Experimentierhalle mit Wendelstein 7-X in Greifswald. Die Fusionsanlage ist der größte und modernste Stellarator der Welt. Jetzt konnte hier heißes Plasma acht Minuten lang aufrechterhalten werden.

Experimentierhalle mit Wendelstein 7-X in Greifswald. Die Fusionsanlage ist der größte und modernste Stellarator der Welt. Jetzt konnte hier heißes Plasma acht Minuten lang aufrechterhalten werden. (Bild: MPI für Plasmaphysik, Jan Michael Hosan)

Während der dreijährigen Umbauarbeiten, die im vergangenen Sommer abgeschlossen wurden, erhielt Wendelstein 7-X vor allem eine Wasserkühlung der Wandelemente und ein erweitertes Heizsystem. Letztere kann nun doppelt so viel Leistung in das Plasma einkoppeln wie zuvor. Seitdem kann das Kernfusionsexperiment in neuen Parameterbereichen betrieben werden. „Wir tasten uns jetzt an immer höhere Energien heran“, erklärt Prof. Dr. Thomas Klinger, Leiter der Abteilung Stellaratordynamik und -transport am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald. „Dabei müssen wir Schritt für Schritt vorgehen, um die Anlage nicht zu überlasten und zu beschädigen.“

Am 15. Februar 2023 erreichten die Forscherinnen und Forscher einen weiteren Meilenstein: Erstmals gelang es ihnen, in der Anlage einen Energieumsatz von 1,3 Gigajoule zu erzielen. Damit haben sie den bisherigen Bestwert aus der Zeit vor dem Umbau (75 Megajoule) um den Faktor 17 gesteigert. Der Energieumsatz ergibt sich aus der eingekoppelten Heizleistung multipliziert mit der Dauer der Entladung. Nur wenn es gelingt, kontinuierlich große Energiemengen in das Plasma einzukoppeln und die entstehende Wärme wieder abzuführen, ist ein Kraftwerksbetrieb möglich.

Was ist Wendelstein 7-X?

Wendelstein 7-X ist ein experimenteller Stellarator, der im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald, Deutschland, betrieben wird. Es ist das weltweit größte Forschungsgerät seiner Art und dient der Erforschung der Kernfusion. Es stellt einen wichtigen Schritt in der Entwicklung von Fusionsreaktoren dar.

Das Hauptziel von Wendelstein 7-X ist es, die Eignung des Stellarator-Konzepts für einen künftigen Fusionskraftwerksreaktor zu demonstrieren. Im Gegensatz zu Tokamaks, die eine andere Art von Fusionsreaktoren darstellen, verwendet der Stellarator ein komplexes System von Magnetfeldern, um das Plasma stabil zu halten. Diese Magnetfelder werden durch eine einzigartige Anordnung von supraleitenden Magnetspulen erzeugt, die dem Gerät seine charakteristische, verdrehte Form verleihen.

Wendelstein 7-X - die größte Stellerator-Anlage der Welt voll animiert

Die Fusionsforschungsanlage Wendelstein 7-X im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald auf Basis von CAD-Daten. - Inhalt: Max-Planck-Institut für Plasmaphysik

Die Dauer der Plasmaentladung betrug acht Minuten

Die größten Wärmeflüsse fließen bei Wendelstein 7-X über besonders hitzebeständige Ablenkplatten, so genannte Divertor-Prallplatten. Sie sind Teil der Innenwand, die seit dem Umbau durch ein Netzwerk von insgesamt 6,8 Kilometern Wasserrohren gekühlt wird. Keine andere Fusionsforschungsanlage weltweit verfügt heute über eine derart umfassend gekühlte Wand.

Die Plasmaheizung besteht aus drei Komponenten: Der neu installierten Ionenheizung, der Neutralteilcheninjektionsheizung und der Mikrowellen-Elektronenheizung. Für den aktuellen Rekord war vor allem die Mikrowellen-Elektronenheizung entscheidend, da nur sie in der Lage ist, große Leistungen über Zeiträume von mehreren Minuten einzukoppeln. Der Energieumsatz von 1,3 Gigajoule wurde bei einer mittleren Heizleistung von 2,7 Megawatt und einer Entladungsdauer von über 480 Sekunden erreicht - auch das ist ein neuer Rekord für Wendelstein 7-X und einer der besten weltweit. Vor dem Umbau erreichte Wendelstein 7-X maximale Plasmazeiten von 100 Sekunden bei deutlich geringerer Heizleistung.

In wenigen Jahren, so der Plan, soll der Energieumsatz von Wendelstein 7-X auf 18 Gigajoule gesteigert und das Plasma dann für eine halbe Stunde stabil gehalten werden.

Max-Planck-Institiut für Plasmaphysik

Wie soll Kernfusion künftig Energie erzeugen?

Die Kernfusion gilt als eine der vielversprechendsten Technologien zur Energiegewinnung. Dabei wird Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen gewonnen. Im Gegensatz zur Kernspaltung, bei der schwere Atome in kleinere Teile gespalten werden, verschmelzen bei der Kernfusion leichte Atome miteinander.

