Was ist der Unterschied zwischen Virtual und Augmented Reality?
Virtual Reality (virtuelle Realität) ist eine komplett digitale Welt, in die Menschen mithilfe von VR-Brillen eintauchen können. Als Augmented Reality (erweiterte Realität) bezeichnet man das Einblenden räumlich-zugeordneter virtueller Objekt innerhalb der realen Welt beispielsweise über Datenbrillen oder Tablets. Die Assisted Reality (unterstützende Realität) ist eine Vorstufe der Augmented Reality bei der computergenerierte Informationen in die echte Welt integriert werden, wie zum Beispiel bei Head-Up-Displays. Alle diese Realitätsformen fallen unter den Begriff Mixed Reality, der Systeme zusammenfasst, die die natürliche Wahrnehmung mit einer künstlichen computererzeugten Wahrnehmung vermischen.
Man setzt sich eine Brille auf und steht plötzlich in einer Werkhalle, die es noch gar nicht gibt. Bei der Virtual-Reality-Technologie (VR) wird das Sichtfeld komplett durch ein neues, künstliches Bild ersetzt.
Der Nutzer wird zum Akteur, bewegt sich in der virtuellen Umgebung, kann bestimmte Punkte heranzoomen oder Dinge per Controller hin- und her bewegen – ohne wirklich vor Ort zu sein. Was die Unterhaltungsindustrie längst nutzt, gewinnt auch in der Industrie immer mehr an Bedeutung Mit Virtual-Reality-Brillen haben Planer etwa die Möglichkeit, neue Werkhallen oder Prototypen zu entwerfen, ohne dass diese vorab gebaut werden müssen.
Wie BMW mit Virtual Reality die Produktion plant
Bei BMW haben Planer bereits einige Monate vor dem Produktionsstart des ersten neuen BMW 3er in München einzelne Arbeitsplätze komplett ausgearbeitet – in einer virtuellen Welt.
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Bei BMW haben Planer bereits einige Monate vor dem Produktionsstart des ersten neuen BMW 3er in München einzelne Arbeitsplätze komplett ausgearbeitet – in einer virtuellen Welt. Matthias Schindler, verantwortlich in der BMW Group für das Innovationscluster Virtuelle Planung und Inbetriebnahme in der Produktion, erklärt: "Früher musste der Bereich, in den die neue Produktion einziehen sollte, erst mal leergeräumt werden. Dann wurden die geplanten Arbeitsplätze mit Kartonagen nachgebaut, um die Montage zu simulieren oder Laufwege zu erarbeiten. Am Abend musste alles für die Produktion am nächsten Tag wieder an seinen Platz zurückgestellt werden."
Nun wird der Produktionsraum virtuell abgebildet. Ein hochpräziser 3D-Scanner vermisst die Werkhalle mit ihren Aufbauten millimeterpräzise. Diese so genannte Punktwolke, in die diese Daten fließen, dient als Planungsbasis. "Mit den Gestaltungsspielräumen in der VR-Brille haben wir die Möglichkeit, eine digitale Kartonagensimulation vorzunehmen. So können wir Gitterboxen, Klein- und Großladungsträger, standardisierte Bauteile oder Durchlaufregale interaktiv platzieren."
User kann mit der virtuellen Welt interagieren
Über Controller für die linke und rechte Hand interagiert der Träger der VR-Brille mit dem System, kann Geometrien erzeugen, aus der Bibliothek laden, versetzen und verformen. "Abends haben wir nicht nur den aktuellen Stand, sondern auch alle relevanten Zwischenstände gespeichert. So kann man an bestimmten Punkten jederzeit weiterarbeiten", sagt Schindler. Ein weiterer Vorteil: Alle Beteiligten, vom Werker bis hin zum Management, können involviert werden – egal wo auf der Welt sie sich gerade befinden. Denn das Bild aus der VR-Brille wird auf 2D-Monitore gespiegelt.
"Mit der Virtual-Reality-Brille haben wir die Möglichkeit, eine digitale Kartonagensimulation vorzunehmen. So können wir Gitterboxen, Klein- und Großladungsträger und vieles mehr interaktiv platzieren."
Matthias Schindler, BMW Group
Die Handhabung der VR-Technologie funktioniert laut Schindler sehr intuitiv. "Ich benötige nicht mehr so viel räumliche Vorstellungskraft oder Expertise, um die Modelle interpretieren zu können. Ich sehe die Maschine, die Umgebung und die Wege und kann sehr schnell hineinfinden." Die Planung könne mit VR insgesamt robuster und breiter gestaltet werden.
