Wie drei Professoren die industrielle Fertigung neu denken
Modular, digital, nachhaltig: Drei führende Forscher zeigen, wie sich die Produktion für Elektromobilität grundlegend wandelt – und was Maschinenbau, OEMs und Zulieferer jetzt tun müssen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Drei Vordenker beleuchten, wie sich die Produktion für Elektromobilität in Deutschland ändern muss, um erfolgreich zu werden - und zu bleiben.(Bild: Kateryna Kordubailo - stock.adobe.com)
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Technologietransfer live erleben: EPTS-Kongress 2025 in Karlsruhe
Die Ideen, Thesen und Visionen der drei Professoren werden auf dem EPTS – Produktionstechnologien und -systeme für die Elektromobilität am 8. und 9. Oktober 2025 in Karlsruhe exklusiv vertieft. Der neue Kongress bringt führende Köpfe aus Wissenschaft, Maschinenbau und Automobilindustrie zusammen – mit Keynotes, Fachpanels und einem interaktiven Messebereich.
Elektromobilität verändert nicht nur die Fahrzeuge – sie stellt die Produktionslogik der gesamten Industrie auf den Prüfstand. Die disruptive Dynamik im E-Antrieb, bei Batterien, Leistungselektronik und Brennstoffzellen trifft auf eine Fertigungslandschaft, die noch stark durch lineare Prozesse, hohe Investitionszyklen und Produktfixierung geprägt ist. Gleichzeitig geraten traditionelle Stärken wie Qualität, Ingenieurkunst und Prozesssicherheit durch internationale Wettbewerber zunehmend unter Druck.
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Drei der profiliertesten Vordenker der deutschen Produktionswissenschaft – Professor Jürgen Fleischer (KIT), Professor Jörg Franke (FAU Erlangen-Nürnberg) und Professor Achim Kampker (RWTH Aachen) – fordern einen grundlegenden Perspektivwechsel: Es geht nicht mehr nur um Effizienzsteigerung innerhalb bestehender Systeme, sondern um ein neues industrielles Denken. Ihre Impulse reichen von modularer Anlagentechnik über selbstfahrende Produktionsplattformen bis hin zu KI-gestützter Kreislaufwirtschaft. Was sie verbindet, ist der Anspruch, die industrielle Produktion nicht als Auslaufmodell, sondern als strategisches Asset für die Zukunft zu begreifen.
🎥 Jetzt online: Das Fachgespräch mit den drei Impulsgebern der E-Mobilitätsproduktion
Das gemeinsame Gespräch von Professor Jürgen Fleischer (KIT), Professor Jörg Franke (FAU Erlangen-Nürnberg) und Professor Achim Kampker (RWTH Aachen) steht jetzt als Online-Aufzeichnung zur Verfügung.
In der informativen Runde beleuchten die drei Vordenker, wie modulare Produktionssysteme, strukturintegrierte Antriebsplattformen, KI und Nachhaltigkeit zusammengedacht werden müssen – und welche konkreten Strategien die deutsche Industrie jetzt braucht.
Ein wertvoller Impuls für Entscheider, Entwickler und Produktionsverantwortliche – kompakt, verständlich, zukunftsweisend.
Der modulare Baukasten als Schlüssel zur Wandlungsfähigkeit
„Wir brauchen Baukästen für die Produktion – flexibel in Stückzahl und Varianten, offen für Innovationen und kosteneffizient zugleich“, so Professor Jürgen Fleischer. Was auf den ersten Blick wie eine technische Forderung klingt, ist in Wahrheit ein strategisches Konzept für eine Industrie unter permanentem Innovationsdruck. Denn wo sich Batterietechnologien, Zellformate oder Motorkonzepte rasant entwickeln, stoßen herkömmliche Anlagen schnell an ihre Grenzen – oder werden zur Fehlinvestition.
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Fleischer fordert daher ein radikal neues Verständnis von Anlagenbau: modular, rekonfigurierbar, zukunftsoffen. Seine Vision ist ein deutscher Maschinenbaukasten – ein standardisiertes, aber hochflexibles Netzwerk spezialisierter Produktionsmodule, das von verschiedenen Herstellern gemeinsam getragen und konfiguriert wird. „Ob Hairpin-Wicklungen, neue Kathodenmaterialien oder Brennstoffzellen-Stacks – unsere Anlagen müssen in der Lage sein, diese Vielfalt nicht nur zu verarbeiten, sondern mit ihr zu wachsen“, betont er.
