafactory in Großbritannien
War also die Entscheidung Musks nach Deutschland zu gehen, nur eine Folge eines englischen Eigentors? Nein. Weit gefehlt.
„Die Selbstwahrnehmung des Wirtschaftsstandorts Deutschland war zuletzt äußerst selbstkritisch – vielfach sicher übertrieben. Teslas Plan ist da natürlich Balsam, zeigt er doch, dass Deutschland weiterhin ein höchst attraktiver Industriestandort ist und international als solcher wahrgenommen wird“, erklärt Peter Fintl vom Beratungsunternehmen Altran gegenüber ‚Produktion‘. „Hierzulande lässt sich problemlos die gesamte Wertschöpfungskette darstellen – Autobau beherrscht man in Deutschland.“
Die Qualifikation der Ingenieure und Entwickler hierzulande ist hervorragend. Mit der geplanten Gigafactory im Herzen Europas hat Tesla darüber hinaus logistische Vorteile. „Platz ist vorhanden, auch die Infrastruktur vor Ort ist gut. Dazu gehört ebenso die Versorgung mit elektrischer Energie aus regenerativen Quellen“, so Fintl.
Berlin, ick liebe dir - warum Tesla zur Hauptstadt passt
Nicht zu unterschätzen sei außerdem der Faktor Berlin. Die Stadt steht für Innovation und digitalen Gründergeist. „Ein Design- und Entwicklungszentrum in einer trendigen Metropole wie Berlin ist eben genau nach dem Geschmack von Elon Musk“, sagt der Altran-Experte.
Tesla definiert sich über Technologie, Software und Design – da passt das coole Berlin sehr gut. Auch das Image deutscher Ingenieure und Industriearbeiter wird, neben konkurrenzfähigen Kosten, eine Rolle gespielt haben.
Natürlich hat jeder Standort großes Interesse ein solches Projekt an Land zu ziehen. Die Politik zeigt sich ja durchaus begeistert. Über die Konditionen in Brandenburg ist aber bislang nichts bekannt geworden. Tesla ist aber im Vorfeld auch nicht als Subventionen-Jäger in Erscheinung getreten. „Die Politik wird aber selbstverständlich beste Rahmenbedingungen für den Betrieb, wie Infrastrukturausbau, schaffen“, so Fintl.
Während also andere Hersteller ihre Fahrzeug- und Komponentenproduktion ins günstigere Osteuropa verlagern, kommt Tesla ins Hochlohnland Deutschland. Warum das Werk nicht jenseits der Oder entsteht? Auch dafür gibt es gute Gründe: Tesla begreift sich als Treiber hin zu nachhaltiger Energie. Mobilität ist ein Teilaspekt davon.
Das Vorhandensein von grünem Strom ist hier das A und O. Fintl: „Osteuropas Strommix wird dominiert von Kohle, Gas oder Kernkraft. Das ist wenig zukunftsgewandt und passt nicht zur Tesla-Story.“
Was die deutschen Automobilisten von Musks Plänen halten
Und was sagen die deutschen Autobauer zu den Musk-Plänen? Ein VW-Sprecher erklärte gegenüber der ‚Bild‘: „Mit der Tesla-Entscheidung gewinnt die E-Mobilität in Deutschland weiter an Dynamik und wir entwickeln Kompetenz in diesem wichtigen Technologiebereich. Uns bestätigt es, dass es richtig ist, selbst in die Entwicklung und Produktion von Batteriezellen zu investieren.“
Die Antwort von BMW auf die ‚Bild‘-Anfrage fiel deutlich schmallippiger aus: „Wir haben die Ankündigung von Herrn Musk zur Kenntnis genommen und werden die weitere Entwicklung mit großem Interesse verfolgen.“ Immerhin. Viele andere Autobauer winkten ab. Kein Kommentar!
Warum sich die deutschen Autobauer über die Gigafactory freuen dürfen
Dabei gibt es laut dem Altran-Experten Fintl keinen Grund für die deutschen OEMs ein langes Gesicht zu machen. „Ich sehe die Effekte sehr positiv. Es gilt doch: Konkurrenz belebt das Geschäft. Die Ansiedlung eines derart großen Werks mit der dafür notwendigen Zulieferkette bringt nicht nur Arbeitsplätze – wir werden auch den Import von Know-how sowie den Aufbau von lokaler Kompetenz erleben. Davon profitieren mittelfristig auch die etablierten Hersteller in Deutschland“, so Fintl.
Allen hiesigen OEM sei längst klar, dass das E-Mobility-Thema wettbewerbsentscheidend sein wird. „Tesla ist seit Jahren wichtiger Schrittmacher für die Elektromobilität und ich bin mir sicher, dass die Akzeptanz durch das Großprojekt hierzulande weiter zunehmen wird. Das sind für deutsche Hersteller gute Nachrichten, schließlich sind für die nahe Zukunft zahlreiche eigene Modelle angekündigt, die ja medial als ‚Tesla Fighter‘ gehandelt werden“, sagt der Branchenkenner.
E-Autos: Das sind die wichtigsten Absatzmärkte
Die weltweite Nachfrage nach E-Autos ist 2018 um 2,1 Millionen Einheiten gestiegen im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland bleibt die Nachfrage jedoch weiterhin unterdurchschnittlich. Welche Absatzmärkte am wichtigsten sind zeigt dieses Ranking.
Deutschland: E-Auto-Standort Nummer 1?
Deutschlands Chancen sich als Elektro-Standort zu profilieren sind demnach sicher gestiegen. In der Branche herrscht natürlich auch ein reger Austausch. „Je mehr Wissen im Lande ist, je mehr geforscht wird desto reifer werden die Angebote für den Kunden“, so Fintl. Auch der jüngste Autogipfel habe nochmal für Schwung gesorgt. „Ich glaube, dass auch das Thema Infrastruktur nun gewaltig an Dynamik gewinnen wird.“
Auch Bernhard Mattes, Noch-Chef des Automobilverbands VDA, findet, dass die Ansiedlung von Tesla den Automobilstandort Deutschland stärkt. Er wertet die Entscheidung des US-Elektropioniers Tesla, sein erstes Werk für Elektroautos in Europa in der Region Berlin-Brandenburg zu bauen, als Stärkung des Automobilstandortes Deutschland.
Fakt ist: Das Werk wird gebaut und Musk schafft tausende neue Industriejobs in Deutschland. So steht schließlich nur noch die Frage im Raum: Was wird schneller fertig? Der Flughafen BER oder Teslas neue Gigafactory?