Das bekannteste Beispiel für Kernfusion ist die Sonne. Dort verschmelzen Wasserstoffatome zu Helium und setzen dabei enorme Energiemengen frei. Ziel der Forschung ist es, diese Prozesse auf der Erde nachzuvollziehen und damit eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle zu erschließen.

Dazu müssen extrem hohe Temperaturen und Drücke erzeugt werden. Denn nur unter diesen Bedingungen können Atomkerne so stark miteinander wechselwirken, dass sie verschmelzen. Bei der Kernfusion entstehen keine radioaktiven Stoffe, sondern lediglich ein Heliumatom und ein Neutron als Abfallprodukte.

Bisher ist es allerdings noch nicht gelungen, mehr Energie zu erzeugen als verbraucht wurde. Dennoch sind viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zuversichtlich, dass diese Technologie in Zukunft zur Stromerzeugung genutzt werden kann.

In Europa arbeitet ein internationales Konsortium am Projekt ITER, einem Versuchsreaktor in Südfrankreich, der 2025 in Betrieb gehen soll. Dort sollen die bisherigen Erkenntnisse zur Kernfusion gebündelt und weiterentwickelt werden.

Was ist Kernfusion, warum wird daran geforscht und wie ist der Stand der Technik?

Kernfusion ist ein Prozess, bei dem zwei leichte Atomkerne zu einem schwereren Kern verschmelzen und dabei eine enorme Menge an Energie freigesetzt wird. Dieser Prozess findet auch in der Sonne und anderen Sternen statt und liefert ihnen Energie.

Forschung an der Kernfusion wird betrieben, weil sie das Potenzial hat, eine langfristige, nachhaltige und relativ umweltfreundliche Energielösung zu bieten. Im Vergleich zu herkömmlichen Energiequellen wie Kohle, Öl oder Kernspaltung (Fission) erzeugt Fusion weniger radioaktiven Abfall und basiert auf leichten Elementen wie Wasserstoff, die in großen Mengen verfügbar sind.

Der Stand der Technik in der Kernfusionsforschung ist fortgeschritten. Allerdings gibt es noch erhebliche Herausforderungen zu überwinden, bevor die Kernfusion als praktikable Energiequelle genutzt werden kann.

Eine dieser Herausforderungen ist die Plasmakontrolle. Es ist schwierig, ein stabiles, heißes Plasma über längere Zeiträume aufrechtzuerhalten. Es erfordert eine präzise Steuerung von extrem hohen Temperaturen und Druckbedingungen.

Energiebilanz: Eine Fusionsreaktion muss mehr Energie erzeugen als für ihren Betrieb benötigt wird, um nutzbar zu sein. Dieses Ziel, bekannt als 'Q > 1', ist bisher noch nicht im kommerziellen Maßstab erreicht worden.

Materialwissenschaftliche Herausforderungen: Die Materialien, die im Inneren eines Fusionsreaktors verwendet werden, müssen extremen Temperaturen und Strahlungsbelastungen standhalten können.

Wichtige Projekte in diesem Bereich sind ITER in Frankreich und der Wendelstein 7-X Stellarator in Deutschland. ITER ist ein internationaler Tokamak-Reaktor, der die technische und wissenschaftliche Machbarkeit der Kernfusion demonstrieren soll. Der Wendelstein 7-X Stellarator erforscht alternative Wege zur Erreichung stabiler Fusionsbedingungen.

Zukunftstechnologien verstehen!

Die Technik entwickelt sich so schnell weiter wie noch nie. Neue Technologien halten ständig Einzug in unserem Leben. Natürlich heißt das nicht, dass alte Technologien verschwinden werden, aber die Relevanz wird sich verschieben. Welche Technologien und Konzepte wichtiger werden, was der aktuelle Stand ist und worin Chancen für die Industrie liegen, lesen Sie in unserer Rubrik "Zukunftstechnologien" - hier entlang!

 

Einen Überblick über die relevantesten Zukunftstechnologien und deren industrielle Einsatzmöglichkeiten hat unsere Redakteurin Julia Dusold in diesem Kompendium für Sie zusammengefasst: "Das sind die wichtigsten Zukunftstechnologien".

 

Stefan Weinzierl, Chefredakteur bei mi-connect / verlag moderne industrie gmbh
(Bild: mi-connect)

Der Autor Stefan Weinzierl ist Chefredakteur bei mi-connect und hat sich auf Aerospace, Rüstung und Spezialmaschinen sowie alles Neue in der Industrie spezialisiert. Ursprünglich hatte er den Rat seines Opas befolgt und "was gscheids" gelernt, doch sein Talent, Storys spannend, hintergründig und verständlich zu erzählen, trieb ihn in den Journalismus. Stefan hat den Journalismus von der Pike auf gelernt: Praktikum, Volontariat, Redakteur, Chef vom Dienst und schließlich Chefredaktion im besten Fachverlag der Welt. Privat findet man ihn eher im Wald mit einem Bogen in der Hand oder am Grill – dann aber mit einem Steak.

 

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