Optisches Messverfahren Topometric

Optische Messverfahren wie hier von Topometric sind im Maschinenbau beispielsweise in der Qualitätssicherung auf dem Vormarsch. (Bild: Topometric)

Optische Messtechnik hat in der Zwischenzeit die Genauigkeit der taktilen Verfahren erreicht. Welche Methode also wird in Zukunft im Maschinenbau genutzt? Darauf kann es nur eine Antwort geben: Es kommt darauf an. Denn beide Messmethoden, also klassische taktile als auch berührungslose Messverfahren, sind wichtig und aus dem industriellen Alltag nicht wegzudenken.

„Wenn man taktile mit optischer Messtechnik vergleicht, tut man beiden unrecht“, ist deshalb Dr. Daniel Carl, stellvertretender Institutsleiter und Abteilungsleiter Produktionskontrolle beim Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM, überzeugt. Zumal es sich um zwei Technologien handelt, die viele unterschiedliche Verfahren beinhalten.

Carl definiert: „Die taktile Messtechnik reicht vom einfachen handgehaltenen Messschieber für zehn Euro über Koordinatenmessmaschinen für mehrere hunderttauschend Euro bis hin zum Rasterkraftmikroskop, das einzelne Atome ‚ertasten‘ kann.“ Optische Messtechnik fange bei einfachen Kameras mit Bildauswertung an, gehe über Laserlichtschnittsensoren für um die zehntausend Euro bis hin zu interferometrischen Verfahren im Subnanometerbereich für mehrere hunderttausend Euro. Die Messaufgabe und der geforderte Automatisierungsgrad der Messung bestimmen, was sinnvoll ist. So spielt die optische Messtechnik ihre größten Vorteile – Schnelligkeit und flächenhafte Messung – bei einem hohen Grad an Automatisierung aus.

Was ist optische Messtechnik?

Optische Messtechnik ist die Erfassung der Oberfläche eines Objektes ohne jegliche Berührung mit Hilfe von Licht. Die Systeme arbeiten mit optischen Sensoren. Die Technologie nutzt dabei Physik und erfasst über die Absorption und Reflexion des Lichts ganze Flächen, nicht nur Messpunkte.

Professor Mathias Rudolph, Inhaber der Professur Industrielle Messtechnik an der Fakultät Ingenieurwissenschaften der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) in Leipzig, ergänzt: „Insbesondere bei Form- und Lageabweichungen sind die berührungslosen Messverfahren dank hoher Messgeschwindigkeit deutlich wirtschaftlicher.“ Das gelte sowohl für optische Verfahren wie die Lasertriangulation als auch für induktive und kapazitive Verfahren auf Basis von Wirbelstrom oder Pneumatik. Für taktile Messverfahren spreche hingegen die nahezu unmittelbare Erfassung, die letztlich zu einer höheren Genauigkeit führe, vor allem bei Welligkeits- und Rauigkeitsmessungen.

Berührungslos messen schont und macht Tempo

„Optische Sensoren messen empfindliche oder weiche Bauteile, ohne diese zu berühren und dadurch zu beschädigen oder zu zerkratzen“, hält Dr. Evelin Arnold, Verkaufsleiterin bei Hexagon, für den wesentlichen Vorteil optischer Verfahren. Flächige optische Sensoren ermöglichten darüber hinaus eine schnellere Erfassung von Oberflächendaten und einen höheren Messdurchsatz.

