Handelsstreit, Wirtschaftssorgen und die Politik bereiten Firmen aus der EU in China Probleme. Die Stimmung ist am Boden. Eine Maßnahme Pekings könnte bald kostspielige Auswirkungen in Europa haben.

Handelsstreit, Wirtschaftssorgen und die Politik bereiten Firmen aus der EU in China Probleme. Die Stimmung ist am Boden. Eine Maßnahme Pekings könnte bald kostspielige Auswirkungen in Europa haben. (Bild: KRISTINA KUPTSEVICH - stock.adobe.com - KI-generiert)

Wie tief ist der Vertrauensverlust europäischer Unternehmen in China?

Nur 29 Prozent der befragten Unternehmen blicken laut aktueller Geschäftsklimaumfrage der EU-Handelskammer in China optimistisch in die Zukunft. Damit erreicht das Vertrauen einen neuen Tiefpunkt. Im Vorjahr waren es immerhin noch 32 Prozent. Die Erkenntnis ist deutlich: Für viele Firmen ist China nicht länger der Wachstumsanker, der es über Jahre war.

Dabei ist es nicht ein einzelner Faktor, der das Fundament erschüttert – es ist ein ganzes Bündel an Unsicherheiten. Neben einem schwächelnden Binnenmarkt und regulatorischer Intransparenz belastet vor allem ein zunehmender politischer Druck die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Was steckt hinter der pessimistischen Stimmung?

Kammerpräsident Jens Eskelund bringt es auf den Punkt: „Diese Unbeständigkeit, die dem Geschäft so sehr schadet, macht es schwierig, optimistisch zu bleiben.“ Die einst hohe Planbarkeit in China hat gelitten – und mit ihr die Möglichkeit, fundierte Entscheidungen zu treffen.

Insbesondere die schleppende Erholung der chinesischen Wirtschaft und die Dauerkrise am Immobilienmarkt wirken wie ein Bremsklotz. Wenn Verbraucher sich angesichts sinkender Immobilienwerte zum Sparen gezwungen sehen, leidet die Binnennachfrage – und das trifft nahezu jede Branche.

Welche Branchen trifft die Krise besonders hart?

Ein Blick auf die betroffenen Sektoren offenbart die Breite der Krise. Im Kosmetikbereich etwa ist die Skepsis flächendeckend. Sämtliche befragten Unternehmen dieser Branche sehen sich mit Problemen konfrontiert – besonders aufgrund der sinkenden Nachfrage.

Auch Bauwesen, Autoindustrie, Petrochemie, IT, Telekommunikation sowie Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie melden Einbrüche. Lediglich die Luftfahrtbranche scheint sich dem Negativtrend teilweise entziehen zu können – wohl auch, weil China hier noch stark auf ausländisches Know-how angewiesen ist.

Was bedeutet der neue Zollstreit für europäische Firmen?

Zwar hatte sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China im Mai kurzzeitig entspannt, doch das reicht nicht, um die Folgen für europäische Firmen zu mildern. Besonders drastisch ist die Lage bei seltenen Erden und Magneten – Rohstoffe, auf die viele Industrieunternehmen angewiesen sind.

Mit den im April eingeführten Exportkontrollen bremst China gezielt westliche Lieferketten aus. Die Folge: Produktionsstopps drohen, Kosten explodieren – und ein Wettlauf um verbliebene Lagerbestände beginnt. „Das hat echte, sofortige und tiefgreifende Auswirkungen auf viele europäische Firmen“, warnt Eskelund.

Wie reagieren die Unternehmen auf die neuen Rahmenbedingungen?

Resignation ist keine Option – stattdessen stellen sich viele Unternehmen strategisch neu auf. Investitionsbereitschaft? Im Sinkflug: Nur rund 25 Prozent der Firmen planen laut Umfrage neue Investitionen in China – so wenige wie nie zuvor.

Stattdessen rücken Europa und Südostasien wieder stärker in den Fokus. Lieferketten werden angepasst, neue Produktionsstandorte etabliert – sei es zur Risikodiversifikation oder zur Absicherung gegen geopolitische Unwägbarkeiten. Viele Unternehmen lokalisieren zudem stärker: Was in China verkauft wird, soll auch dort produziert werden.

Was bedeutet das für Europas Industriepolitik?

Die Entwicklungen sind ein Weckruf – nicht nur für Unternehmen, sondern auch für politische Entscheidungsträger. Europa muss Wege finden, die Abhängigkeit von chinesischen Schlüsselrohstoffen zu verringern. Die schleppende Bearbeitung von Ausfuhranträgen in Peking zeigt deutlich: Wenn geopolitische Interessen wirtschaftliche Prozesse bestimmen, ist keine Zeit für Abwarten.

Ein entschlossener Ausbau eigener Kapazitäten in der Rohstoffaufbereitung, gezielte Handelsabkommen mit alternativen Lieferländern und die strategische Rückverlagerung von Schlüsselindustrien könnten ein Teil der Antwort sein.

Deutsche Maschinenbauer unter Druck

Ein konkretes Beispiel für die schwierige Lage liefert die deutsche Maschinenbaubranche. Viele mittelständische Hidden Champions hatten in den letzten Jahren massiv in den chinesischen Markt investiert – nicht selten im zweistelligen Millionenbereich. Doch mittlerweile berichten sie von Projektverzögerungen, Zulieferengpässen und wachsendem bürokratischem Aufwand.

Ein süddeutscher Spezialanlagenbauer, der anonym bleiben möchte, musste kürzlich eine geplante Werkserweiterung in Chengdu auf Eis legen – nicht nur wegen der schwachen Nachfrage, sondern auch wegen neuer gesetzlicher Anforderungen, die eine Anpassung seiner gesamten Sicherheitsarchitektur nötig gemacht hätten. Derzeit prüft das Unternehmen Alternativen in Vietnam und der Slowakei.

Chancen nutzen – trotz Risiken?

Klar ist: Der chinesische Markt bleibt riesig und strategisch wichtig. Doch wer langfristig erfolgreich sein will, muss flexibler, schneller und risikobewusster agieren. Unternehmen, die bereits jetzt ihre Lieferketten diversifizieren und Investitionsentscheidungen kritisch prüfen, sichern sich entscheidende Vorteile.

Dabei ist die Politik in Europa ebenfalls gefordert, Industrieunternehmen mit klaren Leitlinien, Investitionsanreizen und geopolitischem Rückhalt zu unterstützen – bevor aus temporären Schwierigkeiten dauerhafte Marktverluste werden.

Mit Material der dpa

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