Zwei Männer, die weiße Hemden tragen, sitzen nebeneinander und diskutieren.

Keine Frauen, nur Männer: So sehen immer noch einige Vorstände in Deutschland aus. - (Bild: Adobe Stock/Shutter B)

Sprachlos. Aggressiv. Wütend. Das waren die Reaktionen meiner Kolleginnen, Freundinnen und mir, als wir den neuesten Bericht der Allbright Stiftung gelesen haben. Der Frauenanteil der 30 DAX-Unternehmen liegt gerade einmal bei 12,8 Prozent. Elf der 30 Konzerne haben nicht einmal eine einzige Vorständin. Und nur vier DAX-Konzerne haben mehr als eine Frau im Vorstand. Vier! Das ist – mit Verlaub – ein Armutszeugnis für das moderne Deutschland.

Zwar wird immer öfter über Diversität geschrieben und bestimmt kann der ein oder andere von Ihnen, liebe Leser, das Thema auch nicht mehr hören, aber: Es passiert zu wenig! Und auch das ist eigentlich noch zu nett formuliert, denn in den Krisenzeiten greifen Unternehmen laut des Berichts auf „Altbewährtes“ zurück. Soll heißen: Man(n) setzt auf Männer. Im September 2019 haben nur sechs DAX-Unternehmen keine Frau im Vorstand gehabt. Zur Erinnerung: Inzwischen sind es elf. Und auch in anderen Bereichen sieht es nicht besser aus, wie es diese Grafik verdeutlicht:

Die Grafik zeigt: Je höher die Position ist, desto weniger Frauen sind vertreten.
Die Grafik zeigt: Je höher die Position ist, desto weniger Frauen sind vertreten. - Grafik: Anja Ringel; Quelle: Allbright-Bericht

Doch woran liegt das? Schauen wir uns doch einmal die Geschäftsberichte der Unternehmen an. So schreibt Rheinmetall – übrigens eines von 55 Unternehmen, das sich einen Frauenanteil von null (!) Prozent im Vorstand zum Ziel gesetzt hat – in seinem Bericht von 2019: „Die Rheinmetall Group versteht die Beschäftigung von Frauen als selbstverständlichen und wichtigen Bestandteil ihrer Vielfalt.“ Klingt erst einmal vielversprechend. Doch weiter heißt es: 21 Prozent der Belegschaft weiblich – keine Steigerung zum Vorjahr.

Nur sechs Prozent Frauen im „oberen Führungskreis“

Vielmehr zeigen die genaueren Zahlen: Der Anteil an Frauen ist in den Bereichen Automotive und Defence sogar gesunken. Lediglich in der Konzernholding und in den Dienstleistungsgesellschaften konnte der Anteil gesteigert werden. Die Frauenquote im „oberen Führungskreis“ liegt nur bei sechs Prozent.

Die Begründung von Rheinmetall: „Generell werden die Branchen Automotive und Defence von Männern bevorzugt, die im Rahmen ihrer Ausbildung bzw. ihres Studiums überwiegend technische oder naturwissenschaftliche Fächer wählen. Daher ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen in unserem Technologiekonzern geringer als in anderen Branchen oder Industriezweigen.“

Machen es sich die Unternehmen hier nicht zu einfach? Ja, technische Studiengänge werden meistens von mehr Männern besucht. Aber das heißt im Umkehrschluss nicht, dass die Absolventinnen weniger Führungsqualitäten haben. Es werden sich aufgrund dessen zwar sicherlich weniger Frauen auf einen Posten bewerben, doch auch dafür gibt es Lösungen.

So ist das Bewerbungsverfahren bei Siemens

So hat der designierte Siemens-Chef Robert Busch zum Beispiel erklärt, er entscheidet sich nicht für einen Kandidaten oder eine Kandidatin, wenn er nicht wenigstens eine Bewerberin gesehen hat. „Wo ich die Chance habe, eine Frau zu finden und einzusetzen, tue ich das auch“, erklärte er. (Mehr dazu lesen Sie hier.)

