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Je höher der Turm, desto konstanter bläst der Wind. Schwachwindanlagen eignen sich für eher windarme Regionen im Süden Deutschlands. - (Bild: Siemens)

Der technische Fortschritt seit dem Aufkommen der ersten ernstzunehmenden Windenergieanlagen vor rund 20 Jahren ist bemerkenswert: Damals leisteten die typischen Anlagen bei einem Rotordurchmesser von 43 m gerade einmal 600 Kilowatt. Wie kam es zu diesen riesigen Dimensionen?

Ein starker Trend im Onshore-Bereich sind Schwachwindanlagen. Um diese rentabel und effizient betreiben zu können, werden sehr große Rotoren und hohe Türme benötigt. Sie können auch in relativ windarmen Regionen beispielsweise in Bayern oder Baden-Württemberg sinnvoll eingesetzt werden.

Siemens setzt auf Schwachwindanlagen

Auch die Windenergiesparte des Siemens-Konzerns setzt künftig verstärkt auf Schwachwindanlagen. Erst jüngst wurde eine Anlage mit einem Rotordurchmesser von 152 m und einer Turmhöhe von bis zu 165 m vorgestellt.

"Mit zunehmender Turmhöhe bläst der Wind konstanter. Große Turmhöhen verbessern deshalb insbesondere bei Schwachwindanlagen die Effizienz eines Windkraftwerks", bestätigt ein Mitarbeiter des Unternehmens den Trend zu riesigen Anlagen. Bei den Türmen selbst kommen überwiegend Hybridbauweisen zum Einsatz, bei denen die unteren Segmente aus Beton und die oberen aus Stahlrohr gefertigt sind.

Hinsichtlich der Konstruktionsweise des Maschinenraums gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird der Generator direkt angetrieben oder ein Getriebe zwischengeschaltet.

Onshore-Anlagen mit Getriebe von Vorteil

"Bei den Onshore-Windenergieanlagen sind Anlagen mit Getriebe leicht im Vorteil. Sie kommen seit rund dreißig bis vierzig Jahren zum Einsatz und sind sehr ausgereift", berichtet Prof. Andreas Reuter, Institutsleiter am  Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES). Das Getriebe wird gebraucht, um die relativ niedrige Drehzahl des Rotors in eine für den Generator brauchbare Drehzahl zu übersetzen.

Bei einer großen Anlage dreht der Rotor mit etwa zwischen 10 und 12 Umdrehungen pro Minute, der Generator benötigt dagegen eine Drehzahl von rund 1 500 Umdrehungen pro Minute.

Anfang der 1990er-Jahre hat dann die Firma Enercon einen direkt angetriebenen Generator entwickelt. "Damit entfallen viele bewegte Teile, was sich günstig auf Lebensdauer und Wartung auswirkt", so Reuter.

Die direktangetriebenen Generatoren hätten aber einen gravierenden Nachteil: Sie werden mit zunehmender Kapazität schnell groß und schwer. Bei Generatoren mit Getriebe ist die Leistungsdichte deutlich höher und deshalb kommen sie bei Onshore-Anlagen überwiegend zum Einsatz.

Offshore mit Direktantrieb

Offshore sieht das etwas anders aus. Hier zahlt sich die weitgehende Wartungsfreiheit der Direktantriebe besonders aus, denn die Anlagen im Meer sind deutlich schlechter zugänglich und jede Wartung ist extrem aufwendig. Kleinste Probleme können dann massive Auswirkungen haben.

Laut Reuter gibt es aber bei den direktangetriebenen Generatoren einige vielversprechende Weiterentwicklungen: Permanenterregte Generatoren seien deutlich kompakter und das Unternehmen Siemens versuche gerade, diese Antriebe im Offshore-Bereich zu etablieren. Grundsätzlich sei die Akzeptanz von direkt angetriebenen Anlagen im Offshore-Bereich sehr groß. Dazu komme, dass die Getriebebauer bei sehr leistungsstarken Anlagen mit einer Kapazität von 6–8 Mega-Watt an ihre Grenzen stoßen.

