Umformmaschine mit Bediener bei der Blechbearbeitung

Die Umformtechnik wie auch die Fügetechnik ist in vielen Anwenderbranchen zuhause. Daher muss sich die Blechbearbeitung mit vielen verschiedenen Themen auseinandersetzen. PRODUKTION erklärt, welches die wichtigsten sind. - (Bild: tong2530 - stock.adobe.com)

Die Blechbearbeitung ist in sehr vielen verschiedenen Industriezweigen vertreten und muss sich daher flexibel an die jeweiligen Branchen-Bedingungen anpassen. Doch welche Entwicklungen bewegen die Füge- und Umformtechnik momentan am meisten? Das sind die momentan besonders relevanten Themen in der Blechbearbeitung:

Tipp für Eilige: Einfach mittels der Links in der Aufzählung zu dem Thema springen, das Sie am meisten interessiert.

 

Nachhaltigkeit und Recycling sind wichtige Aufgaben

Ein Trend ist die Nachhaltigkeit, ein Thema das die Blechbearbeitung sozusagen erbt. "Einer der Mega-Trends ist sicherlich die Nachhaltigkeit, denn sie trifft auch einen der Hauptnutzer der Blechverarbeitung besonders: die Automobil-Industrie", erläutert Norbert Wellmann, Geschäftsführer der Europäischen Forschungsgesellschaft für Blechverarbeitung, auf dem Euroblech Digital Innovation Summit.

Als Massenindustrie sei die Automobil-Branche technologiegetrieben und Schrittmacher für viele andere Branchen. "Es wird neue Produkte geben mit neuen Werkstoffen, die dann von den Zulieferern auch bereitgestellt werden müssen" so Wellmann. "Und am Ende ist es natürlich notwendig, dass alle, die in der Fertigungskette aktiv sind, sich den neuen Kompetenzen anpassen und sie selbst erwerben."

Daraus folgt, dass die Blechbearbeitung selbst nachhaltiger werden muss, um den Ansprüchen der Anwender gerecht zu werden. Aber auch der Branche selbst ist es wichtig, ihren Teil beizutragen, wie Gerson Meschut, Leiter des Laboratoriums für Werkstoff- und Fügetechnik (LWF) der Universität Paderborn berichtet: Nachhaltigkeit ist für die Fügetechnik eine ganz wichtige Aufgabe. Wir wollen unseren Beitrag zur Erhaltung unserer Umwelt leisten - vor dem Hintergrund unterschiedlicher Reuse-Szenarien im Sinne von Design-to-Recycling."

Bereits bei der Produktion ans Recycling denken

Dabei geht es zum Beispiel darum, eine einfachere Reparatur und Wiederverwertung von Bauteilen zu ermöglichen. "Wer schon mal versucht hat, eine hochfeste Klebverbindung wieder auseinanderzubringen, der weiß, dass dort enorme Anstrengungen unternommen werden müssen, um beispielsweise mit Wärme oder mechanischer Beanspruchung die Bauteile zu trennen", so Meschut.

Portrait von Gerson Meschut, Leiter Laboratorium für Werkstoff und Fügetechnik Universität Paderborn
Gerson Meschut ist Leiter des Laboratoriums für Werkstoff und Fügetechnik Universität Paderborn. - (Bild: Universität Paderborn)

Außerdem habe beides Nachteile, da Oberflächen verletzt oder ganze Bauteile beschädigt werden können. "Daher hat das LWF eine ganz neue Methode entwickelt, bei der Tieftemperaturkühltechnik zur Versprödung der Klebschichten führt, sodass sie sich sehr einfach trennen lassen und somit eine sehr Werkstoff- und Bauteilschonende Möglichkeit sowohl für die Reparatur als auch das Recycling gegeben ist."

Energie-Effizienz und First-Part-Good-Part-Strategie erlauben nachhaltige Produktion

Auch die Maschinenhersteller machen sich Gedanken über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte. Lösungsanbieter Bystronic setzt dabei besonders auf die Energie-Effizienz der Maschinen und Automationssysteme. "Unsere Maschinen verbrauchen nur im Arbeitsmodus Energie" berichtet Benedikt Kreisel, Produktmanager Bending Automation bei Bystronic, im Rahmen einer Fragerunde auf dem Euroblech Digital Innovation Summit. "Wenn sie stillstehen - beispielsweise während eines Werkzeugwechsels mit einem Automationssystem - ist der Antrieb komplett abgeschaltet und sie verbrauchen keine Energie."