Auch der industrielle Mittelstand – etwa aus der Drohnen-, Werkzeug- oder Gartenmaschinenbranche – müsse mitgedacht werden. Denn ihre Anforderungen an Zellchemie, Bauraum oder Temperaturverhalten unterscheiden sich stark vom Automotive-Segment. „Wir müssen Lösungen bieten, die skaliert werden können, ohne dabei an Wirtschaftlichkeit zu verlieren. Intelligente Modularisierung ist der Schlüssel.“
„Wir brauchen Baukästen für die Produktion – flexibel in Stückzahl und Varianten, offen für Innovationen und kosteneffizient zugleich.“ – Professor Jürgen Fleischer (KIT)
Unboxing statt Fließband – das Produkt bewegt sich selbst
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Professor Jörg Franke spricht gar von der dritten Revolution der Automobilproduktion. Nach dem Fließband von Henry Ford und dem Toyota-Produktionssystem stehe nun ein Paradigmenwechsel bevor, der sowohl Produkte als auch Produktionsprozesse erfasst. „Drive-Module, Gigacasting, Unboxing – wir stehen vor einem fundamentalen Paradigmenwechsel“, erklärt Franke.
Im Zentrum seiner Vision steht das sogenannte Drive-Modul: eine fahrfähige Einheit mit integrierter Batterie, Leistungselektronik, Antrieb, Fahrwerk, Lenkung und Bremssystem – bereit für die autonome Bewegung innerhalb wie außerhalb der Fabrik. „Diese Module können sich künftig selbst durch die Produktion bewegen, einzelne Montagestationen ansteuern und dabei in modularen Inseln vervollständigt werden – ganz nach Kundenanforderung.“
Auch bei der Karosserieproduktion sei der Wandel bereits sichtbar: Gigacasting ersetzt hunderte Blechteile durch massive Aluminiumbauteile, die zugleich als tragende Struktur und Montagerahmen dienen. Das verändert nicht nur die Logik der Produktion, sondern senkt Kosten, Durchlaufzeiten und Flächenbedarf dramatisch. „Wir sprechen hier nicht von Evolution, sondern von Disruption. Wer diese Chancen nicht nutzt, wird abgehängt“, warnt Franke mit Blick auf internationale Entwicklungen.
„Unboxing“ nennt Franke diesen Ansatz: Montage nicht mehr im Inneren einer Karosserie, sondern von außen, modular, parallel und automatisiert. Die klassische Taktstraße könnte damit in vielen Bereichen der Vergangenheit angehören.
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„Drive-Module, Gigacasting, Unboxing statt Inboxing – wir stehen vor einem fundamentalen Paradigmenwechsel.“ – Professor Jörg Franke (FAU Erlangen-Nürnberg)
Nachhaltigkeit als Effizienzmaschine
Für Professor Achim Kampker steht fest: Wer Elektromobilität ernst nimmt, muss auch Nachhaltigkeit neu denken – nicht als Last, sondern als ökonomischen Hebel. „Kreislaufwirtschaft darf kein zusätzlicher Klotz am Bein sein. Richtig umgesetzt ist sie effizienter als das, was wir heute tun“, erklärt Kampker. Voraussetzung sei jedoch, dass Produkte von Anfang an recyclinggerecht konstruiert werden und dass Fabriken in der Lage sind, unterschiedlichste Lebenszyklen, Materialien und Rückflüsse zu managen.
