Kennen Sie die Comics von Asterix und Obelix? Ein kleines gallisches Dorf als Bollwerk der Vernunft kämpft hartnäckig aber erfolgreich gegen die verrückte Welt der Römer. Das erinnert stark an die momentane Situation des deutschen Maschinenbaus: Die bodenständige und vernünftige Zunft der deutschen Maschinenbauer muss sich in einer Welt behaupten, die immer verrückter wird. An allen Ecken und Enden sind die Vorbeben deutlich zu spüren und angstvoll wartet man auf das Hauptbeben.
Auf den Punkt bringt dieses Gefühl Oliver Bludau: "Im Grunde wartet man täglich auf einen gehörigen Knall und mit jedem Tag wird auch das Risiko größer, dass es dazu kommt. Wir sind zwar grundsätzlich nie pessimistisch eingestellt, aber so wirklich trauen wir der aktuellen Entwicklung nicht. Es fühlt sich an, wie die berühmte Ruhe vor dem Sturm", sagt der Geschäftsführer der Berghoff Gruppe, einem höchst erfolgreichen Lohnfertiger. Dabei liegt er auf einer Linie mit Profis, wie dem DAX-Guru Dirk Müller und vielen anderen Auguren der Wirtschafts- und Finanzwelt. Der große Knall könnte also bald kommen, die Frage ist nur wo und wie genau.
Digitalisierung wird auf ein vernünftiges Maß reduziert
Der deutsche Maschinenbau ist also gut beraten, sich jetzt schon Gedanken über eine geeignete Krisenstrategie zu machen. Dabei sollte er nie seine Wurzeln vergessen und seine Sekundärtugenden nicht aufgeben: Präzision, Zuverlässigkeit und höchste Produktivität bei einem guten Service haben den deutschen Maschinenbau groß und weltweit zur Nummer Eins gemacht. Klar ist: Wenn der deutsche Maschinenbau sich hier Schwächen erlaubt, werden die Asiaten die lachenden Dritten sein.
Das ist die Pflicht und dazu kommt noch die Kür: Die Maschinen sind mittlerweile so ausgereift, dass im mechanischen Bereich immer weniger optimiert werden kann. Deshalb heißt der Zukunftstreiber im Maschinenbau Digitalisierung. Die richtige Zukunftsstrategie besteht also in mechanisch perfekten Maschinen, einem guten Service mit umfassender Kundenberatung und dem Ausschöpfen der mit der Digitalisierung verbundenen neuen Möglichkeiten. Dabei ist der Begriff 'Digitalisierung' zunächst eher nebulös und viele teilweise selbsternannte Experten geraten schnell ins Schleudern, wenn sie gefragt werden, was sie darunter konkret verstehen.
Digitalisierung im deutschen Maschinenbau
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Digitalisierung ist das Buzzword des Jahres
Deshalb reagieren einige Maschinenbauer mittlerweile etwas genervt auf das Thema: "Digitalisierung ist wahrscheinlich das Buzzword des Jahres. Man mag es kaum noch hören. Digitalisierung ist nur ein Trend neben vielen anderen, die zu verfolgen sind. Natürlich ist Digitalisierung relevant und bietet jedem Unternehmen enorme Vorteile. Doch genauso wichtig ist die analoge Transformation – das Besinnen darauf, dass es Menschen gibt, die miteinander interagieren und das ist am Ende immer analog. Uns ist die Innovation wichtiger und davon gibt es in Deutschland zu wenig", beschwert sich Oliver Bludau.
Auch Lothar Horn, Geschäftsführender Gesellschafter des Präzisionswerkzeugherstellers Paul Horn, stutzt das Thema Digitalisierung auf ein vernünftiges Maß zurecht: "Für uns stellt die Digitalisierung einen absoluten Mehrwert in der Prozess- und Wertschöpfungskette dar – intern wie auch bei unseren Kunden. Dennoch konzentrieren wir uns auf unsere Kompetenzen, die im Bereich Präzisionswerkzeuge liegen". Der Tenor der Branche: "Wir sind dran, aber das mit Augenmaß!".
