Single Pair Ethernet soll das derzeit gebräuchliche Industrial Ethernet ablösen beziehungsweise erweitern. Soweit herrscht Konsens. Doch ans Ende der Kabel gehört auch immer ein Steckverbinder. Genau um diesen herrscht ein Wettbewerb zwischen dem SPE Industrial Partner Network und der SPE System Alliance. Unterschiedliche Ansichten herrschen vor allem, wie wichtig es ist, mehr Ports auf gleichem Raum zu schaffen. Doch der Reihe nach.
Was ist überhaupt Single Pair Ethernet? Single Pair Ethernet ermöglicht die zunehmende Datenflut - meist durch mehr Sensoren - im Rahmen des IIOT ohne Schnittstellen bis in die unterste Feldebene zu handeln. Zudem glänzt es durch dünnere Kabel und kleinere Steckverbinder - und bietet Power over Data Line. Nur ein Adernpaar reicht bei der Verkabelung aus.
Verkabelung: SPE-Kanäle basieren auf nur einem Adernpaar - und kleineren Steckern
Single Pair Ethernet ist eine grundsätzliche Kommunikationsarchitektur auf Basis einheitlich standardisierter IP-basierter Kommunikation. "Klassisch funktioniert das Ethernet auf vier oder acht Adern. SPE ist eigentlich das Gleiche mit einem anderen Modulationsverfahren, das aber nur noch auf zwei Adern basiert. Daher sind die Einsatzmöglichkeiten, wie wir sie aus dem heutigen Ethernet kennen erst einmal grundsätzlich gegeben", beschreibt Simon Seereiner, Leiter Produkt-Management IE und SAI bei Weidmüller.
"Klassisch funktioniert das Ethernet auf vier oder acht Adern. SPE ist eigentlich das Gleiche mit einem anderen Modulationsverfahren, das aber nur noch auf zwei Adern basiert", sagt Simon Seereiner, Leiter Produkt-Management IE und SAI bei Weidmüller. - Bild: Weidmüller
Neue Möglichkeiten durch Single Pair Ethernet in industriellen Anwendungem
Das Industrial Ethernet werde durch die Integration neuer Applikationen erweitert, die durch SPE Ethernet-fähig werden. So können Applikationen, die früher Feldbus-basierend waren, nun dank SPE in das Industrial Ethernet integriert werden.
Deutlich kleinere, kompakte Bauformen seien im Vergleich zu bestehenden RJ 45-Systemen möglich ebenso wie Industrietauglichkeit "gleichermaßen wie wir das vom heutigen Rundsteckverbindersystem kennen", sagt Seereiner. Auch eine durchgängige Übertragungsperformance auf Basis IP-basierter Kommunikationsinfrastrukturen sei gegeben.
"Gleichzeitig baue ich durch die Zweiadrigkeit kleiner und habe auch nur zwei Kontakte. In Summe entstehen Kostenvorteile bezüglich heutiger bestehender Systeme", verdeutlicht Seereiner. Die Steckverbinder seien auch kleiner und mittlerweile genormt. Die Steckgesichter sind in der Normenreihe der IEC 63171 beschrieben.
Wo kommt die Single Pair Ethernet-Technologie her?
Die Technologie kommt aus dem Bordnetzwerk der Automobile. Denn die zunehmende Sensorik im Auto - man denke gerade an Autonomes Fahren - hat den Bedarf geweckt, eine kleinere und leichtere Bordeelektronik zu entwickeln - weniger Kabel und kleinere Steckverbinder - die auf Basis einheitlicher Standards miteinander kommuniziert. Dazu sind auch kleine und günstige Chips aufgebaut worden, erklärt Seereiner.
Durchgängige Kompatibilität durch Fast Ethernet
Kilian Schmale, Head of Industry Segment Management & Marketing bei Harting, sieht einen der großen Vorteile darin, dass die anstehenden Transformationen wie IIOT und Industrie 4.0 mit SPE beschleunigt umgesetzt werden können.
