Bei den Europawahlen vor fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung in Deutschland bei gerade mal 48 Prozent. Die Sorge ist konkret, auch wenn die Unternehmen sie nicht offen nennen: Je mehr Menschen am nächsten Wochenende zu Hause bleiben, desto größer könnte der Erfolg der populistischen Parteien sein, der italienischen Lega, der deutschen AfD, des französischen Rassemblement National.
Also lautet das Ziel der Unternehmen: Möglichst viele der fast 430 Millionen Wahlberechtigten zur Stimmabgabe zu bewegen. "Es hat uns selber überrascht", sagt ein Sprecher des EU-Parlaments. "Dass so viele Unternehmen mit politischen Kampagnen zur Europawahl rausgehen, hatten wir früher so nicht gesehen."
Europawahl: Bilfinger setzt sich für Urnengang ein
Unter anderem Bilfinger macht sich stark für einen Urnengang. So sagt Tom Blades, CEO der Bilfinger SE, gegenüber 'Produktion', warum die Wähler zur Europawahl gehen sollten: "Weil Demokratie Denjenigen gehört, die wählen gehen. Mit unserer Stimme können wir die europäische Politik mitbestimmen – keine Selbstverständlichkeit. Gerade in diesen Zeiten brauchen wir ein vitales, starkes Europa, das uns Wohlstand und Frieden sichert."
Er argumentiert, dass alle von Europa profitieren: "Weil Europa große Chancen bietet: Einen gemeinsamen Lebensraum, in dem wir grenzenlos arbeiten können. Einen Binnenmarkt mit 500 Millionen Verbrauchern. Und Europa lebt durch seine demokratischen Werte – ein Mehrwert für uns alle", so Blades.
Auch die Telekom nennt die Vorteile eines vereinten Europas. "Mit ihren Netzen in zwölf europäischen Staaten ist die Telekom ein zutiefst europäisches Unternehmen", wird ein Telekom-Sprecher in der "Süddeutschen Zeitung" zitiert. Man sei "überzeugt, dass die EU ihren Wohlstand auch dem Zusammenhalt der Mitgliedsländer verdankt".
Deshalb brauche es ein starkes Europa - wirtschaftlich und politisch. Seit Jahren arbeiten Konzerne wie die Telekom, aber auch VW und all die anderen, in einem vereinigten Europa.
"Volkswagen wählt Europa"
Die Wirtschaft ist seit Wochen schon im Wahlkampfmodus. VW hängt Plakate auf, auf denen "Volkswagen wählt Europa" steht. Bei der Telekom werden Videos gedreht, in denen Menschen andere Menschen auffordern, wählen zu gehen. BASF, Lufthansa, Thyssenkrupp, der Handelsverband Deutschland (HDE) werben für Europa.
Das Engagement verwundert nicht, hat doch die Wirtschaft viel zu verlieren. Exporte, Märkte, Jobs, Sicherheit. "Gerade auch bei der zunehmenden Digitalisierung brauchen wir Europa und den digitalen Binnenmarkt", heißt es seitens der Telekom.
Es ist nicht neu, dass sich Konzerne politisch positionieren. Schon 1979 hatte VW eine Doppelseite in seiner Mitarbeiterzeitung produzieren lassen, mit der die Mitarbeiter zum Urnengang bei der Europawahl in jenem Jahr aufgerufen wurden. Damals waren viele Menschen aus dem europäischen Ausland, vor allem aus Italien, nach Niedersachsen gekommen, um dort zu arbeiten.
Seit diesen Tagen hat sich Europa verändert. Vor 40 Jahren ging es noch darum, Europa aufzubauen. Heute geht es darum, Europa zusammenzuhalten. "Europa ist nicht mehr so selbstverständlich wie früher, deshalb muss man sich engagieren", sagt ein VW-Sprecher gegenüber der "Süddeutschen Zeitung". Und: "Natürlich spielt auch der Brexit hier eine Rolle." Deshalb wolle man "bis zum letzten Tag die Trommel für die Europawahlen rühren".
In diesen Ländern könnte es einen Rechtsruck geben
Absehbar ist ein nationalistischer Rechtsruck vor allem in Italien mit Salvinis Lega und in Frankreich, wo die Partei Rassemblement National von Marine Le Pen noch vor Macrons Partei ins Ziel kommen könnte. Doch bleibt die nationalistische Rechte im künftigen Europaparlament wahrscheinlich zwiegespalten. Ob der FPÖ-Skandal in Österreich kurz vor der Wahl der Rechten schadet, ist unklar.
Christ- und Sozialdemokraten dürften im EU-Parlament zusammen aber keine Mehrheit mehr haben, sondern mit Liberalen, Grünen oder Linken zusammenarbeiten. Wer rasch welches Bündnis schmieden kann, wird Einfluss darauf haben, ob Weber oder der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans den Posten des EU-Kommissionspräsidenten erobert.
Denkbar ist auch ein ganz anderer Kandidat, weil die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihr Recht zur Nominierung pochen. Diese wollen bereits zwei Tage nach der Wahl, am 28. Mai, bei einem Sondergipfel Vorentscheidungen treffen.
In Deutschland, dem bevölkerungsreichsten EU-Staat, sind am Sonntag allein 64,8 Millionen Menschen wahlberechtigt. Sie dürfen 96 der 751 Europaabgeordneten bestimmen. Um die Mandate bewerben sich 41 deutsche Parteien und Vereinigungen. Eine Fünf-Prozent-Hürde gibt es nicht: Ein niedriges einstelliges Ergebnis dürfte schon reichen.
Mit Material von dpa
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