Auch er sieht das Problem, dass es in technischen Berufen nicht genügend Bewerberinnen gibt, weshalb Siemens die Frauenquote nicht bei 50 Prozent festlegen könne. 50 Prozent! Und in anderen Unternehmen ist es nicht möglich, wenigstens eine Frau im Top-Management zu haben?

Doch zurück zum Geschäftsbericht von Rheinmetall. Das Unternehmen erklärt darin, das Talent Management helfe, „qualifizierte Potenzialträgerinnen frühzeitig zu erkennen und zu entwickeln“. Frauen im Management sollen mehr gefördert und auf künftige Führungsaufgaben vorbereitet werden. Und dann dieser Satz: „Der Aufsichtsrat unterstützt das Ziel des Vorstands, weibliche Führungskräfte nach und nach strukturiert an Positionen in der Unternehmensspitze heranzuführen.“ Heranführen? Vorbereiten? Während Männer also aufgrund ihrer Fähigkeiten in Top-Positionen kommen, müssen Frauen erst herangeführt werden?

Keine Zielquote für Frauen

Dazu noch eine Zahl aus dem Allbright-Bericht: Mit dem Tempo aus der Corona-Zeit, dauert es noch 100 Jahre, bis ein ausgeglichenes Verhältnis von Männern und Frauen in den Vorständen erreicht ist.

Ein weiteres Null-Prozent-Unternehmen, ist Nordex. Dort heißt es, dass sich das Unternehmen bei der Besetzung von Führungspositionen ungeachtet des Geschlechts ausschließlich von der Qualifikation der zur Verfügung stehenden Personen leiten lässt. „Aus diesem Grund liegen die vom Vorstand der Nordex SE beschlossenen Zielquote für Frauen in den beiden Führungsebenen unmittelbar unterhalb des Vorstands gegenwärtig und bis auf Weiteres unterhalb dem vom Gesetz angestrebten 30%-igen (sic!) Anteil“, heißt es im Geschäftsbericht weiter.

Das bringt mehr Diversität in Unternehmen

Da stellt sich doch die Frage, ob die Entscheider wirklich denken, dass Frauen nicht die gleiche Qualifikation wie Männer haben und es deshalb weniger Frauen in den Führungspositionen geben kann? Nur noch einmal zur Erinnerung: Die Frauenquote ist ja auch dazu da, mehr Diversität in Unternehmen zu bringen und diese können Herausforderungen besser meistern. Mehr dazu lesen Sie hier.

Natürlich, es dauert, bis Vorstandsposten neu besetzt werden. Aber können sich Unternehmen nicht vornehmen, bei einer Neubesetzung vor allem weibliche Bewerberinnen anzuschauen?

Denn ein Blick ins Ausland zeigt: Dort sind Unternehmen mit weiblichen Führungskräften schon längst keine Seltenheit mehr. Laut des Allbright-Berichts werden in den USA, Großbritannien, Schweden Frankreich und Polen vielfältigere Führungsteams aufgebaut. Dort werden auch weibliche Talente eher befördert, wie die Grafik zeigt:

Die Grafik zeigt: In den USA ist der Frauenanteil in Vorständen am höchsten.
In den USA ist der Frauenanteil in Vorständen am höchsten. - Grafik: Anja Ringel; Quelle: Allbright-Bericht

Diese DAX-Unternehmen haben mehrere Frauen im Vorstand

Auch bezeichnend: All diese Länder haben den Frauenanteil unter den Vorständen 2019 ausgebaut – nur in der Bundesrepublik ist er gesunken. 97 Prozent der amerikanischen und 87 Prozent der französischen Konzerne haben mehrere Frauen im Vorstand. Nochmal zur Erinnerung: In Deutschland sind es gerade einmal vier Großunternehmen - Allianz, Daimler, Deutsche Telekom und Fresenius Medical Care.