Einige optische Verfahren wie chromatisch-konfokale Weißlicht-Sensoren erreichten Arnold zufolge mittlerweile annähernd die Genauigkeit taktiler Messsysteme, ohne deren bessere Zugänglichkeit bei geometrisch komplexen Bauteilen zu bieten. Allerdings: „Ein optischer Sensor kann das Zwei- bis Dreifache eines taktilen Sensors kosten.“

Das hohe Tempo sieht auch Dr. Christof Gorgels, Bereichsleiter Präzisionsmesszentren bei Klingelnberg, als größte Stärke der optischen Messtechnik: „Daher kommt sie bei uns in der Zahnradmessung für besonders langwierige Messaufgaben zum Einsatz.“ Gehe es mehr um Flexibilität, hätte taktile Messtechnik immer noch die Nase vorn. „Je nach Anwendung lässt sich mit einem einzigen Messtaster horizontal, vertikal, radial, innen und außen antasten. Mit einem Tasterwechsler wird die Flexibilität noch weiter erhöht.“

Warum nicht beides kombinieren? Genau das macht Klingelnberg mit der hybriden Messung, also dem schnellen Wechseln zwischen beiden Technologien innerhalb einer Messaufgabe. Gorgels Kollege Markus Finkeldey, zuständig für die Entwicklung von Präzisionsmesszentren: „Die hybride Messtechnik erlaubt, entweder mehr Bauteile oder mehr Features auf einem Bauteil in der gleichen Zeit zu messen, ein zunehmend wichtiges Kriterium in der Qualitätssicherung.“ Ziel sei es, die erhöhte Geschwindigkeit auch im produktionsnahen Umfeld mit höchster Genauigkeit zu realisieren.

Ein Mann der Praxis ist Maik Behrends. Der Teamleiter Messtechnik bei Bertrandt hat Messtechnik weltweit im Einsatz. Er meint: „Beim Thema Genauigkeiten haben nach wie vor die taktilen Systeme die Nase vorn. Die Aussage über Genauigkeiten bei optischen Systemen ist zudem meist sehr schwammig, da viel von Umgebung und Bedienung abhängt.“ Aber auch er bestreitet nicht, dass in Sachen Geschwindigkeit die optische Messtechnik im Vorteil ist. Die Investitionskosten seien mittlerweile annähernd vergleichbar, allerdings abhängig von Art und Größe der Maschine.

Dr.-Ing. Benjamin Montavon ist Oberingenieur am Lehrstuhl für Messtechnik und Qualitätsmanagement in der Produktion beim WZL Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen. Er sieht im Bereich der Koordinatenmesstechnik noch immer die taktile Messtechnik vorn. In der Oberflächenmesstechnik, also bei Rauheits- und Konturenmessungen, kämen hingegen beide Messtechniken gleichermaßen zum Einsatz. In additiven Fertigungsketten würden optische Messsysteme, die auch Inline ausgelegt werden können, bevorzugt.

Hybride Messverfahren im Kommen

Montavon blickt dabei in die Zukunft: „Hybride Verfahren werden vor allem im Bereich der Koordinatenmesstechnik weiter zunehmen.“ Ein Beispiel: Am WZL kombinierte man ein taktiles Koordinatenmessgerät mit einem Streifenlicht-Projektionssystem, um Blisks (Blade Integrated Disks) zu erforschen: „Durch die entwickelte Datenfusion kann die Messdauer im Vergleich zu aufwändigen Mehrlagenverfahren bei konkurrenzfähiger Genauigkeit signifikant verkürzt werden.“

Ein konkretes Beispiel, wo optische Verfahren deutliche Vorteile bringen, beschreibt Linda Boumediane, Vertriebsingenieurin bei Vicivision: „Für die Vermessung von zylindrischen, rotationssymmetrischen Teilen, haben sich optische Wellenmessmaschinen etabliert. Mit solchen CNC-gesteuerten Geräten lassen sich nahezu alle äußeren geometrischen Merkmale wie Durchmesser, Längen, Winkel, Radien, Gewinde, aber auch dynamische Merkmale überprüfen.“

Braucht ein taktiles System typischerweise zehn bis 15 Minuten Messzeit, ist eine optische Messung innerhalb weniger Sekunden erledigt – Voraussetzung für eine 100-Prozent-Kontrolle. Gespart wird zumeist auch der Weg in den Messraum. Zwar stört die optischen Verfahren eine verschmutzte Oberfläche mehr als die taktilen, aber einem Einsatz in rauer Fertigungsumgebung stehe laut Boumediane nichts entgegen. Sie sind unempfindlich gegenüberVibrationen, Öl und Schmutz. Ein weiteres Argument: Maßabweichungen lassen sich unmittelbar in der Fertigung feststellen, sodass früher in den Produktionsprozess eingegriffen werden kann. Das senke Ausschuss und Kosten.

