Milchstraße im Panorama

Was genau in der Milchstraße vor sich geht ist bisher nicht bekannt. Das Moons-Projekt soll neue Erkenntnisse bringen. Dabei spielt auch Antriebstechnik von Faulhaber eine entscheidende Rolle. - (Bild: Faulhaber)

Bei der Erkundung unserer eigenen scheibenförmigen Spiralgalaxie haben die Astronomen ein grundsätzliches Problem: Die Erde befindet sich zwar nicht gerade mitten drin, aber eben doch an einem Ort auf der Scheibe der Milchstraße. Will man von hier aus in ihr Zentrum blicken, oder sogar darüber hinaus auf die andere Seite, sind zahllose Sterne im Weg. Wo sie sich auf unserer gemeinsamen Scheibe jeweils befinden, lässt sich aus irdischer Perspektive bisher oft nur schwer oder gar nicht ermitteln. Zu den Regionen, über die wir besonders wenig wissen, gehört ausgerechnet die Verdickung in der Mitte der Galaxie, wo sich haufenweise Sterne und Gaswolken um ein vermutetes Schwarzes Loch ballen.

Ein astronomisches Großprojekt soll in naher Zukunft viele Wissenslücken schließen. An seiner Durchführung sind acht Institute aus mehreren Ländern beteiligt. Der Auftraggeber ist die Europäische Südsternwarte (European Southern Observatory, ESO). Diese Wissenschaftsorganisation betreibt in der chilenischen Atacama-Wüste einige der weltweit leistungsstärksten Teleskope. Zu ihnen gehört auch das Very Large Telescope (VLT) am Paranal-Observatorium, mit einem Spiegeldurchmesser von 8,2 Meter.

Ziel des Vorhabens ist, das VLT mit einem neuen Instrument zur Erfassung der optischen Signale aus dem Weltall auszustatten. Dabei handelt es sich um einen Spektrographen, der gleichzeitig eine große Zahl kosmischer Objekte im sichtbaren und infraroten Teil des Spektrums erfassen kann. Sein Namenskürzel bezeichnet das ganze Projekt: Multi-Object Optical and Near-infrared Spectrograph, Moons. Es wird vom United Kingdom Astronomy Technology Centre (UK ATC) in der schottischen Hauptstadt Edinburgh koordiniert.

Neue Möglichkeiten dank Spektrographie

"Bei einer hochwertigen Fotokamera kann man die Objektive wechseln. Bei einem astronomischen Teleskop ist es andersherum – wir haben hervorragende Objektiv des VLT und werden eine derzeit angeschlossene 'Kamera' gegen unser Moons austauschen“, erläutert Dr. William Taylor, Wissenschaftler am UK ATC. Mit seiner neuen Technologie eröffnet Moons ganz neue Möglichkeiten der Himmelsbeobachtung, auch wenn mit ihm keine großflächigen Bilder im herkömmlichen Sinne entstehen. Stattdessen werden viele Einzelheiten detailliert ins Visier genommen.

Moons im VLT
So wird Moons nach dem Einbau in das VLT aussehen. - (Bild: eso.org)

Das funktioniert so: Die riesigen Linsen und Spiegel des VLT werden wie bisher auf den Himmelsausschnitt geschwenkt, den man untersuchen möchte. Nun werden im Moons die Enden von genau 1001 optischen Fasern auf einzelne Objekte in dieser kosmischen Region ausgerichtet. Statt wie eine Kamera die ganze ausgewählte Fläche abzubilden, fokussiert das neue Instrument die Fasern auf bestimmte Punkte im Universum. Und auch diese Punkte werden nicht einfach fotografiert, sondern ihr Licht wird mittels Prismen in seine Einzelteile, also unterschiedliche Wellenlängen zerlegt.

"Mit dieser Methode erhalten wir wesentlich mehr Information als aus einem einfachen Bild", erklärt Taylor. "Wir erfahren zum Beispiel etwas über die chemische Zusammensetzung des beobachteten Objekts. Außerdem können wir seine Dynamik – die Geschwindigkeit und Richtung seiner Bewegung – berechnen.

Da Moons das nahe Infrarot-Spektrum erfasst, können wir die Rotverschiebung genau analysieren, der das Licht ferner Objekte auf seinem Weg zu uns unterliegt." Wenn sich ein Stern von der Erde entfernt, wird die Wellenlänge seines Lichts länger. Ein Teil des sichtbaren Lichts wird so in den unsichtbaren, aber noch nahe am sichtbaren Spektrum gelegenen Infrarot-Bereich verschoben.

Tausende Objekte auf einmal im Blick

Bisher konnte man mit der verfügbaren Technik höchstens etwa hundert Objekte einzeln beobachten, und dies auch nur im Bereich des sichtbaren Lichts. Mit Moons wächst nicht nur diese Zahl auf das Zehnfache, auch die Informationstiefe nimmt um ein Vielfaches zu. Innerhalb der Milchstraße wird es damit möglich sein, viel genauer zwischen den Bäumen hindurchzuschauen und ein deutlicheres Bild des ganzen Waldes zu bekommen.

