Der Durchbruch der Elektromobilität ist absehbar, geht doch eine Studie der Unternehmensberatung PwC davon aus, dass im Jahr 2028 in der EU erstmals mehr Elektroautos als konventionelle Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ausgeliefert werden. Was aber soll dann mit den in großer Menge anfallenden Altbatterien passieren? Dazu erklärt Wieland Brúch, bei der BMW Group für die Konzernkommunikation in Sachen Elektromobilität zuständig: „Wir rechnen damit, dass erst in ungefähr 15 Jahren eine größere Menge von gebrauchten Akkus auf den Markt gelangen. Kommen die Akkus nach der Fahrzeuglebensdauer zurück, streben wir zunächst kein Recycling an, sondern eine stationäre Zweitverwendung, bei der sie noch einmal acht bis zehn Jahre eingesetzt werden können. Nicht wir als Hersteller müssen diese Zweitverwertung betreiben – im Augenblick sehen wir unsere Rolle vorwiegend darin, Verfahren zu schaffen und Initiatorprojekte aufzusetzen, um zu zeigen, was man mit den Speichern machen kann. Wir denken, dass sich ein kompletter externer Markt für die gebrauchten Akkus bilden wird.“
Second-Life-Anwendungen
Ein zweites Leben für Stromspeicher aus Elektroautos visiert auch Audi an: Im Stammwerk Ingolstadt erprobt der Autobauer mit gebrauchten Lithium-Ionen-Akkus angetriebene Flurförderfahrzeuge. Wie alle Automobilhersteller ist Audi per Gesetz dazu verpflichtet, die Energieträger nach ihrer Nutzung im Auto zurückzunehmen. Weil diese dann noch über einen Großteil ihrer ursprünglichen Ladekapazität verfügen, untersucht jetzt ein interdisziplinäres Projektteam, wie sich Batterien beispielsweise aus Audi e-tron-Erprobungsfahrzeugen oder aus Hybridmodellen wie Audi A3 e-tron und Audi Q7 e-tron weiterhin sinnvoll nutzen lassen.
Millionen Euro ließen sich einsparen
Während der Erprobung offenbarte sich bereits eine ganze Reihe an weiteren Vorteilen. Würde Audi die gesamte Flurförderzeug-Flotte an seinen weltweit 16 Produktionsstandorten auf Lithium-Ionen-Akkus umrüsten, ließe sich ein Millionenbetrag sparen. „In jeder Lithium-Ionen-Batterie stecken ein hoher Energieaufwand und wertvolle Ressourcen, die es bestmöglich zu nutzen gilt“, sagt Peter Kössler, Vorstand Produktion und Logistik der Audi AG. „So gehört für uns zu einer nachhaltigen Elektromobilitätsstrategie auch ein sinnvolles Second-Use-Konzept für die Energieträger.“ Die nach ihrer Nutzung im Auto verbleibende Ladekapazität der Lithium-Ionen-Akkus ist für die Anforderungen der Transportfahrzeuge mehr als ausreichend.
Strompuffer auch für erneuerbare Energien
Ein anderes Konzept fährt Daimler. Da die Fahrzeugbatterien nach Gebrauch noch über 80 % ihrer Ladekapazität verfügen, sollen sie für weitere rund zehn Jahre als Strompuffer im Stromversorgungsnetz dienen. Das ist angesichts der gewaltigen benötigten Pufferkapazitäten noch absolute Zukunftsmusik, aber erste Ansätze gibt es bereits: Der Automobilkonzern hat gemeinsam mit dem Recyclingunternehmen Remondis ein sogenanntes Second-Life-Projekt für gebrauchte Fahrzeugantriebsbatterien ins Leben gerufen. In einer großen Halle werden bei Remondis Akkus aus der zweiten Generation des Elektro-Smart gestapelt und dienen als Energiespeicher. Sie speichern den überschüssigen Strom aus dem Stromnetz und geben diesen bei Bedarf wieder ab.