Augmented Reality überlagert die reale Welt mit digitalen Informationen
Neben dem tiefen Eintauchen in komplett digitale Welten ist auch das Überlagern real vorhandener Objekte mit digitalen zusätzlichen Informationen für die Industrie interessant. In das eigentliche Sichtfeld lassen sich Informationen in Form von Grafiken, Bildern, Texten oder Videos einblenden – mithilfe eines Tablets, eines Smartphones oder einer intelligenten Datenbrille. Die Datenbrillen verfügen über eine Durchsichtoptik. Die Umgebung wird dabei nicht abgefilmt, sondern kann durch die Brille direkt gesehen und dann mit Informationen im Blickfeld ergänzt werden.
So lange es sich um eine rein semantische Überlagerung der realen Welt mit computergenerierten Zusatzinformationen handelt, spricht man von Assisted Reality (unterstützende Realität). Nur wenn es eine räumlich-zugeordnete Überlagerung der virtuellen Darstellung mit der Realität gibt, nennt man dies Augmented Reality. Für eine echte Augmented Reality (AR) braucht man Geräte, die selbstständig die Umgebung anhand von Merkmalen wie Kanten oder Ecken erkennen.
Augmented-Reality-Brillen bisher nur selten im Einsatz
MW nutzt bereits AR-Brillen, jedoch bisher ausschließlich für die Qualifizierung. "Auch mit den neuen Techniken, egal ob VR oder AR, versuchen wir, den passenden Use Case zu finden und nicht Technologie um ihrer selbst willen einzusetzen", erklärt Matthias Schindler. Die BMW-Mitarbeiter werden mit intelligenten Datenbrillen auf ihren speziellen neuen Arbeitsinhalt vorbereitet. "Bei unseren Werkern kommt es sehr gut an, dass wir neue Medien in den Trainingsprozess integrieren. Zudem können durch die Videos auf den VR-/AR-Brillen mehrere Mitarbeiter von derselben Trainingseinheit profitieren", sagt Schindler.
Der Grund, warum intelligente Datenbrillen in der Industrie bisher meist nur für Trainingszwecke verwendet werden, ist, dass die Brillen den Anforderungen an eine ganze Arbeitsschicht noch nicht genügen. Oftmals lassen Akulaufzeit, Gewicht und Tragekomfort zu wünschen übrig. Die Brillen müssen besser werden, damit ein Arbeiter sie über längere Zeit tragen kann.
Spezielle Displays für den Einsatz in der Industrie
Das Fraunhofer Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) in Dresden arbeitet genau daran. Es entwickelt OLED-Mikrodisplays und Sensorik als Grundlage für intelligente Datenbrillen für Industrie 4.0, Medizin, Automotive oder Freizeit. Die kompakten Displays eignen sich besonders für den industriellen Einsatz.
Dr. Uwe Vogel, Leiter des Bereichs Mikrodisplays und Sensorik am Fraunhofer FEP: "Herkömmliche Mikrodisplays verbrauchen zwischen 50 und 500 Milliwatt Leistung, unseres liegt bei circa einem Milliwatt." Das FEP entwickelt auch Module, die man perspektivisch auf herkömmliche Brillen stecken kann. Angedacht für die Zukunft ist außerdem eine smarte Kontaktlinse. "Es wird bestimmt noch zehn Jahre oder länger dauern, bis es sie wirklich gibt. Aber Firmen im Silicon Valley sammeln bereits Kapital dafür ein", weiß Vogel.
"Herkömmliche Mikrodisplays verbrauchen zwischen 50 und 500 Milliwatt Leistung, unseres liegt bei circa einem Milliwatt."
Dr. Uwe Vogel, Bereichsleiter Mikrodisplays und Sensorik, Fraunhofer FEP
Das Fraunhofer FEP arbeitet bei den intelligenten Datenbrillen eng mit der Siemens AG Berlin zusammen, und zwar im Verbundprojekt Glass@Service, an dem auch die Firmen Dioptic, Uvex, Ubimax und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz- und Arbeitsmedizin (BAuA) beteiligt sind.
Wie lassen sich VR und AR gut einsetzen?
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"Die Brillen, die es am Markt gibt, kommen zum Großteil aus dem Consumerbereich und sind nicht für die Industrie geeignet", erklärt Dr. Frank-Peter Schiefelbein, der für verschiedene Geschäftsbereiche der Siemens AG in Entwicklung, Fertigung und Forschung tätig ist. Für den Einsatz in der Produktion spiele der Arbeits- und Sichtschutz aber eine große Rolle. "Es gibt hohe Anforderungen an die Brille, damit die Mitarbeiter keine Beeinträchtigungen wie Haltungs- oder Augenschäden davontragen."
