Milliardenschwere Abschreibungen auf das Stahlgeschäft haben Thyssenkrupp im vergangenen Geschäftsjahr tief in die roten Zahlen gedrückt. Unter dem Strich schlug im Geschäftsjahr 2022/23 ein Nettoverlust von rund zwei Milliarden Euro zu Buche. Das erklärte das Unternehmen heute (22.11.) auf seiner Bilanzpressekonferenz. Die Wertberichtigungen auf das Anlagevermögen der Tochter Steel Europe bezifferte Thyssenkrupp auf 2,1 Milliarden Euro. Die Abschreibungen seien wegen des konjunkturbedingt eingetrübten Umfelds sowie wegen höherer Kapitalkosten nötig geworden, hieß es.
Thyssenkrupp hatte ursprünglich einen "mindestens" ausgeglichenen Jahresüberschuss in Aussicht gestellt, nach einem Gewinn von 1,2 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Aktionäre sollen dank eines deutlich verbesserten Mittelzuflusses dennoch eine unveränderte Dividende in Höhe von 0,15 Euro je Aktie erhalten.
Sinkende Stahlpreise und gleichzeitig gestiegene Rohstoff- und Energiekosten belasteten das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit), das von knapp 2,1 Milliarden auf 703 Millionen Euro sank. Der Umsatz ging um neun Prozent auf 37,5 Milliarden Euro zurück.
Podcast: Katja Windt über die Transformation in der Stahlbranche
Thyssenkrupp Stahlsparte: Joint-Venture mit EPH?
Bei der geplanten Verselbstständigung der Stahlsparte führt Thyssenkrupp nach eigenen Angaben "konstruktive und ergebnisoffene Gespräche" mit dem Energieunternehmen EPH. Gesprochen werde über ein potenzielles Joint Venture mit Steel Europe, das EPH mit seiner Energieexpertise unterstützen könne, teilte Thyssenkrupp mit. Die konkrete Ausgestaltung eines möglichen Gemeinschaftsunternehmens sei Gegenstand laufender Verhandlungen.
EPH gehört dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky. Zu dem Konzern gehören in Ostdeutschland die Braunkohlekonzerne Mibrag und Leag, die künftig verstärkt klimaneutral erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen wollen.
Die Stahlsparte von Thyssenkrupp ist Deutschlands größter Stahlproduzent. Sie soll klimaneutral werden. Erster großer Schritt ist der Bau einer "Direktreduktionsanlage" zur Stahlerzeugung in Duisburg, die einen Hochofen ersetzen soll. Die rund drei Milliarden Euro teure Anlage soll zunächst mit Erdgas, später mit immer mehr klimaneutral erzeugtem Wasserstoff betrieben werden.
Der Erfolg der CO2-neutralen Stahlproduktion sei im Wesentlichen abhängig von der sicheren Versorgung mit großen Mengen «grüner» Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen, berichtete das Unternehmen. "Aus diesem Grund steht Thyssenkrupp im Austausch mit möglichen strategischen Partnern aus dem Bereich der Energiewirtschaft."
"Wenn wir es richtig angehen, können wir die Wettbewerbsfähigkeit von Steel Europe erheblich verbessern und das Geschäft für künftige grüne Märkte zukunftsfähig aufstellen", sagte Personalvorstand Oliver Burkhard. Die Mitbestimmung spiele bei dieser Transformation eine wichtige Rolle. "Sie ist in die Gespräche zur Verselbstständigung in bewährter Weise eng eingebunden." Die Gewerkschaft IG Metall hatte Anfang Oktober nach Bekanntwerden der Gespräche mit dem EPH-Konzern vor einer "Hauruck-Aktion auf Kosten der Beschäftigten" gewarnt.
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Analyst lobt starke Barmittel
Vorbörsliche Bedenken am Markt hinsichtlich der Nachrichten von Thyssenkrupp haben am Mittwoch im regulären Xetra-Handel einer erfreuten Reaktion Platz gemacht. Der Kurs stieg erstmals seit Anfang Oktober über die Marke von sieben Euro und könnte sich damit aus einer wochenlangen Seitwärtsbewegung unter dieser Hürde nach oben absetzen. Zuletzt betrug der Aufschlag noch gut fünf Prozent auf knapp sieben Euro. Damit setzten sich Thyssenkrupp an die Spitze des Mdax.
Analyst Moses Ola von JPMorgan lobte in einer ersten Einschätzung starke Barmittel (Free Cashflow) des Industriekonzerns. Diese lägen um gut die Hälfte über seiner und der Markterwartung. Das Unternehmen habe weit mehr Betriebskapital aufgelöst als angenommen. Für die Barmittel dürften nun die Marktschätzungen entsprechend steigen.
Thyssenkrupp: Die Geschäftsentwicklung im Überblick
- Auftragseingang: 37,1 Milliarden Euro (Vorjahr: 44,3 Milliarden Euro)
- Umsatz: 37,5 Milliarden Euro (Vorjahr: 41,1 Milliarden Euro)
- Bereinigte EBIT: 703 Millionen Euro (Vorjahr: 2.062 Millionen Euro)
- Free Cashflow vor M&A: 363 Millionen Euro - Anstieg des Netto-Finanzguthabens auf 4,3 Milliarden Euro (30. September 2022: 3,7 Milliarden Euro)
Dem stünden allerdings unter den Erwartungen liegende Zahlen von Steel Europe gegenüber sowie hohe Wertberichtigungen für das Stahlsegment, ergänzte Ola. Der Ausblick auf das kommende Jahr decke sich mit den Erwartungen. Das operative Ergebnis (Ebit) im Stahlgeschäft liege um elf Prozent unter der Konsensschätzung, belastet von geringeren Volumina und niedrigeren Preisen.
Im neuen Geschäftsjahr will Thyssenkrupp wieder in die Gewinnzone zurückkehren. So erwartet das Unternehmen einen Jahresüberschuss im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Dabei geht das Management um Konzernchef Miguel López von einem anhaltend schwierigen konjunkturellem Umfeld aus. Das bereinigte Ebit soll auf einen hohen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag steigen, den Umsatz sieht Thyssenkrupp leicht wachsen.
(mit Material von dpa und Thyssenkrupp)
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