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Second-Life-Batteries
Meistens ist die Zweitverwendung der Akkus aber durchaus mit Arbeit verbunden: Die Batterie eines Audi e-tron zum Beispiel besteht aus 36 einzelnen Modulen und liegt in Form eines flachen, breiten Blocks unter der Passagierzelle. Das Projektteam prüft jedes einzelne Modul nach der Rücknahme der E-Auto-Batterien auf ihre weitere Einsatzfähigkeit. Anschließend bauen sie jeweils 24 Module in eine neue Batteriewanne ein. Diese hat die gleichen Abmessungen und das gleiche Gewicht wie die bisherigen Bleibatterien der Flurförderfahrzeuge – so kann das Unternehmen alle FFZ ohne größere Investitionen weiter verwenden.
Den Aufbau der Second-Use-Batterien könnten dafür spezialisierte Mitarbeiter künftig im hauseigenen Batterietechnikum übernehmen. Nachdem erste Tests erfolgreich waren, erprobt das Projektteam jetzt die ersten umgebauten FFZ im Produktionsalltag. Denkbar ist außerdem der Einsatz gebrauchter Module in mobilen Ladecontainern für E-Fahrzeuge oder in stationären Energiespeichern.
Lithium als wichtiger Rohstoff
Auch für das Recycling entwickelt Audi konkrete Konzepte: Am Ende ihres Lebenszyklus sollen wertvolle Elemente aus den Energiespeichern in neue Produkte einfließen und somit weiter genutzt werden. Das sieht Brúch von BMW ganz ähnlich: „Erst dann, wenn die Akkus etwa 20 Jahre alt sind, steht Recycling an. Da gibt es verschiedene Verfahren und wir arbeiten bereits zum Beispiel mit Northvolt und Düsenfeld zusammen. Für die Akkus gelten übrigens die gleichen Recyclingmaßgaben wie für konventionelle Fahrzeuge.
Wir als Hersteller müssen dafür sorgen, dass unser Verwerternetzwerk befähigt ist, diese Fahrzeuge zurückzunehmen und artgerecht zu entsorgen. Das heißt, auch für die Akkus müssen Procedere auf den Weg gebracht werden, das sicherzustellen. Doch zur Zeit sind wir ja noch in der frühen Nutzungsphase, und die Hochvoltakkus sind auf Fahrzeuglebensdauer ausgelegt. Diese Fahrzeuglebensdauer ist bei uns die gleiche wie bei konventionellen Fahrzeugen. Die ältesten BMW-Elektrofahrzeuge sind heute erst 5,5 Jahre alt.“
Pfandsystem für Lithium-Ionen-Batterien
Per Gesetz gilt: Wenn der Saft ausgeht, müssen alle Batterien und Akkus zurückgegeben werden. Der Abfalleimer scheint im Alltag hingegen doch der einfachere Weg für LI-Batterien zu sein. Dies wird schnell zum Leid derjenigen, die Verwertungs- und Sortieranlagen für Restabfälle oder Verpackungsabfälle betreiben. Defekte LI-Batterien sind immer häufiger die Ursache von großen Brandereignissen. Um die Entsorgungssicherheit hierzulande langfristig gewährleisten zu können, ist es dringend nötig, Bürger in die Pflicht zu nehmen. Ein Pfandsystem würde helfen.
Immer mehr Geräte des täglichen Gebrauchs benötigen einen mobilen Energiespeicher. In Deutschland ist allein der Verbrauch an Gerätebatterien seit 2009 um 22 % gestiegen. Da von ausgedienten, vor allem defekten Batterien und Akkus, eine hohe Gefahr ausgeht, ist bereits in der Batterieverordnung vorgeschrieben, dass diese nicht achtlos in einem haushaltnahen Abfallbehälter landen dürfen. Der Handel ist deswegen zur kostenlosen Rücknahme verpflichtet – die Größe der Batterie spielt hierbei keine Rolle.