Mindestens 30 Prozent Frauen im Vorstand haben in den Vereinigten Staaten fast die Hälfte der Unternehmen, in Großbritannien und Schweden mehr als ein Drittel. In Deutschland? Kein einziges! Die Bundesrepublik ist im Übrigen auch das einzige Land in der Untersuchung, in dem kein einziges der 30 größten Unternehmen von einer Frau geleitet wird. Wie kann das sein? Denn dass es in Deutschland keine geeigneten Anwärterinnen gibt, darf stark bezweifelt werden. Fehlt die Überzeugung, dass Frauen genauso qualifiziert sind?

Weitere Beispiele aus den Berichten deutscher Unternehmen: Bei Carl Zeiss heißt es, „der Aufsichtsrat hat sich als Ziel gesetzt, mittelfristig auch die Teilhabe von Frauen im Vorstand zu erhöhen, sieht jedoch kurzfristig noch keine Möglichkeit einer Veränderung. Daher hält der Aufsichtsrat weiterhin formal an der bestehenden Quote von Null Prozent fest.“

Und weiter: „Der Vorstand ist weiterhin der Auffassung, dass die Festlegung von Zielquoten mit dem Primat der Qualität bei der Besetzung von konkreten Führungspositionen vereinbar ist, wenn die Zielquote als unternehmerischer Anspruch und Ausdruck zielgerichteter Personalpolitik, nicht aber als Detailplanung für konkrete Führungspositionen verstanden wird.“

Krones erklärt sich folgendermaßen: „Aktuell ist der Vorstand ausschließlich mit männlichen Mitgliedern besetzt, weshalb die Frauenquote im Vorstand 0% beträgt. Grund für die derzeit rein männliche Besetzung ist, dass es dem Aufsichtsrat trotz geeigneter Kandidatinnen nicht gelang, diese für den Vorstand zu verpflichten.“ Es gibt also doch geeignete weibliche Führungskräfte! Positiv bei Krones: Künftig sollen Frauen bei Neubesetzung einer Vorstandsposition bei vergleichbarer Qualifikation bevorzugt werden.

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In Deutschland fehlt „ein dringend notwendiger Modernisierungsschub“

Es gibt sogar noch zwei weitere Lichtblicke, schreibt der Allbright-Bericht: Mit der Deutschen Telekom diesen November und SAP im Januar 2021 werden immerhin zwei Konzerne bald einen 33-prozentigen Frauenanteil erreichen.

Wie kann die Situation also geändert werden? Die Experten von Allbright erklären, dass 2019 90 Prozent der neuen Vorständinnen aus Deutschland kommen. Es gibt als genügend Nachwuchskräfte. Doch die Zahlen schauen weiter anders aus. „Dieser Entwicklungsstand im Top-Management der deutschen Unternehmen passt nicht zum Selbstverständnis eines fortschrittlichen westlichen Industrielands. Hier fehlt noch immer ein dringend notwendiger Modernisierungsschub, wie er in den Unternehmen anderer Länder längst in vollem Gange ist. In der Krise auf vertraute Männer zu setzen, ist ein kurzsichtiger Reflex, der sich über kurz oder lang rächen wird“, kommentieren die Allbright-Geschäftsführer Wiebke Ankersen und Christian Berg.

Sie schreiben weiter: „Die gut ausgebildeten Frauen stehen längst in großer Zahl bereit. Die Unternehmen müssen ihnen nur viel konsequenter Verantwortung übertragen – auch und gerade in der Krise.“ Ein dringender Appell an die Entscheider der Unternehmen, in Personalfragen auch einmal neue Wege zu gehen und weiblicher und diverser zu werden. Denn es ist höchste Zeit für Veränderungen.

Ihre Meinung: Frauen in Führungspositionen

Die Frauenquote ist ein Thema, über das stark diskutiert wird. Deshalb wollen wir wissen:

  • Wie stehen Sie zur Quote?
  • Wie ist die Situation in Ihrem Unternehmen?
  • Gibt es zu wenig weibliche Bewerberinnen?
  • Was muss getan werden, um mehr Frauen im Top-Management zu haben?
  • Was sind Ihre Erfahrungen mit Team-Diversity?

Schreiben Sie mir gerne Ihre Meinung! Per Mail (anja.ringel@mi-connect.de) oder direkt über LinkedIn. 

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