"Dabei gilt zu bedenken, dass dazu die Anzahl der notwendigen Sensoren steigt – und die müssen alle richtig kommunizieren können. Das geht eben mit SPE. Damit kann ich auch relativ kostengünstig im Vergleich zu heutigen Ethernet-Standards analoge Kommunikationswege und Bussysteme proprietärer Natur überflüssig machen. Ich brauche eine viel geringere Anzahl von Gateways und Übersetzern zwischen verschiedenen Protokollen", so Schmale.
"Mit Single Pair Ethernet kann ich auch relativ kostengünstig im Vergleich zu heutigen Ethernet-Standards analoge Kommunikationswege und Bussysteme proprietärer Natur überflüssig machen", sagt Kilian Schmale, Head of Industry Segment Management & Marketing bei Harting. - Bild: Harting
SPE-Standard bringt Durchgängigkeit
Einrichtung und Parametrierung auf der untersten Feldebene wären viel einfacher und es gebe nur noch eine Sprache sozusagen, "und diese Sprache ist Ethernet vom Sensor bis in die Cloud. Es gibt somit keine Medienbrüche mehr und klar zugewiesene IP-Adressen pro Netzwerkteilnehmer", stellt Schmale klar.
Wie läuft die Umstellung auf das Single Pair Ethernet in einer Brownfield-Anlage ab?
Wird die neue Technologie in einer bestehenden Anlage eingeführt, dann "könnte man beispielsweise eine Automobilanlage, die einen Golf 7 produziert, durch Single Pair Ethernet ergänzen. So gäbe es eine deutliche Minimierung der Gateways und die gesamte Sensorik könnte somit mittelfristig einheitlich IP basiert kommunizieren." Das sei das Ziel.
"Daraus ergibt sich natürlich ein Kostenvorteil, den ein Volkswagen hat, ein Trumpf bei seinen Maschinen oder BASF bei seinen Anlagen", verdeutlicht Seereiner. Der Druck sei somit im Markt entstanden, solch eine Technologie zu entwickeln.
'Power over Data Line'
Ein weiterer Vorteil des Single Pair Ethernet ist die Möglichkeit der Energieversorgung der angeschlossenen Geräte über das Kupferkabel. Denn auch eine Stromversorgung der SPE-Endgeräte ist möglich - und zwar mittels Power over Data Line (PoDL).
Standard der SPE Steckverbinder - Stromversorgung inklusive
Laut Seereiner gelte Standard-Ethernet IEEE 802.3 als Übertragungsmedium: "Das ist aber nur das Protokoll, jetzt reden wir noch nicht über Kabel oder Stecker. Beim 802.3 bp handelt es sich um Gigabit-Ethernet auf zwei Adern. IEEE 802.3 bu (Power over SPE) – damit kann man gleichzeitig 60 Watt übertragen. Beim IEEE 802.3 cg können zehn Mbit auf Größendistanz bis zu 1000 Meter übertragen werden. Das sind die Standards, an denen man sich justiert. Damit haben wir quasi die zehn Mbit, die 100 Mbit als auch die GigaBit entsprechend beschrieben."
Weidmüller erklärt Single Pair Ethernet
Steckverbinder auf dem Prüfstand: M8, M12, beide?
Inwieweit lässt sich nun beispielsweise das 'Harting-Steckgesicht' in einen Standard M8 integrieren - und ist diese Integrierung auch kodiert? Dazu Schmale: "Wir werden das 63171-6 definierte Steckgesicht in einen M12 einbauen, es als IP20 Stecker haben und es als IP65 M8 Snap-In Stecker haben." Das Steck-Interface bleibe immer gleich.
Dazu ergänzt Jonas Diekmann, technischer Redakteur bei Harting: "Der Stecker ist auch definitiv im Steckgesicht kodiert und kann somit nicht fälschlicherweise verbunden werden. Unsere Norm ist aktuell auch die einzige Norm, die M12-Gehäuse integriert. Das haben die Mitbewerber nicht. M8 ja, M12 nein", betont Diekmann. So würden in Zukunft SPE-Steckgesichter in M12-Gehäusen einen guten zahlenmäßigen Anwendungsschnitt in Automatisierungsumgebungen stellen. "Diese sind nur normkonform, wenn sie mit der IEC 63171-6-Schnittstelle bestückt werden", ergänz Diekmann.