Strom ab der ersten Rotorumdrehung

Zwei Siemensmitarbeiter montieren etwas an einem Rotorblatt
Die Produktion von Windkraftanlagen hat sich gewandelt. - (Bild: Siemens)

Ein Sprecher der Siemens AG bestätigt den Trend hin zu Direktantrieben: "Durch den Verzicht auf viele bewegte Teile reduzieren sich die Wartungskosten und zudem sprechen diese Anlagen schneller auf den Wind an. Unser Direktantrieb mit Permanentmagnetgenerator liefert ab der ersten Rotorumdrehung sofort Strom." Dagegen habe eine Getriebeanlage viel mehr bewegte Teile, die erst beschleunigt werden müssen.

Ein weiterer Vorteil der Direktantriebe ist die bessere Zugänglichkeit des Maschinenhauses. "Man kann das Maschinenhaus so gestalten, dass die einzelnen Komponenten besser zugänglich sind. Bei einer Getriebeanlage füllt der Antriebsstrang das Maschinenhaus weitgehend aus", so der Sprecher weiter.

Dagegen setzt Wettbewerber General Electric zumindest im Onshore-Bereich auf Anlagen mit Getriebe. Als größten Vorteil nennt Klaus Rogge, President & CEO Onshore Wind bei GE Renewable Energy, einen deutlichen Gewichts- und damit Kostenvorteil. "Das EEG 2017 schreibt vor, dass die Projekte mit den günstigsten Energieerzeugungskosten den Zuschlag bekommen sollen. Getriebeanlagen sind daher im Vorteil, da die Stromgestehungskosten bei ihnen niedriger sind", erklärt Rogge.

Nordex setzt auf Anlagen mit Getriebe

Die Firma Nordex setzte von Anfang an auf Windenergieanlagen mit Getriebe. "Durch das Getriebe haben unsere Anlagen einen Freiheitsgrad mehr und die Rotordrehzahl lässt sich einfacher anpassen, als bei Anlagen mit Direktantrieb", erklärt Nils Lehming, Senior Product Manager bei der Nordex Energy GmbH.

Dies sei mit Blick auf die Geräuschemission ein besonders in Deutschland wichtiger Faktor: "Je langsamer das Windrad dreht, desto geringer ist der Geräuschpegel. Anlagen mit Getriebe haben bei niedrigen Drehzahlen, die bei schallreduziertem Betrieb gefahren werden, einen höheren Wirkungsgrad", weiß der Experte. Auch in Zukunft setzt sein Unternehmen weiter auf Anlagen mit Getriebe.

Als weiteren Trend sieht Lehming das Condition Monitoring. Bereits ab Werk verfügen Windenergieanlagen von Nordex über mehr als einhundert Sensoren. Diese werden für die Zustandsüberwachung der Anlagen benötigt. Optional bietet Nordex das Condition Monitoring an, wobei die Anlagen über weitere Sensoren verfügen. Wählt der Kunde diese Option, so wird unmittelbar nach der Inbetriebnahme der Anlage ein 'Fingerabdruck' der Anlage genommen, der als Referenz für künftige Analysen dient.

"Der Neuzustand nach der Übergabe der Anlage an den Kunden ist der Idealzustand. Alle Teile laufen einwandfrei. In regelmäßigen Abständen wird der aktuelle Zustand mit diesem Urzustand online verglichen. Abweichungen beispielsweise im Schwingungsverhalten einzelner Bauteile oder bei der Partikelanzahl im Öl deuten auf einen erhöhten Verschleiß hin. Es kann dann mit einer gewissen Vorlaufzeit beispielsweise ein Serviceeinsatz bei Windstille geplant werden", erklärt Lehming. So deute beispielsweise eine verschobene Frequenz auf einen sich anbahnenden Lagerschaden hin.

Anlagen für Schwachwind

Sein Unternehmen garantiere bei der N131 mit 3 Megawatt Leistung einen Schallwert von 104,5 Dezibel. "Zum Zeitpunkt der Markteinführung dieser Anlage lagen unsere Marktbegleiter bei 106 oder 107 Dezibel. Mittlerweile haben sie über Anbauteile an den Rotorblättern nachgezogen", weiß Lehming.