Außerdem setzt das Unternehmen auf die First-Part-Good-Part-Strategie. Das soll mithilfe vieler Sensoren gelingen. "Es ist zum Beispiel in Biegeprozessen sehr wichtig, ein Winkelmesssystem zu haben, um als erstes Teil ein gutes Teil zu produzieren", erläutert Kreisel. "Nur mit solchen Systemen kann sichergestellt werden, dass ein automatisierter Prozess richtig läuft und kein Eingriff eines Bedieners notwendig ist und die Maschine und Software eine nachhaltige Produktion garantieren."

Biegezelle von Bystronic mit Laser-Winkelmessgerät
Das Laser Angle Measuring System (LAMS) der neuesten Generation von Bystronic sorgt dafür, dass bereits die erste Biegung gelingt.- (Bild: Bystronic)

Digitalisierung und Automatisierung müssen Hand in Hand gehen

Doch nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern auch die Qualität der Prozesse soll sich weiter verbessern. Um dies zu erreichen, setzt die Blechbearbeitung auf Digitalisierung und Automatisierung - ein weiterer Megatrend sowohl in der Blechumformung als auch der Verbindungstechnik.

"Es geht dabei nicht um Digitalisierung als Selbstzweck, sondern darum, das Prozessverhalten voraussagen zu können und den Fügeprozess adaptiv gestalten zu können", erklärt Meschut. Das Fernziel sei die autonome Fabrik. Dazu benötige es eine durch digitale Zwillinge ermöglichte First-Time-Right-Fertigung, um geringeren Ausschuss zu produzieren.

Das Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) der Universität Hannover beschäftigt sich ebenfalls mit der Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen, wie der Institutsleiter Bernd-Arno Behrens berichtet: "In diesem Umfeld entwickeln wir automatisierte Prozesse, die wir entsprechend auch digitalisieren. Das heißt, wir erhalten Informationen über Sensorik aus dem Prozess, verarbeiten diese und können dann rückschließen auf den Prozess selbst beziehungsweise die Qualität des Prozesses."

Portrait von Bernd-Arno Behrens, Leiter des Institutsfür Umformtechnik und Umformmaschinen an der Leibniz Universität Hannover
Bernd-Arno Behrens ist Leiter des Instituts für Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) an der Leibniz Universität Hannover. - (Bild: Leibniz Universität Hannover)

Im Institut steht dafür ein Beispiel für einen vollautomatisierten Prozess: Eine Umformmaschine mit Werkzeug verkettet mit einer induktiven Erwärmungseinrichtung, Kühlschmieranlage und Industrierobotern. Gesteuert wird alles über eine SPS, die gleichzeitig Daten sammelt und an die Cloud überträgt.

"So haben wir die Möglichkeit, den Prozess komplett zu überwachen", erklärt Behrens. "Aktuell erfassen wir die Rohteiltemperatur, die Motordrehzahl, den Phasenwinkel, die Erwärmungsspannung, den Erwärmungsstrom, die Leistung der Erwärmung, die Abluft des Stellmotors und Hydraulik-Füllstände. Diese Liste ist natürlich beliebig erweiterbar. Die Daten werden abgespeichert und können in einer Cloud bereitgestellt werden. So können wir alle Teile verfolgen und bekommen exakte Informationen über jedes einzelne Bauteil."

 

Lösungen zur Prozessüberwachung gewinnen an Relevanz

Die Prozessanalyse ist demnach ein wichtiger Punkt auf dem Weg zu selbst regelnden Prozessen in der Blechbearbeitung. Daher arbeitet die Forschung beispielsweise an Lösungen für die Umformtechnik: Im Rahmen dessen "arbeiten wir mit akustischen Kameras", berichtet der Umformtechnik-Experte. "Wir nutzen diese, um Prozesse aber auch Maschinen hinsichtlich ihres Emissionsverhaltens zu analysieren." Dazu wurde am IFUM eine akustische Kamera vor einer Umformmaschine mit eingebautem Werkzeug platziert.

Ist die Maschine in Betrieb, erfassen die akustische Kamera und die zugehörige Auswertungssoftware akustische Signale, die im Prozess entstehen. Auf diese Weise können dann Störungen erkannt werden - so hört man beispielsweise am Geräusch, wenn das Werkzeug einen Fehler hat. "Mit der Akustikkamera können wir den Fehler in dem Werkzeug eindeutig detektieren und auch räumlich zuordnen", erläutert der Institutsleiter. "Das kann sehr interessant sein, wenn wir komplexe Werkzeuge haben und nicht genau wissen, wo Fehlerorte sind. Das kann insbesondere interessant sein, wenn man lange, mehrstufige Folgeverbundwerkzeuge hat." Auch Risse im Blech könnten teilweise detektiert werden, allerdings nur in festeren Werkstoffen.

