Der VW-Konzern hat mit dem Bau seines ersten rein elektrischen Großserien-Modells begonnen. Vorstandschef Herbert Diess eröffnete am Montag (4.11.19) im Werk Zwickau die Produktionslinie für den ID.3.

Das Auto soll beim größten Hersteller der Welt das Massengeschäft mit elektrischen Fahrzeugen etablieren und die Grundlage für weitere Varianten mit alternativem Antrieb werden. "Wir stehen vor einem Systemwechsel zur Elektromobilität", sagte Diess. "Es ist keine Frage mehr, ob sich das Elektroauto durchsetzt. Sondern wie schnell und in welcher Region der Welt zuerst."

Ab 2020 baut VW-Werk Zwickau nur noch E-Autos

Zum Start der Fertigung an dem sächsischen Standort kamen auch Kanzlerin Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (beide CDU), wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Im kommenden Jahr will VW in Zwickau bereits rund 100.000 Fahrzeuge mit dem Modularen Elektrobaukasten (MEB) bauen, mittelfristig sind bis zu 330.000 Stück jährlich geplant.

Insgesamt soll der E-Baukasten, der mit Hilfe vieler gleicher Teile Kosten spart, bei 33 Modellanläufen verwendet werden (wie der MEB aufgebaut ist, erklärt VW hier). Bis Mitte 2020 stellt VW in Sachsen auch noch den Golf Variant her, danach will der Konzern in Zwickau nur E-Autos bauen.

Die bisher schleppende Nachfrage nach E-Autos ist auch Thema eines "Autogipfels", zu dem sich am Montagabend (4.11.19) im Berliner Kanzleramt Vertreter der Bundesregierung, der deutschen Autoindustrie, des Branchenverbands VDA und der IG Metall sowie mehrere Ministerpräsidenten treffen. Beraten werden soll dabei vor allem ein konkreter Plan zum schnelleren Ausbau von Ladepunkten. Merkel hatte kürzlich das Ziel der Bundesregierung bekräftigt, bis 2030 eine Million Ladepunkte zu schaffen.

Neuer Golf muss für VW das Massengeschäft absichern

Doch bis sich der ID.3 etabliert hat und tatsächlich ein Volumenmodell ist, muss der neue Golf 8 für den VW das Massengeschäft absichern. Volkswagen pumpt Milliarden in die E-Mobilität, eine hinreichend hohe Nachfrage nach dem ID.3 ist in längerer Frist allerdings noch nicht ausgemacht.

Da muss der Golf als wichtigstes Massenmodell das klassische Hauptgeschäft absichern. "Die Produkteinführung der kommenden Golf-Generation ist neben der ID-Familie die strategisch bedeutsamste", erklärte Markengeschäftsführer Ralf Brandstätter in diesem Artikel.

2019 wird ein gutes Jahr für E-Autos

Gleichwohl darf VW in Sachen ID.3 optimistisch sein. Das Jahr 2019 soll ein gutes Jahr für die Elektromobilität werden.

Klar: Absolut betrachtet sind Elektroautos in Deutschland immer noch ein besseres Nischenphänomen. 31.059 reine E-Fahrzeuge (BEV) wurden im ersten Halbjahr 2019 laut Zahlen des Kraftfahrtbundesamts (KBA) neu zugelassen; das entspricht in etwa der Anzahl an neu zugelassenen T-Roc-SUVs von Volkswagen. Doch relativ betrachtet ziehen die Verkaufszahlen der Stromer an, wie aus diesem Artikel des Manager Magazins hervorgeht.

Wer mit Strom fahren will, musste bislang lange warten

Nichtsdestotrotz gibt es in Deutschland bei elektrisch angetriebenen Autos noch reichlich Luft nach oben. Wie die folgende Infografik von Statista auf Basis von Recherchen des Wirtschaftsmagazins Bilanz zeigt, dauerte es vor rund einem Jahr bei vielen Herstellern recht lange, bis ein bestelltes E-Auto ausgeliefert wurde. Mit dem in Zwickau produzierten ID.3 will VW das nun ändern.

Diese Infografik zeigt, dass es bei vielen Herstellern recht lange dauert, bis ein bestelltes E-Auto ausgeliefert wird. An der Spitze des Rankings liegen der Smart ED und der Hyundai Ioniq: Rund ein Jahr vergeht vom Zeitpunkt der Bestellung bis zu Lieferung.
Die Infografik zeigt die Wartezeit auf bestellte E-Autos in Monaten laut Herstellerangaben. - Grafik: Statista

Wie VW den Standort Zwickau auf E-Mobility trimmt

Mit der schrittweisen Transformation des Fahrzeugwerks Zwickau stellt Volkswagen erstmals eine große Autofabrik vollständig auf die E-Mobilität um, wie es in einer Pressemitteilung des Unternehmens heißt. Die Investitionen für den Umbau belaufen sich auf rund 1,2 Milliarden Euro.

In der finalen Ausbaustufe ab 2021 werden in Zwickau sechs MEB-Modelle für drei Konzernmarken gebaut. Alle 8.000 Mitarbeiter werden im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen auf die Produktion von E-Autos und den Umgang mit Starkstrom vorbereitet. Insgesamt absolviert die Zwickauer Mannschaft bis Ende 2020 rund 13.000 Trainingstage. Damit entstehen laut VW am Standort Zwickau langfristig zukunftsfeste Arbeitsplätze.