Dieser Bringschuld kommen offenbar nur wenige Bürger nach. Bislang werden 46 % der ausgedienten Akkus und Batterien zurückgebracht – womit Deutschland gerade einmal die EU-weit geltende Sammelvorgabe von 45 % erfüllt. Besonders vor dem Hintergrund des stark steigenden Gebrauchs ist diese Zahl unzureichend. Eine Vielzahl der Batterien und Akkus kann somit nicht recycelt werden. Noch viel wichtiger an dieser Stelle ist allerdings, dass von falsch entsorgten Batterien eine hohe Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht. Der Ausfall weiterer Sortieranlagen durch Brandereignisse würde die Kreislaufwirtschaft in Deutschland unter Umständen um Jahre zurückwerfen. Bei fehlenden Sortierkapazitäten wird nur die Verbrennung und Deponierung die kurzfristige Lösung sein können. Für Ersteres gibt es nicht ausreichend Kapazitäten, Letzteres ist in Deutschland zurecht verboten.
Second-Life-Konzepte bei BMW
Als Zweitverwendung für die Elektroauto-Akkus sind derzeit bei BMW keine FFZ vorgesehen, sondern vielmehr Initiatorprojekte aller Arten von Batteriespeichern und mobilen Stromtankstellen. „Mit dem Aufkommen der Energiewende wird das Thema Zwischenspeicherung immer wichtiger. Das wird aus unserer Sicht ein großer Bedarf werden, um eine kurzfristige Speicherung zu erreichen und die Glättung von Spitzen. Zudem laufen Vorbereitungen, die E-Fahrzeuge selbst als Zwischenspeicher zu nutzen – Stichwort bidirektionales Laden“, so Brúch.
Second-Life-Batterien in neuer Ladestation
Beim Thema mobile Stromtankstelle mischt VW ganz vorne mit. Denn die flexible Schnellladesäule der Volkswagen Group Components ist die erste Powerbank für E-Autos. Sie ermöglicht durch ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten den schnellen und flexiblen Aufbau einer Ladeinfrastruktur. Ab 2020 startet die Serienproduktion der Ladesäule im Komponentenwerk Hannover. Verbaut werden in der Ladesäule gebrauchte Fahrzeugbatterien. Diese erhalten mit ihrem Einsatz in der Ladesäule ein zweites Leben.
Denn: Verliert der Akku mit der Zeit an Ladekapazität und unterschreitet eine definierte reduzierte Restkapazität, wird sie ausgetauscht. Besteht diese Batterie anschließend eine Analyse, kann sie in einer Schnellladesäule weiter genutzt werden. Am Ende des zweiten Lebens geht es für alten Akkus schlussendlich doch zum Recycling. Das gilt für die Akkus der aktuell beliebten E-Scooter ohnehin direkt nach dem ‚ersten Leben‘, denn diese sind für eine Zweitverwendung zu klein, wie Michael Schneider von Remondis erläutert.
Recycling-Verfahren nicht ungefährlich
„Beim Recyceln von Akkus besteht hingegen grundsätzlich die Problematik, dass es bei jeglicher mechanischer Einwirkung zu Hitzeentwicklung schon in Sortieranlagen kommt und somit akute Brandgefahr besteht. Und zwar bei großen Sortieranlagen für das duale System oder auch für gewerbliche Abfälle. Brennt eine solche systemrelevante Anlage ab – was im Übrigen schon einmal bei der Anlage von Alba in Marl geschehen ist – haben wir große Probleme mit der Absteuerung der Abfallmengen, weil es so viele Sortierkapazitäten alternativ gar nicht gibt.“ Deshalb drängt Schneider auch auf ein Pfandsystem für Lithium-Ionen-Akkus.
Interview: Carsten Busse über die flexible Ladesäule von VW
Herr Busse, welche Batterien genau werden als Powerbank genutzt?
Die flexible Ladesäule ist so konzipiert, dass die Batteriemodule aus den MEB-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns verwendet werden. Diese sind hinsichtlich Nachhaltigkeit und Lebensdauer für den Second-Life-Einsatz in der flexiblen Ladesäule besonders geeignet. Allerdings werden sie voraussichtlich erst zu Ende der 2020er Jahre in signifikanter Anzahl nach der Erstnutzung im Fahrzeug zur Verwendung in der Ladesäule zur Verfügung stehen.
Wie sieht die Aufbereitung der Batterien aus?
