Roboterhand greift einen Griff

Die Fortschritte in der Robotik erweitern das Einsatzspektrum der Roboter. Sie können nicht nur 'sehen', sondern auch schon 'greifen' wie mit einer menschlichen Hand. Lesen Sie, welche Anwendungen heute schon möglich sind. - (Bild: GB-robotics)

Vom Jahr 2010 bis 2019 hat sich die Zahl der weltweit installierten Industrieroboter mehr als verdreifacht und erreichte zuletzt eine Stückzahl von 381.000 neuen Einheiten per annum. Damit ist der operative Bestand an Industrierobotern in den Fabriken weltweit auf einen Rekord von 2,7 Million Einheiten gestiegen. Die International Federation of Robotics (IFR) hat fünf Top-Trends ausgemacht, die die industrielle Fertigung rund um den Globus derzeit prägen. „Die Industrieroboter befinden sich in einer Pole-Position, wenn es darum geht, die traditionelle Produktion mit Digitalstrategien zu verbinden“, sagt Susanne Bieller, Generalsekretärin des IFR und ergänzt: „Die Fortschritte bei den Robotertechnologien tragen zum Markterfolg bei.“

Auch Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer VDMA Fachverband Robotik + Automation, sieht weiteres Potenzial für den Robotereinsatz: „Der Einsatz von Robotern wird für Anwender aus den unterschiedlichsten Branchen immer attraktiver: Sie sind flexibler, geschickter und einfacher zu bedienen. Digital vernetzt bilden Roboter den Kern der industriellen Produktion der Zukunft."

Sie haben wenig Zeit? Hier kommen Sie zu den einzelnen Trends:

  1. Roboter lernen neue Tricks
  2. Industrieroboter arbeiten in intelligenten Fabriken
  3. Robotik für neue Märkte
  4. Roboter helfen beim Klimaschutz
  5. Roboter sichern Lieferketten für die Unternehmen

Trend: 1 Roboter lernen neue Tricks

Industrieroboter werden zunehmend mit Künstlicher Intelligenz (KI), Bildverarbeitung und anderen Sensorsystemen ausgestattet, um neue anspruchsvolle Aufgaben zu meistern. Ein Beispiel dafür ist das Sortieren von Abfällen auf einem Förderband, das bisher nur mit der Hilfe von menschlichen Augen und Händen erledigt werden konnte. Die neuen Roboter-Generationen sind einfacher installier-, progammier- und vernetzbar. Fortschritte bei den Kommunikationsprotokollen ermöglichen inzwischen die nahtlose Integration von Robotern in Automatisierungs- und Industrie 4.0-Strategien.

Praxiseinsatz: „Roboter so einfach bedienen, wie eine Kaffeemaschine“

Roboter be- und entlädt Werkzeugmaschine.
Roboter be- und entlädt Werkzeugmaschine. - (Bild: Pi4)
  • Wer? Voith Group, Maschinenbau, Heidenheim an der Brenz/Pi4
  • Was? Roboter übernimmt im Fertigungszentrum autonom das Be- und Entladen der Werkzeugmaschine.
  • Vorteile? Werker werden von repetitiven Routinearbeiten und schweren Hebearbeiten entlastet. Im Fertigungszentrum ist ein 3-Schichten-Betrieb möglich. Weiterhin: Kosteneinsparung, Leistungserhöhung und Effizienzsteigerung
  • Innovation: Die Bedienung des Roboters ist nicht komplizierter als bei einer Kaffeemaschine – für die Programmierung ist kein Spezial-Know-how erforderlich

Trend 2: Industrieroboter arbeiten in intelligenten Fabriken

Die Automobilindustrie ist Vorreiter für Smart-Factory-Lösungen und nutzt Industrieroboter statt Fließbänder, die die traditionelle Automobilproduktion seit mehr als 100 Jahren dominierten. Die Zukunft gehört dem vernetzten Zusammenspiel von Robotern und autonom fahrenden Fahrzeugen - oder besser gesagt autonomen mobilen Robotern (AMRs).

Ausgestattet mit modernster Navigationstechnik sind diese AMRs wesentlich flexibler als herkömmliche Fertigungsstraßen: Karosserien werden mittels fahrerloser Transportsysteme befördert. Außerdem können die Systeme von der Fließbandfertigung abgekoppelt und zu Montagestationen umgeleitet werden, an denen sich individuell ausgestattete Varianten montieren lassen.