Virtual und Augmented Reality kann an die Kenntisse des Nutzers angepasst werden
Glass@Service entwickelt eine Brille, die dem Arbeitsschutz, Tragekomfort und Stromverbrauch Rechnung tragen soll. "Die üblichen Akkulaufzeiten belaufen sich im Durchschnitt auf zwei Stunden. Unser Akku reicht mindestens acht Stunden, also eine ganze Schicht", sagt Schiefelbein. Weitere Features der Brille: Die Gläser können je nach Dioptrienzahl des Trägers gewechselt und das Gestell kann an die jeweilige Kopfform angepasst werden. Besonders stolz ist Schiefelbein aber darauf, dass der Augenabstand individuell einstellbar ist: "Das können die wenigsten Brillen auf dem Markt."
Die intelligente Datenbrille ist überdies personalisiert. Das bedeutet, sie wird angepasst an den vorhandenen Kenntnisstand des Mitarbeiters. "Ein Mitarbeiter, der schon 20 Jahre im Betrieb ist, benötigt weniger Informationen als ein neuer oder ungelernter Mitarbeiter", so Schiefelbein.
Bisher wird die Datenbrille noch nicht in der Produktion eingesetzt, sondern stellt lediglich einen Prototyp dar. "Showcases gibt es sehr viele am Markt. Wir haben uns für unsere Brille Use Cases in realen Elektronik-Fertigungsumgebungen bei Siemens gesucht", so Schiefelbein. Zum Einsatz kam die AR-Brille in einem Lager, bei der Rüstung von Bestückautomaten, in der Montage und bei der Prüfung von Geräten.
Was sind die Vorteile von AR-Anwendungen?
Schiefelbein erläutert die Vorteile der intelligenten Datenbrille: "Arbeitsschritte können so schneller und sicherer durchlaufen werden. Dem Mitarbeiter wird gezielt gezeigt, wo und was er als nächsten Arbeitsschritt zu tun hat. Außerdem erwarten wir uns einen Qualitätsvorteil, weil bestimmte Prüfschritte quittiert werden müssen."
Warum kommen intelligente Datenbrillen noch nicht flächendeckend in der Produktion zum Einsatz?
Viele Datenbrillen funktionieren gut in abgegrenzten Räumen für einen bestimmen Anwendungsfall. In größerem Maßstab habe man enorm Aufwand, den geprobten Fall auf einen anderen zu übertragen. "Reale Anwendungsfälle von Datenbrillen, die in der Fertigung schon umgesetzt werden, gibt es meines Erachtens nicht oder nur in geringer Anzahl", sagt Schiefelbein.
Für den breiten Einsatz gebe es noch einige Hürden zu nehmen: Wie bekommt man die Konstruktionsdaten auf die Brille? Solche Daten, seien teilweise 20 Jahre alt, lägen teilweise nur auf Papier vor oder als inaktives PDF. Außerdem müssen die Daten laut Schiefelbein sicher in die IT-Landschaft eingebunden werden. "Und woher wissen sie, dass derjenige, der die Brille trägt, auf ihre Daten zugreifen darf?", so Schiefelbein. Die Träger der Augmented-Reality-Brille müssten sicher authentifiziert werden.
"Die Brillen, die es am Markt gibt, kommen zum Großteil aus dem Consumerbereich und sind nicht für die Industrie geeignet."
Frank Schiefelbein, tätig für verschiedene Geschäftsbereiche der Siemens AG in Entwicklung, Fertigung und Forschung
Auch sind gesetzliche Vorgaben zur Exportkontrolle zu beachten, der im Internet-Zeitalter gerade auch Daten unterliegen. Schiefelbein weist zudem darauf hin, dass bisher alle Anbieter von Datenbrillen ihr Produkt und ihre Software auf Basis von Consumer-Markt-Technologien entwickelt haben. "Diese Produkte sind in der Regel nicht mit den Cybersecurity-Anforderungen von Industrie-Unternehmen vereinbar, da sie oft veraltete und somit leicht angreifbare Betriebssystem-Versionen nutzen."
In den Lizenzverträgen werde zudem oft ungehinderter Zugang zu den Daten, etwa auch zu aufgenommen Bildinformationen der Kameras, festgeschrieben. "Hier soll quasi ein Livestream zu essenziellen Produktionsprozessen legitimiert werden", warnt Schiefelbein von Siemens.
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