Kernfusion.

Die Verheißungen von Kernfusion sind groß. (Bild: Siarhei - stock.adobe.com)

Was ist Kernfusion und wie funktioniert sie?

Kernfusion ist ein Prozess, bei dem die Kerne zweier Atome miteinander verschmelzen und ein neues Atom bilden. Dabei wird eine enorme Menge an Energie freigesetzt, die als potenzielle Energie der neuen Bindung zwischen den Atomkernen gespeichert ist. Die Kernfusion ist der Prozess, der den Sternen ihre Energie verleiht, und stellt eine vielversprechende Technologie für die Energieerzeugung auf der Erde dar.

Um die Kernfusion auf der Erde zu realisieren, muss ein Plasma erzeugt werden, das aus positiv geladenen Ionen und negativ geladenen Elektronen besteht. Dieses Plasma wird in einem Magnetfeld eingeschlossen, um es von den Gefäßwänden fernzuhalten. Die Ionen im Plasma müssen dann auf eine so hohe Temperatur erhitzt werden, dass sie genügend Energie haben, um die elektrostatische Abstoßung zu überwinden und miteinander zu verschmelzen.

Mit der bei der Kernfusion freigesetzten Energie kann Wasser erhitzt und Dampf erzeugt werden, der eine Turbine zur Stromerzeugung antreibt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kernkraftwerken entstehen bei der Kernfusion keine radioaktiven Abfälle und es werden keine seltenen Rohstoffe wie Uran benötigt. Sie ist auch wesentlich sicherer als die Kernspaltung, da die Reaktion bei Unterbrechung der Energiezufuhr schnell zum Erliegen kommt und somit kein unkontrollierbarer Austritt radioaktiver Stoffe in die Umwelt erfolgt.

Die Kernfusion ist jedoch noch eine Herausforderung, da die Temperaturen im Plasma sehr hoch sein müssen und die Ionen im Plasma sehr energiereich sind. Viele Forschungsinstitute und Unternehmen arbeiten daran, die Technologie zu verbessern und praxistauglich zu machen, und es besteht die Hoffnung, dass die Kernfusion in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung spielen wird.

Wie eine Raumstation, die mitten in Vorpommern gelandet ist, sitzt Wendelstein 7-X in einer quadratischen 30-Meter-Halle im Südosten Greifswalds: ein 1.000 Tonnen schwerer Wust aus Stahlteilen, Rohren und Kabeln und - weil hier trotz allem Schwerkraft herrscht - umringt von Baugerüsten. Dennoch geht es um etwas Außerirdisches und den Versuch, es auf die Erde zu holen: Energiegewinnung mittels Kernfusion.

Von der primärsten aller primären Energiequellen spricht Thomas Klinger, der das Projekt leitet. "Das sind die Kraftwerke des Weltalls." Die Sonne und Sterne erzeugen ihre Energie mittels Kernfusion. Ob fossile Brennstoffe, Kernspaltung, Wind- oder Solarenergie - all diese Quellen würden bereits genutzt. "Und dann ist da ein Topf, der ist noch zu." In diesem Topf steckt ein gewaltiges Potenzial: Mit zwei Litern Wasser und einem halben Pfund Gestein ließe sich der Strombedarf einer Familie für ein ganzes Jahr decken - und das ohne CO2 zu erzeugen. Einen zehn Millionen Mal höheren Brennwert als Kohle habe der Brennstoff, erklärt Klinger. Die Physik dahinter sei gut erforscht. Wasserstoff-Atomkerne verschmelzen zu Helium und setzen dabei enorme Mengen Energie frei.

Kernfusion: Warum die Technik so komplex ist

Soweit die Theorie. Technisch ist die Herausforderung gigantisch. Auf über 100 Millionen Grad muss dazu Plasma aufgeheizt werden. Plasma ist elektrisch leitend und seine Teilchen können sich noch freier bewegen als in Gas. Gehalten wird das Plasma von riesigen Magneten. Diese werden in Greifswald auf minus 270 Grad heruntergekühlt, damit sie nach dem Einschalten kaum Energie verbrauchen. Das Abkühlen dauert laut Klinger fast zwei Monate.

Umgerechnet etwa 1.000 Mannjahre Arbeitsleistung seien in den Bau geflossen. Kostenpunkt nur für die Anlage: etwa 400 Millionen Euro. Zählt man aufgelaufene Kosten am Standort dazu - etwa für Personal - komme man auf etwa 1,3 Milliarden Euro. Eine wesentlich größere Anlage, die seit 2010 in Südfrankreich entsteht, könnte nach Schätzungen mehr als 20 Milliarden Euro kosten. Der erste Betrieb ist für 2025 geplant. Im Gegenteil zur Greifswalder Anlage sollen in Südfrankreich tatsächlich Kerne verschmelzen

Klimawandel: Kommt das Fusionskraftwerk noch rechtzeitig?

Die Greifswalder Forscher beschäftigen sich statt mit Fusion mit den Plasmaeigenschaften. Eine Hauptaufgabe von Wendelstein 7-X ist das Erreichen eines Dauerbetriebs. Fusionsrelevantes Plasma soll nicht wie bisher nur für einige Sekunden, sondern für eine halbe Stunde erzeugt werden. Technisch und physikalisch liege eine Welt dazwischen, sagt Klinger. Von einer halben Stunde bis zum echten Dauerbetrieb sei es hingegen nicht weit. Für den längeren Betrieb seien zuletzt 600 Wasserkühlkreise installiert worden.

