Die WGP beschäftigt sich mit nachhaltiger und resilienter Produktion.

Die WGP beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit nachhaltiger und resilienter Produktion. (Bild: Eisenhans - stock.adobe.com)

Seit Anfang 2022 ist Professor Jens P. Wulfsberg, Leiter des Laboratoriums Fertigungstechnik (LaFT) der Universität der Bundeswehr in Hamburg, der neue Präsident der WGP (Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik). Er folgt damit turnusgemäß auf Professor Christian Brecher, Leiter des Lehrstuhls für Werkzeugmaschinen WZL der RWTH Aachen, der das Amt die beiden Jahre zuvor innehatte.

„Als Präsident werde ich mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass sich die Forschung der WGP noch stärker als bislang an neuen Zielgrößen ausrichtet. Wir tragen Verantwortung für die Zukunft. Und wie die Dinge stehen, ist es mit dem überwiegenden Fokus auf steigende Produktivität und sinkende Stückkosten in der Produktionsforschung nicht mehr getan. Wir müssen weiter über den Tellerrand schauen und in unser Forschungsportfolio vermehrt Themen wie ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit, Resilienz in der Produktion aufnehmen. Dazu gehört nicht zuletzt eine Beeinflussung des Konsumverhaltens durch neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungssystematiken.“

Die WGP als Zusammenschluss führender Professoren der Produktionstechnik in Deutschland beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit nachhaltiger und resilienter Produktion – Themen, die spätestens durch die Diskussion über den steigenden Ressourcenverbrauch und mit der Pandemie ins Licht der Öffentlichkeit rückten. Zusammenbrechende Lieferketten durch eine „Überglobalisierung“ und eine fehlende Produktionsalternative in Europa machen ungezählten Firmen in Deutschland schwer zu schaffen.

Als Forschende mit Visionen für eine innovative Produktion, die Krisen leichter überwindet und den Industriestandort Deutschland nachhaltig sichert, haben sich die Mitglieder immer wieder öffentlich zu Wort gemeldet. Bisherige Arbeiten der WGP-Forschungsinstitute beschäftigen sich beispielsweise mit der kontinuierlichen Senkung des Energie- und Materialverbrauchs, mit der Optimierung von Maschinen, Verfahren und Fabrikorganisation oder auch mit der Objektivierung der Diskussionen um nachhaltige Produktion.

„Doch die Entwicklungen der vergangenen Jahre mit den sich immer drastischer verändernden ökologischen Randbedingungen und dem europäischen Green Deal zwingen uns, die Evolution hin zu umweltverträglicher und krisenfester Produktion zu beschleunigen. Das ist nicht nur möglich, sondern es ist auch eine riesige Chance für unser Land.“

Nicht nur quantitatives, auch qualitatives Wachstum

Neben den bekannten Qualitätsanforderungen an Maschinen, Anlagen und Prozesse mit stetig steigender Produktivität und sinkenden Kosten für eine flexible Produktion müssen weitere Zielgrößen, eine neue Systematik der Wertschöpfung hinzukommen. „Es gibt schon jetzt Beispiele, bei denen die industrielle Wertschöpfung neu aufgestellt wird“, weiß Wulfsberg. „Doch als der Zusammenschluss führender Produktionswissenschaftler in Deutschland haben wir es in der Hand, die Weichen für eine revolutionäre Veränderung zu stellen, die umwelt- und sozialverträglich und trotzdem wirtschaftlich ist – auch für kommende Generationen.“

Neuartige Geschäftsmodelle sind dabei der Dreh- und Angelpunkt, die die notwendigen, enormen Umwälzungen erst möglich machen. Sharing, pay per use, performance based contracting, peer to peer und andere: All das sind Geschäftsmodelle, die durch die Produktionstechnik ermöglicht oder befeuert werden können.

So ließe sich etwa denken, dass künftig Haushaltsgeräte von den produzierenden Unternehmen nicht mehr verkauft, sondern den Kundinnen und Kunden überlassen werden, die dann pro Nutzungsvorgang bezahlen. „Das hätte zur Folge, dass möglichst langlebige Maschinen entwickelt und hergestellt werden, die dann aber im industriellen Maßstab updatefähig sein müssen und deren ,CO2-Rucksack‘ so lange wie möglich abgeschrieben werden kann.

Für die Anwenderinnen und Anwender wiederum wäre es sinnvoll, die Geräte so effizient wie möglich zu nutzen. Sie wären ans Internet angeschlossen und würden Daten zur Nutzung und Abrechnung an die bereitstellende Firma leiten – ein Konzept, das dem des Carsharing gleicht.“

Beste Voraussetzungen für Deutschland

Der große Vorteil für Deutschland ist das breite Domänenwissen. „Wir sind nicht nur Weltmeister im Export von exzellenten Werkzeugmaschinen, wir haben auch ein tiefes Verständnis der Produktionsprozesse – eine weltweit herausragende Kombination“, erläutert Wulfsberg. „Auch deswegen sind wir es, die den Hebel zu einer zukunftsfähigen Produktion in der Hand haben. Wir können unter anderem mithilfe weiterer Digitalisierung und Automation eine Blaupause für die nachhaltige Fabrik der Zukunft schaffen, die Maschinen, Prozesse und Produktionsplanung und nicht zuletzt die Menschen mit einbezieht.

Damit wiederum können wir Deutschland und Europa zum Ausstatter für ökologisch, ökonimisch und sozial zukunftsfähige Fabriken in der Welt von morgen machen. Das ist unsere Chance, nach beispielsweise dem Automobilbau auf einem neuen Gebiet konkurrenzfähig zu bleiben.“

Erste Beispiele für disruptive Konzepte hat die WGP mit dem Konzept der Update-Factory vor kurzem vorgelegt. Und auch die FabCity-Initiative, an der Hamburg auf Initiative von Wulfsberg beteiligt ist, ist ein Beispiel für eine innovative Systematik der Wertschöpfung – ohne lange Lieferketten, mit lokaler Produktion on demand, umwelt- und sozialverträglich. „Wir können es, und deswegen wollen wir es.“

Quelle: Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik - WGP

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