Bei Grammer gehen der Vorstandsvorsitzende, der Finanzvorstand und der Technikvorstand. "Für den Aufsichtsrat folgt eine äußerst schwierige Zeit, das Unternehmen, welches sich im Abwicklungsprozess einer Übernahme befindet, nachhaltig und zielorientiert weiterzuführen", schlussfolgert Stefan Randak, Leiter der Praxisgruppe Automotive bei der Managementberatung Atreus. Er war vormals lange als General Manager für Daimler im In- und Ausland tätig. "Die Nachfolgersuche will gut überlegt sein und wird Zeit in Anspruch nehmen", so Randak weiter.
Die Mitarbeiter dürften sich vom Management verkauft fühlen. Nach dem Bekanntwerden der „Ausstiegsklausel“ und der damit verbundenen Zahlung von drei Jahresgehältern, werde wohl der Begriff des „Kasse machen“ bei der Belegschaft um sich greifen. Der Verweis darauf, dass sich „die künftigen Eigentumsverhältnisse deutlicher verschoben hätten als gedacht“, trage weder zur Entschuldigung noch zur Beruhigung in der Belegschaft bei, so der Automotive-Experte.
Auswirkungen auf komplette Zuliefererbranche
Die Zulieferbranche befindet sich derzeit ohnehin im Umbruch. Zwei wesentliche Ursachen sind hierfür verantwortlich: Die Verschiebung in Richtung disruptiver Technologien (autonomes Fahren, alternative Antriebe, Fahrassistenzsysteme, Connectivity) und die zunehmende Einflussnahme durch neue Investoren aus dem asiatischen Raum oder seitens Private Equity-Gesellschaften, resultierend aus dem zunehmenden Liquiditätsbedarf für Neuinvestitionen.
"Der Fall Grammer zeigt, wie speziell und facettenreich sich Übernahmen durch Investoren im Vorfeld und Nachgang gestalten können. Weitere Skepsis und Vorsicht wird sich bei all jenen in der Zulieferindustrie breit machen, die sich mit diesem Gedanken beschäftigen wollen oder müssen", so Randak.
Deutliches Zeichen gegenüber China-Investoren
Das Zeichen des scheidenden Managements sei klar: Wir wollen mit Euch die Zukunft dieses Unternehmens nicht gestalten. So die Einschätzung des Automotive-Experten. "Oder aber - will man den Äußerungen des Managements Glauben schenken: Wir sehen eine zu große Einflussnahme durch Euch und damit unseren eigenen Aktionsspielraum zu stark eingeschränkt."
Entschuldigend könne hier angeführt werden, dass asiatische Investoren in der Tat manchmal dazu neigen, ihr Controlling zu „oversizen“ und sich selbst einen zu großen Genehmigungsspielraum gegenüber dem operativen Management einzuräumen. Dies werde von vielen westlichen Managern auf Dauer und berechtigterweise als destruktiv empfunden, so Randak.
Auch Chinesen schätzen Verlässlichkeit
Doch welchen Eindruck macht der Abgang des Grammer-Vorstands auf chinesische Investoren in Deutschland allgemein? Sicher sei, dass sich chinesische Investoren in diesem Punkt nicht von anderen Investoren unterscheiden.
"Auch sie schätzen Treue und Verlässlichkeit im Management. Diese Tugenden scheinen im Fall von Grammer den wirtschaftlichen Überlegungen des Managements nachgeordnet worden zu sein. Dieses Bild findet man aber nicht nur in Deutschland, sondern in der weltweiten Wirtschaft", so Randak.
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