Die Basilius-Kathedrale in Moskau. Davor ist ein gelbes Absperrband, auf dem in schwarzen Buchstaben "Covid-19 closed" steht.

In Russland sind die Auswirkungen des Coronavirus inzwischen deutlich zu spüren. - (Bild: Adobe Stock/scaliger)

„Zwangsurlaub“ für alle Beschäftigten, Passierscheine in Moskau und ein Millionenverlust für deutsche Unternehmen: Auch in Russland zeigen sich – nach zunächst wenigen Fällen - die Auswirkungen des Coronavirus mittlerweile deutlich. Die deutsch-russische Auslandshandelskammer (AHK) hat am Dienstag (28.4.) 93.558 Infizierte in Russland gezählt – allein 48.426 davon in Moskau. 

Präsident Wladimir Putin erklärte den kompletten April Anfang des Monats als „arbeitsfrei“. Die Beschäftigten sollen jedoch weiterhin ihren Lohn erhalten. In allen Regionen gibt es mittlerweile Ausgangsbeschränkungen, berichtet Germany Trade and Invest. Den Anfang machte die Hauptstadt Moskau. Dort dürfen Bewohner das Haus nur noch mit einem Passierschein verlassen. Seit Ende März sind die Grenzen außerdem fast komplett geschlossen.

Coronakrise: So sind deutsche Firmen in Russland betroffen

Die Maßnahmen haben auch Auswirkungen auf deutsche Firmen in Russland: Mehr als 60 Prozent sind sehr stark oder stark von der Corona-Pandemie betroffen. Das hat eine Umfrage der AHK unter ihren Mitgliedsunternehmen ergeben.

Wie stark sind deutsche Unternehmen in Russland von der Coronakrise betroffen? Die Grafik zeigt, dass 24 Prozent sehr stark betroffen sind, 38 Prozent stark, 31 Prozent mittel und sieben Prozent wenig.
Wie stark sind deutsche Unternehmen in Russland von der Coronakrise betroffen? Die AHK-Umfrage zeigt ein deutliches Ergebnis. - Quelle: AHK Russland, Grafik: Anja Ringel

Rund zwei Drittel der befragten Firmen mussten ihre Produktion in Russland demnach teilweise stoppen, fast 20 Prozent sogar vollständig. Das wohl prominenteste Beispiel ist dabei das Volkswagen-Werk in Kaluga, das seit 30. März stillsteht.

28 Prozent der befragten Unternehmen rechnen damit, dass der finanzielle Schaden durch den Coronavirus bis zu eine Million Euro sein wird. Zwölf Prozent gehen sogar von Verlusten bis zu zehn Millionen Euro aus. Mit gar keinen Auswirkungen rechnen dagegen nur acht Prozent.  Insgesamt werden die Verluste laut AHK in dreistelliger Millionenhöhe liegen.

Diese Maßnahmen belasten die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen

Für Dr. Hanno Stöcker, geschäftsführender Vorstand des Deutsch-Russischen Wirtschaftsbundes ist momentan vor allem der „Zwangsurlaub“ die größte Herausforderung, denn: „Präsident Putin hat den Monat April für arbeitsfrei erklärt, gemeint war aber offenbar Homeoffice unter Fortzahlung der Bezüge bei Verbot von Entlassungen“, sagt er gegenüber PRODUKTION. Er schätzt, dass die dünne Finanzdecke vieler russischer Firmen unter diesen Bedingungen schnell existenzbedrohend wird. Ein weiteres Problem seien die fehlenden Reisemöglichkeiten.

Bezogen auf die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen geht Stöcker davon aus, dass die getroffenen Corona-Maßnahmen - wie betriebliche Einschränkungen - auch Spuren auf die bilateralen Handelsbeziehungen hinterlassen werden.

Ein weiteres Problem: Der seit einigen Wochen um etwa 15 Prozent verbilligte Rubel verteuert Exporte nach Russland. „Das Neugeschäft stockt, was manchen deutschen Maschinenbauer treffen wird“, berichtet der Vorstand des Wirtschaftsbundes. Dennoch gibt es auch positive Nachrichten: Bestehende Verträge werden laut Stöcker überwiegend erfüllt.

Wirtschaft in Russland: Deutsche Unternehmen wünschen sich mehr Hilfe

Mit dem russischen Krisenmanagement ist ein Großteil der deutschen Unternehmen zufrieden. 62 Prozent hält die Reaktion des Landes laut der AHK-Umfrage als „angemessen“. Dagegen halten 18 Prozent die Maßnahmen als „übertrieben“ und vier Prozent als „hysterisch“.

Wie schätzen die befragten Firmen die Reaktion Russlands auf das Coronavirus ein? 62 Prozent der befragten halten die Reaktion für angemessen, 18 Prozent für übertrieben, 16 Prozent für sehr besonnen und vier Prozent für hysterisch.
Wie schätzen die befragten Firmen die Reaktion Russlands auf das Coronavirus ein? Mehr als 60 Prozent sind mit der Reaktion zufrieden. - Quelle: AHK Russland; Grafik: Anja Ringel

Es gibt aber auch Kritik: Die russische Regierung hat zwar Maßnahmen für Unternehmen angekündigt, 85 Prozent der befragten Firmen finden diese allerdings laut AHK unzureichend. So hat Präsident Putin unter anderem für kleine und mittelständische Betriebe angekündigt, dass diese Zuschüsse für Beschäftigte erhalten, wenn sie mindestens 90 Prozent der Belegschaft halten. Zudem sollen sie zinslose Darlehen erhalten.

68 Prozent der befragten Unternehmen erhoffen sich jedoch eine Vereinfachung des Steuerrechts, zum Beispiel bei Abgabefristen für Steuererklärungen. 58 Prozent wünschen sich mehr Subventionen und Kredite.

Denn die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns werden hoch sein, schreibt Germany Trade and Invest. Die russische Zentralbank prognostiziert zum Beispiel, dass allein die Einschränkungen im April zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von bis zu zwei Prozent führen wird.

Für das gesamte Jahr rechnet die Zentralbank, dass das BIP um vier bis sechs Prozent sinken wird. Rund 100 Milliarden Rubel (rund 1,2 Milliarden Euro) koste der Stillstand in der Coronakrise Russland im Moment jeden Tag, sagte Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow laut der Deutschen Presseagentur im Staatsfernsehen.

Nach Corona: Das ist der Vorteil Russlands

Doch es wird auch eine Zeit nach Corona kommen und auf die bereitet sich die Regierung langsam vor. Das AHK berichtete bereits am Montag (27.4.), dass Russland die schrittweise Aufhebung der Beschränkungen für Unternehmen plant. Zudem wird an einem dritten Hilfspaket für die Wirtschaft gearbeitet.

Und auch die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen werden die Corona-Pandemie überstehen, ist Stöcker überzeugt. Auch, wenn diese dann etwas anders aussehen könnten: „Videokonferenzen werden einen größeren Raum einnehmen, das spart Zeit und Geld“, sagt er. Dennoch werde es nicht völlig ohne persönliche Beziehungen gehen, denn Russland sei immer noch „people business“.

Und er sieht auch positive Aspekte für die bilateralen Beziehungen: „Die Coronakrise verdeutlicht, wie abhängig deutsche Mittelständler von China sind. Russland liegt näher und könnte als preisgünstiger Markt für Sourcing gewinnen“, sagt Stöcker.

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