Wollen mit  Strong by Form die Welt der Werkzeuge nachhaltiger machen (von links): Jorge Christie, Andres Mitnik und Daniel Del Rio.

Wollen mit Strong by Form die Welt der Werkzeuge nachhaltiger machen (von links): Jorge Christie, Andres Mitnik und Daniel Del Rio. (Bild: Strong by Form)

Sie sehen nicht nur schön und naturnah aus – die mit einer Technik namens 'Woodflow' hergestellten Materialien haben auch eine ungleich bessere CO2-Bilanz. Perspektivisch könnten sie an vielen Stellen CO2-intensive Materialien wie Beton oder Stahl ersetzen. Die Bauteile aus dem Material ähneln Produkten, die mit optimal gewählten Geometrien im 3D-Druck entstehen.

„Die Idee, Holz als fortschrittlichen Verbundstoff für industrielle Produkte zu verwenden, stammt von Jorge Christie, der an der ETH Zürich an Leichtbaumaterialien wie etwa Carbonfaser forschte“, berichtet Andres Mitnik, Umwelt-Ingenieur, CEO und einer der drei Gründer von Strong by Form. Das Unternehmen hat seine Idee auf dem letzten Maschinenbau-Gipfel anlässlich des Start-up-Awards präsentiert.

Viele innovative Techniken sind bereits entstanden, weil sich Ingenieure etwas von Funktionsweisen aus der Fauna oder Flora abschauten. Mit der Design-to-Manufacturing-Technologie Woodflow wird die strukturelle Effizienz von Bäumen nachgeahmt, die durch die Anordnung der Holzfasern entsteht. Teil davon ist die Optimierung der Form und der Faserarchitektur der Komponenten, kombiniert mit Klebstoffen und Verfahren der additiven Fertigung.

Das Ziel: Möglichst leicht gebaute und trotzdem besonders tragfähige Verbundwerkstoffe auf Holzbasis herzustellen. Sie können anstatt traditioneller Werkstoffe wie Stahl, Beton oder Aluminium in Gebäuden und Produkten, etwa im automotiven Karosseriebau, verwendet werden.

Ressourcen so effizient wie möglich nutzen

In seiner Forschung rund um hochentwickelte Verbundstoffe setzte Jorge Christie statt auf teure Carbonfaser auf Holz. Der Experte, der nach seinem Training als Roboterprogrammierer am Kuka College an der ETH seinen Master in Architecture and Digital Fabrication und anschließend an der Uni Stuttgart noch einen Master in Architectural Engineering erwarb, entwickelte zunächst einen Prototyp, bei dem es gelang, eine hohe Festigkeit ohne zusätzliche Gewichtssteigerung zu erreichen.

Ein weiterer Aspekt der Idee besteht darin, die Ressourcen so effizient und nachhaltig wie möglich zu nutzen. Holz ist praktisch überall vor Ort verfügbar, lange CO2-intensive Transportwege entfallen. Anders als die nur teuer und besonders energieaufwendig herstellbaren Carbonfasern, sorgt der Baum sozusagen selbst für seine Herstellung. Es können zudem Abfallprodukte aus der Forstwirtschaft zum Einsatz kommen, die zu Holzflocken geschreddert werden.

Jorge Christie legte seine Idee Daniel Del Rio vor, einem Digital Fabrication Advisor, der bereits zwei Startups rund um Holz-Manufacturing gegründet hatte. „Es hat zwar vorher noch niemand umgesetzt, aber angesichts des Fortschritts in der Robotik, Materialforschung und digitaler Möglichkeiten ist es machbar“, fasst Mitnik das Ergebnis des Austauschs zusammen.

Strong by Form: Das sind die Vorteile für den Maschinenbau

Neben ersten Prototypen kann Strong by Form bereits die Deutsche Bahn als Kunden vorweisen, für die man nachhaltige Bahnsteigüberdachungen in Leichtbauweise mit Woodflow-Technologie herstellt. In einer ersten Finanzierungsrunde konnten die Gründer fünf Millionen Euro einsammeln. Damit will man die erste Produktionsstätte für größere Konstruktionsbauteile in Europa aufbauen, erste Produkte ausliefern und innerhalb von zwei Jahren soll der Blueprint einer lizensierbaren Produktionszelle stehen.

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Für den Maschinen- und Anlagenbau könne die Technologie in verschiedener Hinsicht Vorteile bringen, meint Andres Mitnik: Einerseits als Baumaterial für nachhaltige Produktionsumgebungen, andererseits als Bestandteil von Herstellungsprozessen.

Maschinen und Anlagen, die bisher andere Materialien verarbeiten, könnten für die Verarbeitung des neuen, nachhaltigen Materials adaptiert werden. Das Geschäftsmodell basiert darauf, die Produktionstechnologie zu lizensieren. Dafür soll eine hochautomatisierte Micro-Factory als autarke Einheit entstehen.

Eine solche Produktionszelle umfasst mehrere Roboter und die Technologie, um Holzflocken zu pressen und zu formen. Für mehr Kapazität lassen sich mehrere Produktionszellen zusammenfügen. „Wir wollen das Manufacturing-Modell lizensieren, damit jedes Unternehmen die Möglichkeit hat, das Material herzustellen und zu verarbeiten“, erklärt Andres Mitnik.

Hierfür suche man Partner aus dem Maschinen- und Anlagenbau, etwa für Pressen, Laserschneider oder Greifwerkzeugen von Robotern, um die Technologie zu skalieren, sagt der CEO. Auch das Shreddern der Holzfasern und das Material Handling gehöre dazu.

Viel Forschung um den Verbundstoff aus Holz

Verglichen mit Beton ist ein Zehntel des Materialgewichts nötig, um das gleiche Gewicht zu tragen. Im Vergleich mit dem heute häufig verwendeten Brettsperrholz wird nur ein Viertel der dafür benötigten Bäume verarbeitet. Das neue Material wird in Schichten hergestellt, in denen die Holzflocken in einer spezifischen Anordnung und Form ausgerichtet sind und mit Klebstoffen kombiniert werden. Der Schutz vor Brandgefahr oder Insektenbefall fließt durch die Integration entsprechender Mittel in die einzelnen Schichten des Werkstoffs ein.

„Durch die Technologie können wir das Material im Detail kontrollieren“, sagt Mitnik. So lasse sich im Vergleich zu einer weniger effektiven nachträglichen Beschichtung ein deutlich höherer Schutz bei der Entflammbarkeit erreichen.

Nachhaltigkeit spiegelt sich auch in der intensiven Forschung rund um Bio-Harze und Klebstoffe, die man statt klassischer Produkte aus der petrochemischen Industrie verwenden will. Auch hier habe man erfolgreiche Lösungen gefunden und eine Roadmap, um Bio-Harze weiterzuentwickeln. Am Ende steht eine Formel, die auch die jeweilige Belastung einbezieht, der das Material im individuellen Einsatz ausgesetzt ist.

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