Industrieroboter arbeiten zunehmend Hand in Hand mit dem Menschen

Selbst bei einem vollständigen Modellwechsel müssen nur die Roboter und AMRs neu programmiert werden, statt die gesamte Produktionslinie ab- und umzubauen. Gleichzeitig nimmt die Integration von Arbeitsplätzen mit Mensch-Roboter-Kollaboration an Fahrt auf und Roboter arbeiten zunehmend Hand-in-Hand mit Menschen zusammen, ganz ohne Schutzzaun.

Praxiseinsatz: „Roboter arbeiten in der Matrix“

Techniker steuert einen mobilen Roboter über ein Tablet
Mobile Roboter sind in der Matrix im Einsatz. - (Bild: Kuka)
  • Wer? Webasto, Automobilzulieferer/Kuka
  • Was? Robotereinsatz in einer der modernsten Produktionsanlagen für Batteriesysteme: Batteriepacks aus dem Webasto Werk in Schierling - Abkehr von der Linie, denn Roboter sind in der Matrix-Produktion im Einsatz; Nutzung von mobilen Robotern in der Smart Factory.
  • Vorteile? Über fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) werden die benötigten Batteriekomponenten in die einzelnen Produktionsstationen transportiert. Dabei dient das FTF auch als eine Art zentraler Supermarkt, indem es in seitlich angebrachten Schubladen beispielsweise Schablonen als Sicherheitsinstrumente und Platzierungshilfe für die manuellen Bearbeitungsschritte der Werker mitliefert.
  • Innovation: Die Anlage ist als Multi-Product-Line ausgelegt und ermöglicht die Produktion unterschiedlicher Batterietypen. Jedes Batteriepack durchläuft die systematisch verketteten Produktionsprozesse, die teils manuell, teils automatisiert durchgeführt werden. Die neue Anlage ist nicht nur platzsparend, sondern auch transparent: sie bietet Webasto den Überblick über Prozessdaten wie Drehmomente, Messwerte von elektrischen Tests sowie Werte zur Überprüfung der Dichtigkeit der einzelnen Module.

Trend 3: Robotik für neue Märkte

Die Durchbrüche bei der Vernetzung tragen dazu bei, dass Roboter vermehrt in Fertigungssektoren eingesetzt werden, die Automation erst kürzlich für sich entdeckt haben. Dazu zählen beispielsweise die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, Textilindustrie sowie Holzverarbeitungs- und Kunststoffwirtschaft.

Die fortschreitende digitale Transformation wird zu völlig neuen Geschäftsmodellen führen, da die Produzenten leichter denn je diversifizieren können. In der smarten Fabrik lassen sich verschiedene Produkte im schnellen Wechsel nacheinander auf derselben Anlage montieren - die starre traditionelle Fertigungsstraße hat bald ausgedient.

Praxiseinsatz: „Roboter helfen im Kunststoffwerk“

Automatische Etikettierung und Barcodierung durch einen Roboter
Roboter etikettiert Kunststoffbehälter. - (Bild: OnRobot)
  • Wer? Bito, Lagertechnik/Hahn Robotics
  • Was? Automatische Etikettierung und Barcodierung von über 250.000 Kunststoffbehältern pro Jahr: Bito-Lagertechnik unterstützt die Auslieferung von gekühlten COVID19-Impfstoffen in Mehrwegbehältern (MB) mit Thermo-Isoliereinsatz und Hochleistungs-Transportboxen von Bito-Lagertechnik und Tec4med Life Science GmbH
  • Vorteile? Während der Mitarbeiter zuvor die Kisten manuell aufnehmen, zum Gerät tragen und anschließend überprüfen musste, wird ihm diese Aufgabe vom Robotersystem abgenommen. Der Arbeitsplatz des Mitarbeiters bleibt durch das System weiterhin erhalten. Er nimmt jetzt jedoch die Rolle des Anlagenbedieners ein und belädt die Anlage mit Kisten und entnimmt die fertigen Kisten zur Weiterverarbeitung. In der Zwischenzeit kann der Mitarbeiter auch andere Aufgaben in der Produktion betreuen oder die Prozesse überwachen.
  • Innovation: Der Roboter arbeitet mit Hilfe von Kamerasystemen. So wird es möglich, die sehr verschiedenen Behälter in unterschiedlichsten Größen korrekt zu identifizieren und im Anschluss richtig zu etikettieren. Für den Kunden wurde zusätzlich eine variable Programmierung eingerichtet. Das heißt, dass die Produktionsparameter jederzeit neu eingestellt werden können, um neue Produktvarianten hinzuzufügen.

