Rede VDMA Präsident Haeusgen

VDMA-Präsident Karl Haeusgen stellt klare Forderungen an die zukünftige Regierung in Berlin: Die Koalitionäre müssen schnell zu einem guten, fortschrittlichen Ergebnis kommen und die neue Regierung Ökonomie und Ökologie nicht als entweder/oder, sondern ein entschiedenes „sowohl als auch“ sehen. - Bild. Anna McMaster

450 Teilnehmer aus der Branche freuen sich nach langer Corona-Pause wieder auf den Austausch. Zum Gipfel-Auftakt wünscht sich VDMA-Präsident Karl Haeusgen schnell eine Politik, die nicht nur Symptome justiert, sondern sich ehrgeizige Ziele setzt – am besten schon ab Nikolaus.

Die Saalumfrage ergab: Ein gutes Drittel der Teilnehmenden freut sich darauf, sich endlich wieder persönlich austauschen zu können. 37 Prozent sind auf der Suche nach Anregungen und Inspiration nach Berlin gekommen, für ein knappes Viertel ist der Gipfelbesuch ein gesetzter Termin. Die Branche hat die Pandemie als ausgeprägte Konjunkturdelle gut überstanden, konstatierte VDMA-Präsident Karl Haeusgen – solche Dellen sei man gewöhnt: „Die sehr diverse Risikoaufstellung hat dem Maschinenbau mit Sicherheit geholfen, besser rauszukommen.“

Zunächst würdigte Haeusgen, dieses Jahr an neuen Location, dem Vienna House Andel’s Berlin, das Verdienst Angela Merkels in 16 Jahren Kanzlerinnenschaft. „Für die Menschen und die Wirtschaft in Deutschland bedeutete das ein Maß an Stabilität, von dem man in anderen Industrienationen nur träumen kann – und das bei all den geopolitischen und weltwirtschaftlichen Erschütterungen in dieser Zeit“.

Neue Technologien müssen dynamisch und kraftvoll vorangetrieben werden

Dennoch sei Wirtschafts- und Industriepolitik in der Prioritätenliste in dieser Zeit weniger weit oben angesiedelt gewesen. „Nicht selten hatte man den Eindruck, die Wirtschaft hatte zu liefern, nicht zu jammern, gerade wenn die Umstände verschärft waren“, so der VDMA-Vorsitzende. Es habe Dynamik und Kraft mit Blick auf neue Technologien und visionäre Entwürfe gefehlt, die man sich in der Wirtschaft manchmal gewünscht habe. Umso wichtiger ist aus Sicht des Verbands, dass die Koalitionäre schnell zu einem guten, fortschrittlichen Ergebnis kommen und die neue Regierung Ökonomie und Ökologie nicht als entweder/oder, sondern ein entschiedenes „sowohl als auch“ sieht.

„Ich setze dabei auf das ‚fortschrittsfreundliche Zentrum‘ aus Grünen und FDP. Und, lieber Herr Weil, auf eine SPD, die sich in den Bann dieses Spirits, dieser Aufbruchsstimmung ziehen lässt“, fügte Haeusgen mit Blick auf den nächsten Gipfel-Redner, Ministerpräsident Stephan Weil, hinzu. Mit der neuen Konstellation will der Verband zusätzlich zu seinen bestehenden Netzwerken auch neue knüpfen und „öfter noch als bisher die Perspektive wechseln“.

Schon eine Woche nach der Wahl habe man die Forderungen der Branche in einem selbstgeschriebenen Kapitel zum Koalitionsvertrag vorgestellt. „Das war ein ganz guter Stein, den wir in den Vorgarten geworfen haben und der auch Aufmerksamkeit gefunden hat“, so Karl Haeusgen.

Europa muss sich gegenüber Drittstaaten besser behaupten

Freier Handel und offene Märkte sind aus VDMA-Sicht weiter Topthema. Ein weiteres „Herumlavieren“ um die Ratifizierung von CETA könne sich Deutschland als Exportnation und Treiber der europäischen Industrie nicht erlauben, konstatierte Haeusgen: „Die Wahlprogramme von Grünen und SPD sind bisher ein Offenbarungseid auf dem Feld der Außenwirtschaft und des freien Handels“.

Auch Resilienz gegenüber Sanktionen anderer Staaten ist weiterhin ein wichtiges Thema. Auf der einen Seite erwarteten die USA, auch unter Biden und Harris, von den Europäern Unterstützung für ihre harte Haltung gegenüber China. Chinas Strategie hingegen sei, einerseits technologisch zum Westen aufzuholen und sich gleichzeitig unabhängig zu machen von Technologieimporten. „Unternehmen, die diesen Weg nicht mitgehen können oder wollen, droht die Gefahr, aus dem Markt geschoben zu werden“, gab Haeusgen zu bedenken. Europa benötige unbedingt einen „Werkzeugkasten“, um sich gegen diese wirtschaftlichen Zwänge aus Drittstaaten wehren zu können.

Viel Beifall bekam der Verbandspräsident für seine Einschätzung zur Klimapolitik: „Wer das 1,5-Grad-Ziel erreichen will, braucht Maschinen und Anlagen oder übt sich im Verzicht. Das naive Narrativ vom Verzicht, die Ideologie des Degrow ist zynisch! Es riskiert den sozialen Frieden und lässt jene ohne Hoffnung zurück, die ohne globales Wachstum im Elend verharren“, sagte Haeusgen.

Finanzierungsmodelle und Steuerrecht müssen reformiert werden

Aus VDMA-Sicht muss beispielsweise das System der Exportfinanzierung neu gedacht werden. So sollte der Export von Maschinen- und Anlagen, die weniger als fünf Millionen Euro kosten, genau so versichert werden können, wie der Export von Wind- und Wasserstoffturbinen.

Zudem forderte Haeusgen ein zeitgemäßes und international wettbewerbsfähiges Steuerrecht und keine Debatten über Substanzbesteuerung. Dass neue Substanzsteuern im Sondierungspapier ausgeschlossen werden, sieht er als klaren Pluspunkt für die Ampelkoalition. „Das schöne Schlagwort von den Superabschreibungen für Digital- und Klimaabschreibungen gefällt uns natürlich sehr gut“, lobte der Verbandspräsident und bot der Politik Hilfe bei der praxisgerechten Ausgestaltung an.

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