Und wann kommt das erste Kraftwerk? Klinger rechnet damit in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. Zu spät, findet Claudia Kemfert. "Wir brauchen jetzt Lösungen für den Klimaschutz", betont die Energie-Expertin des Deutschen Instituts für Wirtschaft. "Viele Studien weisen zu Recht darauf hin, dass die Zukunft bei den erneuerbaren Energien liegt."

Hätte man schon weiter sein können? "Definitiv", sagt Klinger. "Das ist einfach, weil nichts gemacht wurde oder wenig gemacht wurde." Es habe andere Prioritäten gegeben. Energie sei lange kein Thema gewesen. "Da gab es genug Öl, genug Gas." Kernspaltung verdanke ihren Fortschritt dem Militär. Jetzige Reaktoren seien eigentlich vergrößerte U-Boot-Reaktoren. "Zum Glück wurde die Forschung am Leben erhalten", sagt Klinger mit Blick auf die Kernfusion.

Heinz Smital meint: "Ich bin froh, dass nicht noch mehr in die Kernfusion hineingesteckt worden ist." Das sei sicherlich sehr spannende Grundlagenforschung, sagt der Atomexperte von Greenpeace. Aber es habe mit Energieversorgung eigentlich sehr wenig zu tun. Er spricht von "Etikettenschwindel".

Ähnlich äußert sich auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete und ehemalige niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel: "Im Kampf gegen die Klimakrise kommt die Kernfusion Jahrzehnte zu spät, sollte sie je funktionieren."

Warum Kernfusion sicherer als Kernspaltung ist

Zumindest wäre Kernfusion nach Aussage Klingers sicherer als Kernspaltung. Selbst wenn etwa Terroristen ein Flugzeug direkt in die Brennkammer lenkten, würde deutlich weniger und kurzlebigeres strahlendes Material frei als bei der Kernspaltung. Es gebe keine hoch-radioaktiven Spaltprodukte, die man Zehntausende Jahre lagern müsse. Stahl in den Bauteilen werde zwar radioaktiv, könne aber nach 50 bis 150 Jahren wiederverwendet werden. Zudem sei eine Kettenreaktion etwa wie in Tschernobyl nicht möglich. Er vergleicht Kernfusion mit einer Kerze, die einfach erlischt, wenn etwas schiefgeht.

Klinger warnt davor, Kernfusion einzumotten. "Man wird froh sein über jede Option." Erneuerbare Energien würden zwar in Zukunft eine wahnsinnig wichtige Rolle spielen. Ob sie aber langfristig den wachsenden Energiehunger der Menschheit stillen können, sei nicht garantiert. Gerade für die punktuelle Versorgung künftiger Megastädte wäre Kernfusion interessant. "Da einfach fünf, sechs dicke Kraftwerke rund herum setzen - Ruhe im Karton." Zudem könnten sie Schwankungen ausgleichen.

Ab kommenden September soll in Greifswald wieder Plasma erzeugt und der halbstündige Dauerbetrieb in Angriff genommen werden. Für einen längeren Dauerbetrieb fehlt laut Klinger in Greifswald ein typisches Kraftwerksmerkmal - die Kühltürme.

Was machen die Max-Planck-Kernfusions-Forscher in Greifswald?

In Greifswald wird am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) an der Kernfusion geforscht. Dort befindet sich das Experiment Wendelstein 7-X, mit dem die Technologie der Kernfusion weiterentwickelt und verbessert werden soll.

Wendelstein 7-X ist ein so genanntes Stellarator-Experiment, bei dem das Plasma in einer ringförmigen Kammer mit starken Magnetfeldern eingeschlossen ist. In einem Stellarator wird der magnetische Käfig durch ein einziges Spulensystem erzeugt - also im Gegensatz zum Tokamak ohne Längsstrom im Plasma und damit ohne Transformator.
Der Magnetfeldkäfig von Wendelstein 7-X schließt ein Plasma ein, das mit Temperaturen von bis zu 100 Millionen Grad und Entladungen von bis zu 30 Minuten Dauer überzeugende Aussagen über die Kraftwerkstauglichkeit von Stellaratoren ermöglichen soll.

Ziel von Wendelstein 7-X ist es, den guten Teilcheneinschluss des optimierten Magnetfelds nachzuweisen und den Teilchentransport unter kraftwerksähnlichen Bedingungen zu untersuchen. Außerdem soll das Plasma mit effizienten Heizmethoden erzeugt und aufgeheizt werden, und es sollen Methoden zur Kontrolle der Verunreinigung des Plasmas entwickelt und der Transport der Verunreinigungen untersucht werden. Außerdem sollen Beta-Werte (Verhältnis von Plasmadruck zu Magnetfelddruck) von 4 bis 5 Prozent erreicht, die Beta-Grenze analysiert und der Langzeit- und quasistationäre Betrieb demonstriert werden. Darüber hinaus sollen Plasmaauffüllung, Partikelkontrolle und Plasma-Wand-Wechselwirkung unter Dauerbetriebsbedingungen untersucht und Divertorstudien durchgeführt werden.

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dpa