Der Endverbraucher gibt das Tempo vor
Worum geht es also bei der Digitalisierung im Maschinenbau? Da ist zunächst der Endverbraucher als eigentlicher Treiber. Der fordert immer individuellere Produkte in immer ausgefalleneren Designs, die möglichst schnell geliefert werden sollen. Infolge dessen hat es die Industrie mit einer immer größeren Variantenvielfalt zu tun und muss dabei immer schneller liefern.
Das bedeutet: Kleine Losgrößen und trotzdem kurze Lieferzeiten. Es ist eine Herausforderung, dabei für eine konstante Auslastung der Maschinen zu sorgen. Eine Lösung ist die Vernetzung aller Fertigungskomponenten. Maschinen und Bauteile kommunizieren miteinander und künstliche Intelligenz sorgt auf Basis aller Daten dafür, dass alle Maschinen immer gut ausgelastet sind. Weiter geht es um vorbeugende Instandhaltung: Maschinen und Systeme verfügen über Sensoren und anhand dieser Daten lassen sich ungeplante Maschinenausfälle verhindern.
Die Gefahr bei der Digitalisierung: Diese Systeme könnten irgendwann so komplex werden, dass kein Mensch sich mehr auskennt und im Störungsfall schnell den Schaden beheben kann. Klar ist deshalb: Der Mensch darf nicht zum Sklaven hochkomplexer Systeme werden, die er nicht beherrscht.
So reagiert der Präzisionswerkzeughersteller Mapal auf die Flaute
Dr. Jochen Kress, Geschäftsführender Gesellschafter Mapal Dr. Kress KG: "Unabhängig von der derzeitigen Konjunktur haben wir uns strategisch so ausgerichtet, dass wir auf Schwankungen bestmöglich reagieren können. Weiterhin haben wir Mapal durch Diversifikation auf ein breites Fundament gestellt, um auf einen strukturellen Wandel reagieren zu können".
Digitalisierung: Warum die Voraussetzungen gut sind
Dabei sind die Voraussetzungen einer vernünftigen Umsetzung der Digitalisierung im deutschen Maschinenbau gut: Pragmatisches Denken kombinieren sich hier mit der Bereitschaft, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Mit Blick auf Technik und Service kann also festgestellt werden, dass die Branche die richtige Strategie verfolgt, um Wettbewerbsfähig zu bleiben und damit für eventuelle Krisen gut gerüstet zu sein.
Ein Damoklesschwert ist nicht zu vergessen: Der propagierte Siegeszug der Elektromobilität. Kommt der Elektroantrieb im großen Stil, reduziert sich der Anteil an Motorkomponenten erheblich. Das dürfte drastische Auswirkungen auf den deutschen Werkzeugmaschinenbau haben, denn jede zweite Werkzeugmaschine geht in die Automobilindustrie.
Aber auch hier gilt das Gleiche, wie beim Thema Digitalisierung: Da wird momentan eine Technologie gehypt, die unausgegoren ist. Denn von einer geeigneten Ladeinfrastruktur und dem flächendeckenden Einsatz regenerativer Energien sind wir weit entfernt.
Durch breitere Aufstellung besser für eine Krise gerüstet
Aber wie wird die Branche darauf reagieren, sollten die Aufträge tatsächlich einbrechen? Die ersten Anzeichen dafür gibt es bereits: „Wir gehen noch davon aus, dass es sich bei der momentanen Konjunkturflaute um einen zyklischen Abschwung handelt. Dennoch beobachten wir den Rückgang der Bestellungen mit großer Aufmerksamkeit. Ich halte aber nicht sehr viel davon, eine Krise herbeizureden“, berichtet Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW.