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Oberflächen durch Messtechnik komplett erfassen

Auch laut Andreas Bucher, Produktmanager für Bridge Systems im Zeiss-Unternehmensbereich Industrial Quality Solutions, spricht die Geschwindigkeit für optische Verfahren, insbesondere wenn eine hohe Datendichte gewünscht und die Genauigkeit nicht höher als im Hundertstel-Millimeter-Bereich erforderlich ist: „Egal, wie viele Messstellen unter höchster Sorgfalt taktil erfasst werden: Man wird nie die komplette Oberfläche des Messobjekts erfassen können – und genau das ist die Überlegenheit der optischen Messtechnik.“ Nur diese liefere ein digitales Abbild des gesamten Messobjekts und so auch detailliertere Qualitätsinformationen als die taktile Messtechnik.

Bucher benennt aber auch Grenzfälle. Hochglanzbauteile im Motorenbau zum Beispiel, spiegelnde Fräsbauteile oder transluzente Bauteile aus Glas, Kunstharz oder sehr hellem Kunststoff stellten eine Herausforderung dar: „Eine Messung mit Licht funktioniert auf lichtdurchlässigem, reflektierendem oder spiegelndem Material nicht oder nur eingeschränkt – es sei denn, man nutzt einen Workaround: das Einsprühen des Messobjekts mit einem speziellen Scanningspray vor der Messung.“ Da punkte dann wieder die taktile Messtechnik, genauso wie bei tiefen Bohrungen oder der Erfassung von schlecht erreichbaren Zylindern.

Thorsten Höring, Produktmanager bei Mahr, nennt zunächst einmal die Vorteile von 2D-Messsystemen. Sie seien gut verfügbar, meist günstig, klein und tragbar. Ihr Flexibilität gestatte die Messung kleiner bis großer Werkstücke auch an schwierigen Stellen, Positionen oder Bohrungen. Sie seien einfach zu bedienen und zu implementieren. Außerdem spreche die weltweite Rückverfolgbarkeit für sie.

Rauheits- und Welligkeitsmessungen
Rauheits- und Welligkeitsmessungen sind Bestandteil der Qualitätsprüfung: Die 3D-Abtastung mit Hilfe von optischen Messgeräten stellt inzwischen eine gute Alternative zur taktilen zweidimensionalen Messung dar, beispielsweise, um die Rauheit von Feinblechen zu prüfen. (Bild: Mahr)

Wann immer es aber darum geht, Oberflächenstrukturen besser zu verstehen und die Profilinformation allein nicht ausreicht, komme die 3D-Messung ins Spiel. Höring: „Mit dem Aufkommen neuer Prozesse und Materialien sowie einem besseren Verständnis von Beschichtung, Bindung, Schmierung, Reibung und mehr wird die Oberflächenstruktur zu einem immer wichtigeren Element, um Funktion und Langlebigkeit zu garantieren. Berücksichtigt man, dass Strukturen auf hochmodernen Fertigungsflächen selten richtungsorientiert ausgerichtet und stattdessen stochastisch verteilt sind, werden Nutzen und die Notwendigkeit von 3D-Werten deutlich.“

3D-Messungen seien äußerst nützlich, wenn funktionale Strukturen wie Erhebungen oder Vertiefungen und die Traganteile der Oberfläche zu bestimmen sind. Typischer Anwendungsfall: die Oberflächenquantifizierung inhomogener und poröser Oberflächen wie Keramiken und Gusswerkstoffe. „Hochauflösende optische Oberflächenmesssysteme erzeugen eine materialunabhängige Topographiekarte, die hochdetaillierte Informationen über Höhe, Intensität und Farbe für jeden Messpunkt enthält. Dies liefert dem Bediener eine wirklichkeitsgetreue Darstellung komplexer Merkmale und bietet die größere statistische Sicherheit, die mit einer höheren Datendichte erreicht werden kann.“ Darüber hinaus lieferten 3D-Messsysteme Informationen zu Oberflächenfinish und Mikrogeometrie.

