Der US-Elektroautobauer Tesla muss seine Produktion nach dem Anschlag auf die Stromversorgung noch deutlich länger unterbrechen als bisher erwartet. Der Stopp werde bis voraussichtlich Ende nächster Woche dauern, teilte das Unternehmen auf Anfrage der dpa mit.
Bisher unbekannte Täter hatten am 5. März auf einem Feld Feuer an einem Strommast gelegt, der auch für die Versorgung der Tesla-Fabrik zuständig ist. Es kam zum Blackout in der einzigen europäischen Autofabrik von Tesla und für zehntausende Bewohner in der Region. Die Produktion in Grünheide bei Berlin wurde daraufhin gestoppt.
Die Polizei bezeichnete ein Bekennerschreiben der linksextremen 'Vulkangruppe' als authentisch. Die Gruppierung wirft Tesla "extreme Ausbeutungsbedingungen" vor, schrieb am Dienstag von Sabotage gegen Tesla und hat eine "komplette Zerstörung der Gigafactory" gefordert.
Produktionsstopp: Das sind die Folgen für Tesla
Die Folgen des Stromausfalls sind Tesla zufolge gewaltig: "Fast alle der rund 12.000 Beschäftigten mussten am Dienstag wegen des Produktionsstillstandes nach Hause geschickt werden", sagte Werksleiter André Thierig. Er sprach von einem Schaden "im hohen neunstelligen Bereich", also Hunderte Millionen Euro. Er bezog darin den Umsatzverlust der Fahrzeuge ein, die nicht verkauft werden können und ging zunächst von einem Ausfall von einer Woche aus.
Der Branchen-Experte Ferdinand Dudenhöffer schätzt den bisher erwarteten Schaden des Produktionsstopps von Tesla in Grünheide nach dem Anschlag auf die Stromzufuhr des US-Elektroautobauers geringer ein als das Unternehmen. "Der reine Produktionsausfall für eine Woche ist nach meiner Einschätzung nach der derzeitigen Marktlage eher mit Schäden von vielleicht 100 Millionen Euro vergleichbar", sagte der Direktor des Center for Automotive Research in Bochum der Deutschen Presse-Agentur. "Eine neunstellige Summe ist schon eine hohe Nummer, die nur nachvollziehbar ist, wenn sehr hohe Schäden an Maschinen durch den Brand bei Tesla entstanden sind."
Dudenhöffer sieht bei dem Autobauer Möglichkeiten zum Auffangen des Ausfalls. "Derzeit können sie keine Autos bauen. Die Nachfrage für Elektrofahrzeuge ist im Moment aber auch schlecht", sagte Dudenhöffer. "Im Februar hat Tesla in Deutschland mit rund 6000 Neuzulassungen 22 Prozent weniger Fahrzeuge in den Markt gebracht als im Vorjahresmonat." Die Tesla-Nachfrage leide auch in Märkten wie China. "Daher sind die Tesla-Werke in Shanghai und USA nach meiner Einschätzung aktuell nicht ausgelastet und können die Grünheide Ausfälle 'auffangen'."
Mutmaßlicher Anschlag auf Tesla-Werk: Politik äußert sich geschockt
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat den Anschlag auf die Stromversorgung der Tesla-Fabrik verurteilt. Er sprach am Mittwoch von einem "Verbrechen", das aufgeklärt werden müsse. Es sei "in jeder Hinsicht falsch und in keinster Hinsicht zu akzeptieren". Demonstrationen müssten
die Regierungen im Bund und in den Ländern aushalten. Die politische Debatte in Deutschland dürfe aber nicht abrutschen, sagte der Vizekanzler. Er sprach sich gegen Gewalt gegen Sachen und gegen die Gefährdung von Menschen aus. "Ich habe schon das Gefühl, wir sind jetzt an einer Weiche angekommen, und die darf nicht falsch gestellt werden", sagte Habeck.Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte den mutmaßlichen Brandanschlag. Sie teilte mit: "Wenn sich ein linksextremistisches Motiv bestätigt, dann ist das ein weiterer Beleg, dass in der linksextremistischen Szene vor Angriffen auf kritische Energie-Infrastrukturen nicht zurückgeschreckt wird." Das vom Linksextremismus ausgehende Gefährdungspotenzial sei nach wie vor hoch, sagte Faeser zudem der 'Rheinischen Post'. Und das Personenpotenzial gewaltbereiter Autonomer sei zuletzt weiter angewachsen.