Nordex arbeitet bei seinen Anlagen kontinuierlich an der aerodynamisch optimierten Auslegung des Rotorblatts. Dazu gehören auch Bemühungen, die Rotordrehzahl möglichst gering zu halten. "Unsere Anlage N131 ist speziell für Schwachwind ausgelegt und wir konnten die Blattspitzengeschwindigkeit in einem Bereich mit besonders niedriger Schallemission halten", berichtet Lehming.

Das Problem sind dabei kleine Luftwirbel, die an der Hinterkante des Rotorblatts entstehen. Es gilt dann, diese kleinen Turbulenzen abzulenken mit sogenannten 'Serrations'. Erklärtes Ziel seines Unternehmens war es, auch bei den jetzt eingeführten leistungsstärkeren Anlagen unter 105 Dezibel zu bleiben.

Aktuell gibt Nordex die Lebensdauer seiner Windenergieanlagen mit zwanzig Jahren an. "Wir untersuchen gerade die Auslegung der Anlagen auf eine Einsatzdauer von mehr als zwanzig Jahren", berichtet Lehming. Diese Bemühungen seien allerdings nicht ganz so einfach, weil eine längere Lebensdauer die Investitionskosten in die Höhe treibe.

"Diese Kosten dürfen den Vorteil einer längeren Betriebsdauer nicht 'auffressen', da die längere Lebensdauer dann finanziell keinen Sinn ergeben würde. Es gilt vielmehr, die richtige Balance zu finden und diese Abstimmung machen wir in unserem Unternehmen gerade", bilanziert Lehming.

Siemens: Die Digitalisierung der Windenergie ist auf dem Vormarsch

Der Trend zur Digitalisierung lässt sich am Beispiel einer Onshore-Windenergieanlage im Gebirge erklären: Dabei ist jede einzelne Windturbine unterschiedlichen Windbedingungen ausgesetzt. Ziel ist unabhängig von der Windrichtung ein möglichst hoher Energieertrag.

Dabei kann es passieren, dass zwei Windenergieanlagen in einer Richtung zum Wind stehen und es daher zu Abschattungseffekten der hinteren Windenergieanlage kommt. Bei einer digitalen Ansteuerung kann mit einem optimierten Anstellwinkel der Flügel des Windrads und einer optimalen Ansteuerung des Generators dieser Effekt minimiert werden.

"Eine solche Software für den optimalen Ertrag unabhängig von den jeweiligen Bedingungen ist bei uns gerade in Entwicklung", heißt es dazu aus dem Hause Siemens. Ziel ist eine selbstlernende Software, welche die Ansteuerung jeder einzelnen Windturbine individuell an den Standort und die jeweiligen Windbedingungen anpasst. Die Windenergieanlage optimiert sich dann selbstständig anhand jeweiliger meteorologischer Bedingungen und des aktuellen Betriebszustands.

Eine solche Anlage produziert bei allen Windbedingungen den optimalen Energieertrag. Darüber hinaus sind alle Windturbinen von Siemens mit Sensoren ausgestattet, deren Informationen zentral gesammelt und ausgewertet werden. Kunden, die die sogenannte 'Remote Diagnostic' im Dienstleistungsvertrag buchen, können ihre Anlagen permanent überwachen lassen.

Besonders interessant ist diese Option in Hinblick auf Wartungen und Reparaturen: Vibrationen an Hauptlagerwelle, Getriebe oder Generator werden permanent aufgezeichnet. Die spezifischen Vibrationskurven können automatisch mit den in einer Datenbank abgelegten Mustern verglichen werden. Die Zuordnung ermöglicht eine genaue Diagnose, falls Schäden auftreten.

So lassen sich viele Fehler online beheben oder genaue Prognosen erstellen, wie lange die Anlage noch ohne einen Ausfall laufen wird. Dadurch kann die Anlagenwartung so geplant werden, dass kein außerordentlicher Serviceeinsatz erforderlich ist. Diese vorausschauende Wartungsplanung steigert die Effizienz der Anlagen und spart Kosten.

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