Diese Aussage sieht jedoch nicht jeder als korrekt an, wie Tim Kindermann, Product Manager Data Connectors bei Phoenix Contact erklärt: "In dem aktuellen Entwurf (CDV) der IEC 63171-5 werden ebenfalls M12 SPE Steckverbinder beschrieben." Demnach gibt es wohl durchaus noch Klärungsbedarf.
Miniaturisierung der Steckverbinder
Hinsichtlich der Miniaturisierung biete die IEC 63171-2 und -5 laut Seereiner großes Einsparpotenzial. "Unser Steckgesicht ist so ausgelegt, dass ich - wo heutzutage ein RJ 45 ist - genau zwei Ports von Single Pair Ethernet einstecken kann. Ich habe demnach die Portdichte verdoppelt und damit deutlich mehr Bauraum. Baue ich demnach einen klassischen 5 Port Switch auf, dann kann ich bei gleicher Baugröße anstatt 5 Ethernet-Ports mit unserer Schnittstelle zehn unterbringen", rechnet Seereiner vor.
Stecker der Hersteller unterscheiden sich
Diekmann fügt hinzu: "Aufs Zehntel genau haben wir diese Analysen nicht gefahren. Die Baugröße ist zwar ein wichtiger Punkt, für den einen wichtiger als für den anderen – sie ist aber nicht maßgeblich. Denn wir integrieren unser SPE-Steckgesicht auch in weitere Rundsteckverbinder, um dort Stabilität im Markt zu geben. Und wenn ich mich entscheide einen M12-basierten SPE-Switch mit unserem Interface zu bauen, ist die Platzersparnis auf Seiten des Interfaces weg, denn ein M12 bleibt ein M12", stellt Diekmann klar.
"Wir integrieren unser SPE-Steckgesicht auch in weitere Rundsteckverbinder, um dort Stabilität im Markt zu geben", sagt Jonas Diekmann, technischer Redakteur bei Harting. - Bild: Harting
Markteinführung unklar, aber breite Streuung in der Automation vorgesehen
Bei der Markteinführung geht Seereiner davon aus, dass es "mit der IIOT-Verkabelung vergleichsweise schnell geht und wir in einem Zeitraum von vier bis sieben Jahren diese Technologie breit in den Markt streuen. Wir bewerben uns nun quasi bei großen Automatisierern." Wichtig bei der Realisierung eines breiten Marktstandards sei eine Entscheidung von großen Automatisierungsfirmen sowie Nutzerorganisationen.
"Wir glauben aufgrund der technischen Vorteile unseres Systems fest daran hier entsprechend berücksichtigt zu werden", zeigt sich Seereiner zuversichtlich.
Partnernetzwerk für Steckverbinder
Als Vertreter der SPE System Alliance, also dem Zusammenschluss führender Technologieunternehmen wie unter anderem Weidmüller, Phoenix Contact, Rosenberger und Telegärtner sagt Seereiner: "Diese Partner haben die Mission, Single Pair Ethernet als durchgängige Infrastruktur in den Markt zu bringen."
Mehr Infos über Single Pair Ethernet
Sie wollen mehr über Single Pair Ethernet erfahren? Lesen Sie auf unserem Schwesterportal KE next, wie es um den Markt von SPE bestellt ist, was bei der Umstellung auf SPE zu beachten ist und wie sich SPE auf Predictive Maintenance sowie Machine Learning auswirkt.
Das sagt der Wettbewerb
Angesprochen auf den Wettbewerb meint Schmale, dass unabhängig von diesem der nächste Schritt wie immer die Zusammenarbeit mit den Nutzerorganisationen a la PNO, ETG, ODVA etc. sei. Diese hätten natürlich auch ein gesteigertes Interesse an dieser Technologie.
"Denn sie wissen, wenn sich die neue Technologie bis ins Feld durchsetzt, dann sieht diese Welt auch ganz anders aus. Am Ende des Tages entscheidet natürlich die große, OEM-Weite der Automatisierungstechnik, welches Steckgesicht sich durchsetzt. Nur sagt diese Industrie auch, dass sie keine proprietären sondern standardisierte Lösungen haben will, um sich unabhängig von einzelnen Zulieferern zu machen. Da setzen wir mit unserem SPE Industrial Partner Network an", gibt Schmale zu verstehen.