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Brandenburgische Landesregierung: Anschlag auch auf die Menschen
Der gewaltsame Protest gegen das US-Unternehmen von Elon Musk schockierte auch Brandenburgs Landesregierung. Sie sprach von einem perfiden Anschlag und warnte vor einer Form von Terrorismus. "Dies hat mit Protest nichts zu tun. Das sind Kriminelle", sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Dienstagabend in der RBB-Sendung 'Brandenburg aktuell'. "Das sind Verbrecher und wir werden sie jagen mit allen Mitteln, die unser Rechtsstaat zur Verfügung stellt".
Der brandenburgische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) stellte sich demonstrativ an die Seite von Tesla. Dies sei "nicht nur ein Anschlag auf Material, sondern auch auf die Menschen, die hier arbeiten", sagte er. "Wir wollen, dass Tesla hier an diesem Standort weiter produziert, dass sie das Vertrauen wieder zurückgewinnen, was am heutigen Tag erst mal verloren gegangen ist."
Das Land werde alles tun, solche Vorfälle zu verhindern - "soweit man das bei terroristischen Aktivitäten kann". Laut Steinbach werden nun auch die Sicherheitsvorkehrungen für die kritische Strominfrastruktur geprüft und verstärkt.
Kongress Digitale Fabrik
Auf dem Kongress "Digitale Fabrik" treffen sich jährlich Expertinnen und Experten der digitalen Produktions- und Fertigungsplanung zum intensiven und vor allem persönlichen Austausch.
Der nächste Kongress findet 2025 statt.
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Wirtschaft verlangt nach Anschlag mehr Sicherheit
Die Wirtschaft in Deutschland dringt nach dem Anschlag auf mehr Sicherheit. "Politik und Wirtschaft sind gemeinsam gefordert, die Sicherheit der Netze und kritischer Anlagen zu gewährleisten", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben. Die Bundesregierung will mit einem Gesetz den Schutz wichtiger Netze und Anlagen verstärken und die Sicherheitsbemühungen der Betreiber unterstützen. Die Regierung verschleppe aber die Verabschiedung des zugehörigen Gesetzes seit Monaten, kritisierte Wansleben.
Das Bundesinnenministerium plant, dass sich das Kabinett zeitnah in der ersten Jahreshälfte mit dem sogenannten Kritis-Dachgesetz befasst. Damit soll die kritische Infrastruktur besser gegen Gefahren geschützt werden. Darüber hinaus sei es erst einmal die Pflicht der Netzbetreiber, ihre Infrastruktur zu schützen, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall. Dies sei natürlich bei einem Umspannwerk leichter als bei einem Strommast, der auf einem Feld steht.
Tesla hätte sich besser absichern können
Tesla bezieht öffentlichen Strom, während Volkswagen den Strom für sein Stammwerk in Wolfsburg selbst produziert. Das Kraftwerk stehe direkt auf dem Werkgelände und beliefert auch die umliegende Stadt mit Strom und Fernwärme. Ein Sprecher sagte, die Versorgung des Werkes mit Energie sei dadurch sichergestellt.
Dies sieht auch Branchen-Experte Dudenhöffer als eine praktikable Absicherung. In der Installation etwa von Notstromaggregaten hingegen sieht er nicht die optimale Lösung. "Man kann Notstromaggregate nutzen, sie verursachen aber auch Kosten und müssen gewartet werden", sagte er.
Konsequenzen für Protestcamp im Wald neben der Tesla-Fabrik möglich
Nach dem mutmaßlichen Brandanschlag prüft die Landesregierung auch Konsequenzen für ein Protestcamp von Kritikern in einem Wald in der Nähe des Werks. "Das kann auch die Beendigung der Duldung bedeuten", sagte Wirtschaftsminister Steinbach. Zuletzt hatte es geheißen, das vergangene Woche errichtete Camp mit Baumhäusern werde zunächst bis Mitte März geduldet. Die Umweltaktivisten wiesen einen Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Anschlag zurück. "Mit unseren Körpern und Baumhäusern stellen wir uns der Erweiterung der Fabrik entgegen. Dabei gefährden wir keine Menschenleben", teilte die Initiative Tesla stoppen mit.
Mit Material von dpa