Trend 4: Roboter helfen beim Klimaschutz

Die Anforderungen an die Unternehmen in der Industrie, künftig möglichst CO2-neutral zu produzieren, fördert Investitionen in moderne Robotertechnologie. Diese arbeiten energieeffizient und reduzieren mit ihrem Einsatz unmittelbar den Energieverbrauch der Produktion. Aufgrund ihrer Präzisionsarbeit wird zudem weniger Ausschuss produziert, was sich positiv auf Ressourceneinsatz und Output auswirkt.

Darüber hinaus sind Roboter auch bei der kosteneffizienten Produktion von Anlagen für erneuerbare Energien im Einsatz. Dazu zählt beispielsweise die Herstellung von Photovoltaikmodulen oder Wasserstoff-Brennstoffzellen.

Praxiseinsatz: „Roboter arbeiten an Solarmodulen“

Techniker bei der Endkontrolle von Photovoltaik-Panels
Erste auch durch Roboter vollständig integrierte Solarfabrik. - (Bild: RCT Solutions)
  • Wer? Solarfabrik (Türkei)/RCT Solutions GmbH
  • Was? Robotereinsatz in einer 'Solarfabrik Industrie 4.0'
  • Vorteile? Smart production (hoher Automatisierungsgrad, Machine Learning, OEE, Industrie 4.0); hohe Qualität; reduzierte Produktionskosten und dadurch höhere Wettbewerbsfähigkeit
  • Innovation: Die Fabrik ist die erste und einzige vollständig integrierte Fabrik der Welt, die alle Phasen der Herstellung von Solarmodulen, einschließlich F & E unter einem Dach vereint.

Trend 5: Roboter sichern Lieferketten für die Unternehmen

Die Pandemie hat Schwächen in den globalisierten Lieferketten sichtbar gemacht. Für Hersteller besteht jetzt die Möglichkeit, Versorgungswege mit einer völlig neuen Perspektive zu denken. Wenn Automatisierung die Produktionsbedingungen angleicht, gewinnen Hersteller eine neue Flexibilität, die in Hochlohnregionen wie den meisten Ländern der Europäischen Union, Nordamerika, Japan oder Südkorea bisher vielleicht nicht zur Verfügung stand. Die Automation mit Robotern bietet Produktivität, Flexibilität und Sicherheit.

Wahrscheinlichkeit für steigenden Robotereinsatz ist sehr hoch

„Die Fortschritte bei den Robotertechnologien tragen zu einem steigenden Robotereinsatz bei", sagt Susanne Bieller. „Die COVID-19-Pandemie hat selber keine neuen Trends ausgelöst, aber sie hat den Einsatz von Robotik über die etablierte Praxis hinaus beschleunigt. In dieser Hinsicht erweist sich die Pandemie als die größte Triebkraft für Veränderungen in der Industrie."

Praxiseinsatz: „Roboter montieren LED-Lichteinheiten“

SCARA-Roboter kann LED-Lichteinheiten montieren.
SCARA-Roboter kann LED-Lichteinheiten montieren. - (Bild: Epson)
  • Wer? Bender & Wirth/Epson
  • Was? LED-Herstellung: Montage von LED-Lichteinheiten mit SCARA Roboter und Vision-Unterstützung. Dabei muss eine hohe Varianz in den verbauten Teilen ermöglicht werden
  • Vorteile? Reshoring: Die verarbeitende Industrie holt ihre mittlerweile rund 20 Prozent im Ausland aufgebauten Kapazitäten wieder zurück.
  • Innovation: Preiswerte Automation eines bis dahin händischen Prozesses

Die Chance für die Unternehmen ist hoch, durch den vermehrten Einsatz von Industrierobotern der Hersteller - egal ob von Kuka, ABB Robotics, Universal Robots, Fanuc oder anderen Herstellern - mindestens einen der genannten Vorteile zu erreichen.

Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer VDMA Fachverband Robotik + Automation
Patrick Schwarzkopf, VDMA. - (Bild: VDMA)

Der Einsatz von Robotern wird für Anwender aus den unterschiedlichsten Branchen immer attraktiver: Sie sind flexibler, geschickter und einfacher zu bedienen. Digital vernetzt bilden Roboter den Kern der industriellen Produktion der Zukunft“, sagt Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer VDMA Fachverband Robotik + Automation.

Einer dieser Roboter könnte schon bald Ihr neuer Kollege sein!

Bauarbeiter bedient Roboter
Überkopf bohren - leichter mit Robotern! Ein neues Roboter-System von Hilti macht's möglich. (Bild: Hilti)

Aufgepasst Handwerker! Einer dieser 5 Roboter könnte schon bald Ihr neuer Kollege sein. Wie die Neu-Entwicklungen den Arbeitsalltag erleichtern, lesen Sie hier.


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