Besonderes Sorgekind ist die Automobilindustrie, die als das Zugpferd des deutschen Maschinenbaus schwächelt. Aber auch der Maschinenbau selbst ist betroffen. Wäre es da nicht die richtige Strategie, sich als Maschinenbauer hinsichtlich der Kundenbranchen breiter aufzustellen?
„Wir haben uns auf ein breiteres Fundament gestellt und engagieren uns stark in weiteren Branchen wie dem Werkzeug- und Formenbau oder der Luftfahrtindustrie. Mit unserem Start-up c-Com erschließen wir uns zudem neue Geschäftsfelder und bieten Lösungen für eine vernetzte Fertigung und Lieferkette“, berichtet Dr. Jochen Kress, Geschäftsführender Gesellschafter bei Mapal, einem großen Präzisionswerkzeughersteller, dessen größte Abnehmerbranche traditionell die Automobilindustrie ist.
So reagiert der Werkzeugmaschinenhersteller SW auf die Flaute
Reiner Fries, Geschäftsführer Vertrieb bei SW: "Als Geschäftsleitung und auch im Managementkreis haben wir die Krise vor zehn Jahren relativ gut gemeistert. Somit haben wir für die jetzige Situation schon eine gewisse Erfahrung, auch wenn diesmal die Gründe ganz andere sind. Ein wichtiger Punkt, den ich hier herausgreifen möchte ist, die Mitarbeiter informiert zu halten, dass die aktuelle Lage nicht so rosig aussieht, aber auch immer wieder die Chancen zu kommunizieren, die wir haben".
Andere Bereiche können die Rückgänge kaum kompensieren
Etwas skeptisch gibt sich Lothar Horn: "Die Bereiche Automotive und der allgemeine Maschinenbau entwickeln sich in Deutschland voraussichtlich rückläufig. Je nach Abhängigkeit ist das zum großen Teil nur schwer zu kompensieren. Dagegen verzeichnet der Bereich Medizintechnik sogar ein kontinuierliches Wachstum".
Vorsichtig optimistisch beantwortet Wilfried Schäfer die Frage: „Der Nachfragerückgang der beiden großen Abnehmerbranchen Automobilindustrie und Maschinenbau kann nicht komplett kompensiert werden. Dennoch gibt es Branchen wie die Medizintechnik, die Luftfahrtindustrie und auch die Elektronikindustrie, die nach wie vor gut laufen.“
Kurzarbeit als letzte Lösung
Und wenn alle Stricke reißen und es zur großen Krise kommt? Ist die Einführung von Kurzarbeit eine Option? Immerhin hat sie sich bei der letzten Krise 2009/2010 gut bewährt. "Eine gut geplante und kommunizierte Kurzarbeit ist ein sehr hilfreiches Mittel, Arbeitsplätze zu sichern. Wir konnten in der letzten Krise vermeiden, auch nur einen unserer hochqualifizierten Facharbeiter zu entlassen, was in der folgenden Aufschwungphase ein enormes Asset war", berichtet Oliver Bludau.
Noch ist es allerdings bei den meisten Maschinenbauern nicht so weit: "Kurzarbeit ist sicherlich ein probates Mittel, um konjunkturelle Schwankungen auszugleichen und alle Mitarbeiter an Bord zu halten. Ob wir diese Möglichkeit nutzen müssen, können wir im Moment noch nicht absehen", so Jochen Kress.
Auch Lothar Horn hält diese Option für eine gute Idee: "Kurzarbeit muss in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer eine Option sein. Sinn der Kurzarbeit ist ja, bei fehlenden Aufträgen, folglich fehlender Arbeit, Flexibilität für Unternehmen zu schaffen, ohne gleich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen zu müssen. Und das ist gut so. Wir planen aktuell nicht mit Kurzarbeit, aber je nach Wirtschaftsentwicklung muss auch dieses Szenario berücksichtigt werden".