Nach dem langjährigen Einsatz im Fahrzeug erfolgen eine genaue Analyse und ein Second-Life-Check der Batterie. Erst wenn sicher ist, dass der Einsatz in der Zweitverwendung technisch garantiert ist, dann wird die Batterie für die Verwendung in der flexiblen Ladesäule freigegeben. Dann tritt die Batterie ihren zweiten Lebenszyklus im Rahmen der E-Mobilität an.
Wieviel Batterien werden für eine Powerbank benötigt?
Die Anzahl der Batterien spielt eine untergeordnete Rolle, entscheidend ist der jeweilige Energieinhalt. Der Energieinhalt der Ladesäule ist nach Bedarf und Anwendungsfall – zum Beispiel Schnelllader an der Autobahn oder Lademöglichkeit auf dem Supermarktparkplatz – skalierbar und liegt im Bereich von circa 200 kWh bis zu 360 kWh.
Werden die leeren Batterien vor Ort wieder durch geladene ausgewechselt?
Die flexible Ladesäule ist für zwei unterschiedliche Betriebsmodi konzipiert. Für den Fall, dass der vorgesehene Standort einen eigenen Standard-Stromanschluss hat, kann die Ladesäule mit dem vorhandenen Stromnetz verbunden und kontinuierlich, aber mit kleiner Leistung, geladen werden. Durch den großen Batteriespeicher ist die Ladesäule vom Stromnetz entkoppelt und in der Lage, auch hohe Ladeleistung wie 250 kW und eine große Energiemenge wie zum Beispiel 200 kWh abzugeben, die der Standard-Stromanschluss alleine nicht bereitstellen könnte.
Die zweite Betriebsart ermöglicht den Betrieb der Ladesäule unabhängig von einem Stromanschluss. Diese Anwendung bietet sich besonders bei Events wie Festivals und Sportereignissen und temporären Bedarfen von Energie an. Geht der verfügbare Energieinhalt zu Ende, wird die gesamte Ladesäule gegen eine geladene Ladesäule getauscht. Die geleerte Ladesäule wird in einem Service-Park wieder aufgeladen und steht nach kurzer Zeit wieder zur Verfügung.
Zudem kann die Ladesäule als Energiespeicher für regenerative Energie – zum Beispiel Windrad oder Sonnenenergie – genutzt werden. Hierdurch wird nachhaltige und CO2-neutrale E-Mobilität ermöglicht.
Gibt es unterschiedlich große Powerbanks?
Die Ladesäulen werden, vergleichbar mit einem E-Fahrzeug, skalierbar in Leistung und Energieinhalt sein, je nach Bedarf und Anwendungsfall.
Gibt es zu viele Gebrauchtbatterien oder reicht die Menge für die Ladesäulen gar nicht aus?
Ein größerer Rücklauf an Batteriemodulen wird erst gegen Ende der 2020er Jahren erwartet. Daher werden in der Startphase der Ladesäule zunächst First-Life-Batteriemodule eingesetzt, sukzessive werden dann die Rücklauf-Batteriemodule der Second-Life-Anwendung in der Ladesäule zugeführt.
Welches Geschäftsmodell steht dahinter? Wird VW somit Stromlieferant?
Wir wollen die E-Mobilität einfach und komfortabel machen, dazu gehören ausreichend viele und schnell verfügbare Lademöglichkeiten. Und zwar dort, wo sie benötigt werden. Genau hier bietet die mobile und flexible Ladesäule einen großen Vorteil und Kundennutzen. Unser Kerngeschäft ist die Entwicklung und Herstellung der flexiblen Ladesäule. Um eine möglichst hohe Marktdurchdringung zu erreichen, vertreiben wir die Ladesäule an interessierte Unternehmenskunden. Der Betrieb und dazugehörige Services erfolgen dann durch die jeweiligen Unternehmen. Die Fertigung der Ladesäule startet 2020. Aktuell läuft in der Stadt Wolfsburg ein Pilotprojekt an, bei dem zwölf flexible Ladesäulen im Stadtgebiet im Einsatz sind.