"Tatsächlich gehört es zu den Zielen unseres Projekts, eine 3D-Karte der Milchstraße zu erstellen, mit der eine Art GPS-Navigation in unserer Galaxie möglich wird. Außerdem erlaubt uns die Moons-Technologie, mit einer bisher unerreichten Auflösung sehr weit – und damit auch zeitlich sehr weit zurück – zu schauen. Wir werden uns so dem Urknall bis auf wenige hundert Millionen Jahre annähern können." Damit erhalten die Wissenschaftler Einblick in die frühe Kindheit des Weltalls. Zwar kann man auch heute schon dorthin blicken, doch wird das Bild mit Moons nun viel schärfer und detaillierter, erklärt Dr. Taylor. "Wir werden in der Lage sein, auch das Universum in bisher unerreichter Tiefe zu kartieren."

Dafür wollen die Astronomen in einem Zeitraum von etwa fünf Jahren viele Millionen Objekte ins Visier nehmen. Das kann nur gelingen, wenn die 1001 Lichtleitfasern des Spektrographen sich schnell und weitgehend automatisiert auf die kosmischen Ziele ausrichten lassen.

FPU Fokalplatte
Die Fokalplatte von Moons mit 1001 Faserpositioniermodulen. Diese richten die Lichtleitfasern des Spektrograpen schnell und automatisiert aus. - (Bild: eso.org)

Diese Aufgabe übernehmen ebenso viele Faserpositioniermodule (Fibre Positioning Units, FPU). Sie verfügen jeweils über zwei Antriebseinheiten aus einem Schrittmotor und einem spielarmen Stirnradgetriebe. Die hintere Alpha-Einheit bewegt die Zentralachse. Auf ihr ist exzentrisch die vordere Beta-Einheit befestigt, die gleichzeitig die Faserspitze bewegt.

Durch die Kombination der zwei axialen Bewegungen deckt jedes FPU eine kreisförmige Fläche ab, in der die Faser beliebig ausgerichtet werden kann. Diese Fläche überschneidet sich teilweise mit den Flächen der benachbarten FPU. Auf diese Weise lässt sich jeder Punkt im Erfassungsbereich ansteuern.

Um die benötigte Präzision zu gewährleisten und Kollisionen zwischen den FPU-Spitzen zu vermeiden, müssen die Systeme mit hoher Wiederholgenauigkeit arbeiten. Die hochwertigen Schrittmotoren stammen von Faulhaber Precistep, die spielfreien Getriebe von Faulhaber Minimotor tragen zur Genauigkeit der Positionierung bei. Für die mechanische Konstruktion der Module ist die Faulhaber-Tochter MPS zuständig.

FAULHABER AM0820
Die Faulhaber-Schrittmotoren der Serie AM0820 treiben die Faserpositioniermodule des Moons an. - (Bild: Faulhaber)

Spektrograph mit extremer Genauigkeit

"Wir haben von allen drei beteiligten Unternehmen der Faulhaber-Gruppe sehr viel wertvollen Input bekommen", berichtet Dr. Steve Watson, der beim UK ATC für die Entwicklung der FPU zuständig ist. "Ohne ihr spezifisches Know-how hätten wir dieses zentrale Modul nicht in dieser Form entwickeln und vor allem nicht in der benötigten Stückzahl herstellen können." Neben der Geschwindigkeit bei der Ausrichtung der Lichtleitfasern kommt es zusätzlich auch auf deren höchste Präzision an.

"Wir erreichen eine Genauigkeit von 0,2 Grad und eine Reproduzierbarkeit der Position bis auf 20 Mikrometer", so Watson weiter. "Angesichts der Länge der FPU und der modulare Aufbau sind das herausragend gute Werte. Auch die korrekte Ausrichtung im Verhältnis zur Fokalplatte, auf der die Module angeordnet sind, bleibt in allen Positionen erhalten."

Die hohe Präzision und extreme Zuverlässigkeit der Komponenten erlaubt es, die Steuerung einfach zu halten – eine weitere Bedingung für den reibungslosen Betrieb des Spektrographen. Komplexe Elektronik und Steuerungslogik würden eine große Hürde für die schnelle, gleichzeitige Ansteuerung von 1001 Einheiten darstellen. Dank der hohen Qualität der Komponenten wird die präzise Ausrichtung mittels einfacher Steuerung im offenen Regelkreis (open loop) erreicht. Außerdem muss die Technologie sehr robust und praktisch wartungsfrei sein, um ihre Aufgaben über die geplante zehnjährige Lebenszeit der Anlage ohne Unterbrechung zu erfüllen.

Projektmanager Dr. Alasdair Fairley blickt bereits über solche technischen Fragen hinaus: "Die Arbeiten an Moons kommen gut voran. Wir werden den Spektrographen voraussichtlich im Sommer 2021 installieren können. Die Inbetriebnahme wird etwa ein halbes Jahr in Anspruch nehmen, sodass wir voraussichtlich Anfang 2022 mit der Kartierung beginnen können. Wir gehen davon fest aus, dass die FPU die zehn Jahre ohne Wartung voll funktionsfähig bleiben."

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