So reagiert der Präzisionswerkzeughersteller Paul Horn auf die Flaute
Lothar Horn, Geschäftsführer der Paul Horn GmbH: "Wir setzen auf absolute Kundenorientierung. Wir müssen dafür sorgen, dass die Produktionen noch effizienter werden. Bereits heute machen 50 Prozent unserer Aufträge kundenspezifische Sonderwerkzeuge aus. Firmen, die bisher aufgrund voller Auftragsbücher keine Zeit hatten, etwas Neues auszuprobieren, sollten die freigewordenen oder freiwerdenden Kapazitäten nutzen, um sich für den nächsten Boom fit zu machen. Auch Prozesse sollten in diesem Zusammenhang zum Teil neu überdacht werden. Hierbei unterstützen wir unsere Kunden durch den Horn-Außendienst und durch unsere Anwendungstechnik".
Noch gibt es kaum Kurzarbeit in der Branche
Einen guten Überblick zum aktuellen Stand zum Thema Kurzarbeit gibt Olaf Wortmann, Konjunkturexperte beim VDMA: "Im Juni gab es in sieben Prozent der Unternehmen Kurzarbeit. Im September vergangenen Jahres war dem Ifo-Institut noch keine Kurzarbeit gemeldet worden. Allerdings ist sieben Prozent keine besorgniserregende Größe. Nicht selten gibt es in konjunkturell schwächeren Phasen auch Meldungen in prozentual zweistelliger Höhe".
So reagiert der Werkzeugmaschinenanbieter Hommel auf die Flaute
Gisbert Krause, Geschäftsführer der Hommel Gruppe: „Mit unserem breit gefächerten Produktportfolio und umfangreichen Dienstleistungen sind wir weiterhin sehr gut aufgestellt, um bestens auf die aktuellen Anforderungen unserer Kunden einzugehen. Dies zeigt sich nicht zuletzt in dem bisher soliden Geschäftsverlauf der Hommel Gruppe für das erste Halbjahr. Mit dieser Strategie, bestehend aus einem umfangreichen Produktportfolio, gepaart mit dem langjährigen Know-how in den Bereichen Service und Anwendung werden wir auch im weiteren Verlauf des Jahres optimale Fertigungslösungen anbieten“.
Kommt der große Knall bald?
Fazit: Der deutsche Maschinenbau konzentriert sich auf seine Kernkompetenzen mit guten Maschinen und gutem Service. Dabei behält er auch das Zukunftsthema Digitalisierung fest im Blick und reduziert es auf ein vernünftiges und pragmatisches Format. Er ist und bleibt allerdings den unwägbaren Schwankungen der Konjunktur voll ausgesetzt und kann dies nur zu einem kleinen Teil durch geeignete Maßnahmen kompensieren.
Die momentane Stimmung deutet derzeit auf einen konjunkturellen Einbruch hin. Wann und wie genau er kommt, ist völlig unklar. Treiber der Konjunktur ist derzeit noch der Endverbraucher. Und der konsumiert weiter fleißig. Dies allerdings mit zunehmend schlechten Gewissen, denn nachhaltig ist dieses Verhalten keineswegs. Würden alle Menschen der Welt so viel, wie die Deutschen konsumieren, bräuchten wir bekanntermaßen drei Erden. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.
Gleichzeitig ist immer mehr Geld im Umlauf, dass nie wirklich erwirtschaftet wurde. Die Zentralbanken fluten den Markt weiter mit billigem Geld und kaufen Staatsschulden munter einfach auf. Es ist ein Wunder, dass diese Politik schon so lange gut geht. Die logische Konsequenz wäre eine saftige Inflation. Solange diese Politik aber gut geht, werden die Notenbanken sie weiter verfolgen. Es könnte nur sein, dass es irgendwann für eine Kehrtwende zu spät ist.
Ob nun in Form eines Krieges, einer Währungs- und Wirtschaftskrise oder dem ökologischen Kollaps: An allen Ecken und Enden rumort es gewaltig. Um es mit Oliver Bludau zu sagen: „Es ist Zeit, die Bretter bereitzulegen, mit denen man sich beim Sturm verbarrikadieren kann“.
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