"Der ID.3 ist ein High-Tech-Auto aus einer High-Tech-Fabrik. Mit rund 1.700 Robotern, fahrerlosen Transportsystemen und voll-automatisierten Fertigungsprozessen zeigt Zwickau, wie eine zukunftsweisende Volumen-Produktion von Elektroautos heute aussehen muss", so Thomas Ulbrich, Vorstand E-Mobilität der Marke Volkswagen. 

Diese deutschen Werke liefern Komponenten für den ID.3

Neben der Fertigung im Werk Zwickau sind auch die Komponentenwerke Braunschweig, Kassel, Salzgitter und Wolfsburg am ID.3 beteiligt. Sie fertigen wichtige Bauteile wie die E-Maschine oder das Batteriesystem.

Die Fahrzeugwerke Emden und Hannover sollen ab 2022 ebenfalls mit der Produktion von E-Autos beginnen. Zusammen mit Northvolt will der Konzern zudem eine Gigafactory für Batteriezellen in Salzgitter aufbauen.

Folgende Bildergalerie gibt einen Überblick über die deutschen VW-Standorte:

Zahlen und Fakten zur Elektromobilität bei VW

  • 8.000 Mitarbeiter arbeiten im Werk Zwickau, wo der ID.3 vom Band läuft.
  • 13.000 Trainingstage investiert die Belegschaft in den Umstieg auf die E-Mobilität.
  • 1.700  Fertigungsroboter werden in Zwickau eingesetzt. Viele der bisherigen Anlagen werden wiederverwendet - auch an anderen Konzernstandorten.
  • Rund 6 Millionen Volkswagen verließen seit 1990 die Zwickauer Werkhallen (vor allem Polo, Golf, Golf Variant und Passat)
  • 8 MEB Werke in Europa, China und den USA wird Volkswagen bis 2022 am netz haben.
  • 330.000 E-Autos sollen pro Jahr in der finalen Ausbaustufe ab 2021 im Werk Zwickau vom Band laufen.
  • Mehr als 20 reine E-Autos will die Marke VW bis 2025 auf den Markt bringen.
  • 9 Milliarden Euro investiert allein die Marke VW bis 2023 in die Elektromobilität.
  • 22 Millionen E-Autos will der Volkswagen Konzern bis 2028 produzieren und verkaufen, der Großteil davon aus MEB-Basis.
  • 1,2 Milliarden Euro investiert Volkswagen in den Umbau des Standorts Zwickau.
  • 1.800.000 Quadratmeter beträgt die Fläche des Zwickauer Fahrzeugwerks, davon sind 1.400.000 Quadratmeter bebaut. Im Zuge des Umbaus werden schätzungsweise 50.000 Quadratmeter Hallenfläche neu errichtet.

Einen Einblick in die ID.3 Produktion bietet folgendes Video, das VW auf Youtube gepostet hat:

VW-Werk Zwickau unter Strom

Kritik an Lithium-Akkus

In Sachen Nachhaltigkeit will VW mit dem ID.3 Maßstäbe setzen: Der Stromer wird bilanziell CO2-neutral produziert und damit ohne sogenannten "CO2-Rucksack" an die Kunden übergeben, wie der Autobauer erklärt.

Die energieintensive Batterie-Zellfertigung des ID.3 erfolge zum Beispiel zu 100 Prozent mit Ökostrom. Derzeit noch unvermeidbare Emissionen im gesamten Produktionsprozess des ID.3 würden unter anderem durch Unterstützung des Klimaschutzprojektes "Katingan Mataya Forest Protection" auf der indonesischen Insel Borneo ausgeglichen.

Dennoch stehen die Akkus von Elektroautos in der Kritik. "Alte Lithium-Ionen-Akkus haben anders als von vielen erwartet keinen Marktwert", berichtet Falk Petrikowski: "Das Recyceln ist teuer, unter anderem wegen der vielen Inhaltsstoffe und der komplexen Demontage der uneinheitlichen E-Auto-Antriebsbatterien. Die Einnahmen durch den Verkauf der recycelten Stoffe wiegen die Kosten für Sammlung, Demontage und Recycling nicht auf", so der Batterieexperte des Umweltbundesamts in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung aus dem November 2018.

Zweites Leben für Lithium-Ionen-Akkus

Doch seit dem hat sich einiges getan. Ein zweites Leben für Stromspeicher aus Elektroautos visiert beispielsweise Audi an.

Im Stammwerk Ingolstadt erprobt der Autobauer mit gebrauchten Lithium-Ionen-Akkus angetriebene Flurförderfahrzeuge. Die VW-Tochter Audi ist wie alle Automobilhersteller per Gesetz dazu verpflichtet, die Energieträger nach ihrer Nutzung im Auto zurückzunehmen. 

Wie Daimler und BMW gebrauchten Akkus ein zweites Leben schenken beziehungsweise wie die Automobilhersteller das Recycling der Stromspender vorantreiben, lesen Sie in diesem Artikel.

E-Autos: Das sind die wichtigsten Absatzmärkte

Tesla Model S
(Bild: Pixabay)

Die weltweite Nachfrage nach E-Autos ist 2018 um 2,1 Millionen Einheiten gestiegen im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland bleibt die Nachfrage jedoch weiterhin unterdurchschnittlich. Welche Absatzmärkte am wichtigsten sind zeigt dieses Ranking.

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