Werkstoff-Mix in der Blechbearbeitung benötigt neue Verfahren

Portrait von Norbert Wellmann, dem Geschäftsführer der Europäischen Forschungsgesellschaft für Blechverarbeitung
Norbert Wellmann ist Geschäftsführer der Europäischen Forschungsgesellschaft für Blechverarbeitung (EFB). - (Bild: EFB)

Apropos Werkstoffe, auch hier verändert sich einiges. "Stahl und Aluminium sind die Highlight-Werkstoffe für den Automobilbau für die nächsten Jahre", so Wellmann. Im Bereich der faserverstärkten Kunststoffe sei das Interesse hingegen rückläufig, zumindest die Forschung betreffend. "Das spiegelt aber natürlich auch immer wider, was die dringendsten Fragestellungen der Industrie sind für die nächsten zwei, drei Jahre und momentan gibt es eben wieder mehr Fragen zu Stahl und Aluminium. Ich glaube aber in fünf Jahren sind faserverstärkte Kunststoffe wieder ein Highlight."

Eine Frage aus der Fügetechnik zum Thema Werkstoffe ist beispielsweise: Wie lassen sich artverschiedene Materialien, wie eben Stahl und Aluminium, fügen? "Es gibt eine große Vielfalt in der thermischen, adhäsiven und mechanischen Fügetechnik, die sich auch hin zu hybriden Technologien entwickelt", erklärt Meschut. "Das heißt, dass unterschiedliche elementare Verfahren miteinander kombiniert werden, um die Anforderungen zu erfüllen."

Besondere Art des Schweißens für Stahl-Aluminium-Verbindungen

Als Beispiel nennt er das Widerstandselementschweißen, das am LWF erforscht wurde. "Hier geht es darum, die konventionelle Widerstandspunktschweißtechnik anzuwenden, um auch artverschiedene Werkstoffe miteinander fügen zu können, wie beispielsweise Aluminium und Stahl, die sich ohne weiteres so nicht miteinander Punktschweißen lassen", berichtet der Fügetechnik-Experte.

Dazu wird ein zusätzliches Hilfsfügeteil in den Prozess eingebracht, das warm durch das Aluminium geprägt wird. Anschließend wird mittels konventionellem Widerstandsschweißen das geprägte Aluminium mit dem darunterliegenden Stahl verbunden. "Der Vorteil dieser Technologie ist, dass sie Vorloch-frei und einstufig arbeitet und sehr Werkstoff-flexibel ist", erläutert Meschut. "Die Vorteile des Widerstandselementschweißens erschließen sich allerdings nur für die Kombination artverschiedener Werkstoffe, die sich unter Produktionsrandbedingungen heute nicht mit der konventionellen Widerstandspunktschweißtechnik verbinden lassen."

Die Nachteile seien vor allem die zusätzlichen Kosten für das Element und die Anschaffung der Anlage. "Sie brauchen genauso viel Strom, die Anlagentechnik ist aber vergleichsweise teurer", ergänzt er. "Außerdem sinkt die Anlagenverfügbarkeit. Aber die Technologie erhöht die Flexibilität. Das heißt also Sie können sich entscheiden – wenn Sie ihre Anlage mit einer Elementezuführung ausgestattet haben - Punktschweiße ich konventionell eine Stahl-Stahl-Verbindung oder führe ich mit derselben Anlagentechnik eine Stahl-Aluminium-Verbindung aus."

Zum Schluss noch ein Hinweis für Laser-Liebhaber: Ja, dieser Artikel lässt die Laserbearbeitung außen vor, denn wer sich über die Blechbearbeitung mit dem Laser informieren möchte, liest am besten diesen Beitrag zu den aktuellen Trends in der industriellen Lasertechnik. Darin erfahren Sie unter anderem warum spezielle Laser-Quellen für herausfordernde Materialien an Bedeutung gewinnen und wie dort geregelte Prozesse entstehen. Bei Interesse am besonders sauberen Schweißen mit dem Laser ist übrigens dieser Artikel mit verschiedenen Anwendungsbeispielen hilfreich.

Sie wollen die Welt der Industrie verstehen?

Newsletter

Erfahren Sie alles zu Industrie 4.0, Smart Manufacturing und der weiten Welt der Technik.

  • exklusive Inhalte
  • professionelle Berichterstattung
  • kostenlose Freemium Mitgliedschaft

Newsletter gratis bestellen!

Sie möchten gerne weiterlesen?