Auch die Digitalisierung sieht Kampker noch in der Warteschleife: „Viele Firmen testen KI – aber oft nur im Pilotmodus. Was fehlt, ist eine Strategie, die diese Technologie breit in Wertschöpfung übersetzt.“ Dazu müsse man die Silos zwischen Forschung, Maschinenbau, OEMs und Zulieferern aufbrechen und gemeinsam Geschwindigkeit aufnehmen. „Es reicht nicht, dass wir auf die Politik schimpfen. Auch wir in der Industrie und Wissenschaft müssen mutiger, schneller und lösungsorientierter werden.“
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Mit der Fraunhofer-Forschungsfabrik Batteriezelle und zahlreichen Industriekooperationen geht Kampker diesen Weg bereits konkret – und ruft dazu auf, auch im Maschinenbau neue Allianzen zu schmieden. „Das war unsere Stärke: Geschwindigkeit durch Zusammenarbeit.“
„Wir brauchen Strategien, die aus guten Ideen echte Durchbrüche machen – in KI, in Kreislaufwirtschaft, in der Fabrikstruktur selbst.“ – Professor Achim Kampker (RWTH Aachen)
Der Schulterschluss als Impuls
So unterschiedlich ihre Schwerpunkte auch sind – Fleischer, Franke und Kampker sind sich in einem Punkt einig: Die Herausforderungen der industriellen Transformation lassen sich nicht mehr im Alleingang bewältigen. Stattdessen braucht es strategische Schulterschlüsse – zwischen Wissenschaft und Industrie, zwischen Maschinenbau und Automotive, zwischen Produktion und Produktentwicklung.
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Die neue Produktionswelt ist modular, digital vernetzt und nachhaltig. Doch sie entsteht nicht durch Zufall, sondern durch bewusste Kooperation. „Wir gestalten die Produktionswelt von morgen – und zwar gemeinsam“, fasst Fleischer die Grundhaltung der drei Initiatoren zusammen.
Warum ein großer Kongress zur Elektromobilität?
Warum ein großer Kongress zur Elektromobilität?
Professor Jürgen Fleischer über die Beweggründe, den EPTS-Kongress zu schaffen:
"Die Welt der Elektromobilität ist nicht reibungslos und es ruckelt überall ein bisschen. Wie kann man dem entgegenwirken? Ich glaube, gemeinsam sind wir stark und das haben wir als Professoren erkannt. Jeder von uns hat seine Spezialthemen in diesem Umfeld. Wir sind alle industrievernetzt und es macht Sinn zusammenzuarbeiten. Das bringt uns mehr, als wenn jeder allein kämpft. Wir wollen mit den Kollegen aus der Industrie zusammenarbeiten und wir glauben, im gegebenen Rahmen ein Format bieten zu können, die ganze Branche an einer Stelle konzentriert zusammenzubringen.
Deshalb wollen wir dieses Austauschformat, bei dem es sich nicht um einen klassischen Kongress nur mit Vorträgen handelt, sondern es wird auch einen Messebereich geben, so dass wir durch Bündelung der Kräfte richtigen Schwung in das Thema Elektromobilität reinbekommen werden. Mit diesem neuen Format wollen wir als Professoren - die ja eigentlich dafür bekannt sind, dass jeder für sich selbst kämpft - ein gutes Beispiel sein und auch die Kollegen aus der Industrie noch näher einbinden, weil wir uns selbst als Teil der Wertschöpfungskette sehen.
Wir sind sicher weiter mit einem mittelfristigen oder langfristigen Horizont unterwegs, aber alles, was wir tun, muss letztlich der Industrie zugutekommen und da kann man nur frühzeitig Formate schaffen, in denen man sich austauscht. Das treibt uns und das würde uns sehr freuen, wenn wir von den vielen kleinen Kongressen und Kleinveranstaltungen zu einem großen Branchen-Treff kommen würden."
EPTS Conference: Gestalten Sie die Zukunft der Elektromobilität!
(Bild: Ultima Media Germany)
Aus drei wird eins: Die drei renommierten Konferenzen E|DPC, EPT (RWTH Aachen) und E|PTS (FAPS) haben sich zur EPTS zusammengeschlossen und sind nun die führende Branchenveranstaltung für Elektromobilität.
Durch den Zusammenschluss der Konferenzen wird Top-Expertise an einem Ort zusammengebracht, das Programm wird umfassender und deckt alle wichtigen Aspekte der Produktion elektrischer Antriebe ab.
Zudem wird die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie gestärkt. Die EPTS verbindet nun führende akademische Einrichtungen mit Pionieren der Industrie.