Nach sieben Jahren teilweise zähen Verhandlungen war es vor ein paar Wochen endlich soweit: Die Europäische Union und China haben sich auf ein Investitionsabkommen geeinigt. Kurz gesagt heißt das: Europäische Unternehmen sollen künftig einfacher in China investieren können und so besseren Zugang zu dem riesigen Markt der Volksrepublik bekommen. Viele Details sind aber noch nicht geklärt und der Vertrag dürfte erst 2022 in Kraft treten. Ein Überblick, über den Stand der Dinge:
Was bedeutet der Investitionspakt für Maschinenbau und Autoindustrie?
Vor allem Marktzugangsverpflichtungen sollen der deutschen Industrie helfen. „China ist umfassende Verpflichtungen mit nur sehr wenigen Beschränkungen (insbesondere in Sektoren mit erheblichen Überkapazitäten) eingegangen. Im Hinblick auf die Ambitioniertheit der Zusagen würde dies der Offenheit der EU entsprechen“, erklärt die Europäische Kommission zu den Vereinbarungen zum verarbeitenden Gewerbe. Etwa die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen der EU entfalle auf das verarbeitende Gewerbe. Derart weitreichende Marktzugangsverpflichtungen sei China gegenüber keinem anderen Partner eingegangen, so die Kommission.
Im Bereich Automobilindustrie wurde vereinbart, dass in China Joint-Venture-Auflagen abgeschafft werden. „China wird sich zum Marktzugang für alternativ angetriebene Fahrzeuge verpflichten“, erklärt die Europäische Kommission.
Zudem soll es Regeln zur Verhinderung von erzwungenem Technologietransfer sowie Verpflichtungen in Bezug auf das Verhalten staatseigener Unternehmen, umfassende Transparenzregeln für Subventionen und Verpflichtungen im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung geben.
China wird EU-Unternehmen außerdem gleichberechtigten Zugang zu normgebenden Gremien gewähren und soll sich verpflichten, für mehr Transparenz, Berechenbarkeit und Fairness bei Zulassungen zu sorgen.
„Ganz gleich, was die Regierung in Beijing im Investitionsabkommen mit der EU verspricht: Ausländische Unternehmen sollten sich darauf einstellen, das geopolitische Interessenkonflikte künftig verstärkt ihre Arbeit vor Ort in China beeinflussen werden“, erklärt Merics-Analystin Katja Drinhausen zudem in einem Briefing.
Wie profitiert China vom Abkommen mit der EU?
Nicht nur die EU, auch China profitiert von dem Abkommen, erklärte Dr. Philipp Steinberg, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik im Bundeswirtschaftsministerium, in einer Diskussionsrunde des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Es habe dadurch die Anerkennung seiner Handelspartner bekommen und werde nicht mehr als Schwellenland gesehen. Zudem gebe es im Rahmen des Abkommens auch Öffnungen des Energiebinnenmarktes für chinesische Unternehmen.
„Das Abkommen ist ein politischer und symbolischer Gewinn für China“, erklären auch die Experten von Merics.
Was passiert, wenn sich China nicht an den Investitionspakt hält?
Steinberg beschrieb es als Wechselspiel: China müsse seine Transparenz erhöhen. Wenn es da keinen Fortschritt gebe, könne die EU in anderen Bereichen den Druck wieder erhöhen. Zudem werde an Streitbeilegungsmechanismen gearbeitet. „Durchsetzung ist immer ein großes Thema bei diesen Abkommen“, erklärte er. Es sei wichtig zu kooperieren, aber man müsse auch klar machen, was die europäischen Werte und Interessen sind.
Welche Reaktionen gab es von den verschiedenen Seiten?
„In China lobten Experten das Abkommen als Schritt in Richtung Multilateralismus. Die EU habe, so hieß es in Kommentaren, ihre Beziehungen sowohl zu den USA als auch zu China geschickt ausbalanciert und ‚strategische Autonomie‘ bewiesen“, schreiben die Merics-Experten in ihrem Briefing. Präsident Xi Jinping zeigte sich zuversichtlich, dass der Vertrag die Erholung der Weltwirtschaft nach der Corona-Pandemie ankurbeln werde, unter anderem durch neue Zuversicht in Globalisierung und Freihandel.
Das Abkommen löse zwar nicht alle kritischen Fragen, doch sei es „ein großer Fortschritt“, hieß es von Regierungsseite in Berlin. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sprach von einem handelspolitischen Meilenstein.
„Die Welt nach der Pandemie braucht eine starke Beziehung zwischen der EU und China“, schrieb Kommissionspräsidentin von der Leyen auf Twitter.
Und auch die USA meldete sich zu Wort: Jake Sullivan, Joe Bidens künftiger National Security Advisor schrieb zum Abkommen auf Twitter, die Biden-Harris-Administration würde frühzeitige Konsultationen mit den europäischen Partnern über gemeinsame Sorgen über Chinas Wirtschaftspraktiken begrüßen.
Die deutschen Wirtschaftsverbände zeigten sich erleichtert. Der Maschinenbauverband VDMA betonte, das Abkommen könne ein wichtiger Meilenstein werden. Der Außenhandelsverband BGA nannte die Grundsatzeinigung eine gute Nachricht. Der Verband der Chemischen Industrie erklärte: „Die EU wird nur dann ein echter geopolitischer Player, wenn sie auch mit Schwergewichten wie China zu substanziellen und belastbaren Vereinbarungen in der Lage ist.“
Welche Kritik gibt es an dem Abkommen?
Europa müsse seine eigene Position finden, erklärte Prof. Achim Wambach, Präsident des ZEW auf der Diskussionsrunde. Die EU müsse sich klar positionieren. Dazu gehören für ihn zum Beispiel auch Regeln zum Binnenmarkt.
Die Merics-Experten ordnen das Abkommen so ein: „Viele der von China angekündigten Öffnungsschritte sind allerdings nicht neu. Wichtige strukturelle Probleme werden ausgespart, etwa ausländische Bewerber diskriminierende öffentliche Ausschreibungen oder Auflagen für den grenzüberschreitenden Datenverkehr.“ In Bezug auf Arbeitnehmerrechte verpflichte sich China nur vage zur Unterzeichnung der Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation. Bis es dazu komme, könnten Jahrzehnte vergehen. Der SPD-Handelsexperte Bernd Lange betonte außerdem, besonders wichtig sei der Kampf gegen Zwangsarbeit. Nötigenfalls werde man Nachbesserungen einfordern.