In der digitalen Welt angekommen: Messtechnik 4.0

Ob taktil oder berührungslos: In der digitalen Welt sind alle Verfahren längst angekommen. Dr. Arnold von Hexagon verweist darauf, dass alle Sensoren heute einheitlich in eine Messoftware eingebunden sein müssen, um diese dann in sogenannten Asset-Management-Systemen sinnvoll nutzen zu können. „Hierdurch kann beispielsweise die Verfügbarkeit des Maschinenparks optimiert werden. KI-basierte Systeme erlauben es zudem, Ausschuss zu prognostizieren sowie Prüfprozesse und Produktionskosten zu optimieren, Stichwort Machine Learning.

Leider scheint das Stefan Findeis, Abteilungsleiter Optische Messtechnik bei Topometric, zufolge in der Praxis noch nicht recht angekommen zu sein. Sollte es aber: „Die Themen Automatisierung, Vernetzung und Industrie/Messtechnik 4.0 sind wichtige Triebfedern bei der Weiterentwicklung.“ Datenbanksysteme und Schnittstellen können helfen, die Flut an Informationen sinnvoll und automatisiert zu nutzen. Topometric habe selbst automatisierte Messzellen entwickelt, um vor allem individuelle Inlinelösungen mit vollautomatischer Bestückung und Sortierung von Gut-/Schlechteilen durchzuführen. Dieser Trend nimmt laut Findeis zu.

VDMA Mess- und Prüftechnik
Integration von geometrischen Messsystemen wie Koordinatenmessgeräten, Form- und Oberflächenmessgeräten oder Vielstellenmessgeräten in Smart Factories mit OPC UA: Ein VDMA-Arbeitskreis definiert in Abstimmung mit der OPC-Foundation die „OPC UA Companion Specification für geometrische Messsysteme“. Ziel ist, Informationen für den Datentransfer von und zu geometrischen Messsystemen über eine einheitliche Schnittstelle, die von MES-Systemen oder anderen Datenverwaltungssystemen verstanden wird, nutzbar zu machen. (Bild: VDMA Mess- und Prüftechnik)

Erstaunlich: Sogar der Trend zum Home-Office hat Einfluss, wie Maik Behrends von Bertrandt meint. Er sieht aufgrund der Digitalisierung und zunehmender Home-Office-Zeiten optische Systeme im Vorteil, „da der Kunde einen Scan des Bauteils mit entsprechenden Messwerten erhält“. Bei den taktilen Systemen bekomme der Kunde hingegen oft nur Fähnchen mit Werten, die erst zu interpretieren seien.

Eine Herausforderung ist die bei optischen Verfahren anfallende Datenmenge: „Dies zieht meistens einen höheren Aufwand in der softwareseitigen Auswertung nach sich, erlaubt aber eine vollständigere Produkt-Dokumentation“, erklärt Dr. Matthias Rüther, Direktor des Grazer Instituts „Joanneum Research Digital“. Sie kann hilfreich sein, um spätere Reklamationen beurteilen zu können oder für eine weitere Produktionsoptimierung. Allerdings bedeute „die Speicherung eine Herausforderungen in der Archivierung sowie weitere Anforderungen an Metadaten aus dem überwachten Prozess, Prozesskontrolle und –Dokumentation sowie nachvollziehbare und validierte Messvorgänge“.

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