Es ist noch nicht lange her, da war Guangdong nicht für Hightech bekannt, sondern für Billigprodukte. Wie der südchinesischen Provinz dieser Wandel zum Hersteller für Zukunftstechnik gelang, zeigt die Geschichte des Unternehmers He Xiangjian. Er kommt aus Beijiao im Distrikt Shunde, das jetzt zur bezirksfreien zehn-Millionen-Stadt Foshan gehört.
Die Erfolgsgeschichte des Selfmade-Milliardärs He begann 1968 während des Höhepunkts der Kulturrevolution, als der damals 26-Jährige zusammen mit 23 Einwohnern in Beijiao mit nur 5.000 Yuan (circa 650 Euro) eine Werkstatt zur Herstellung von Flaschendeckeln gründete.
Staatliche Beteiligung als Vorteil
Danach stellte die von ihm geleitete Dorf-Produktionsbrigade Autoteile her. Später konzentrierte sie sich dann auf die Herstellung elektrischer Ventilatoren. Einen Großteil der Anteile des vormaligen Staatsbetriebs kaufte He im Jahr 1981, der Rest verblieb zunächst bei der Lokalregierung des Distrikts Shunde. Im Jahr 2001 stockte He seine Anteile auf 56,63 Prozent auf.
Zwischen 2011 und 2012 stiegen zwei Beteiligungsgesellschaften bei dem Unternehmen ein, das inzwischen Midea genannt wurde. „Beide gehören oder sind ein Teil der Zentralregierung“, stellt Liu Jiajia von der Universität Manchester in einer Analyse fest. Private Unternehmensstruktur und staatliche Beteiligungen sind bei Midea eng verknüpft. Für das Unternehmen ist dies jedoch eher ein Vorteil. Denn es geht bei der staatlichen Beteiligung weniger darum, die Firma zu gängeln, sondern mehr um die Unterstützung durch Regierungsstellen. „Was gut für Midea ist, ist auch gut für Foshan“, lautet die einfache Logik.
So baute Midea seine Produktpalette auf
Als die Einkommen stiegen, schafften sich viele chinesische Haushalte und Firmen höherwertige Geräte an und Midea begann, Klimaanlagen zu produzieren. Bis heute gelten Klimaanlagen als Kerngeschäftsprodukt des Unternehmens. Es entwickelte allmählich eine breite Produktpalette elektrischer Haushaltsgeräte, wozu 1990 mit einer Investition von 100 Mio. Yuan ein erstes modernes Industriegebiet gegründet wurde. Midea erzielte bereits 1990 einen weltweiten Umsatz von mehr als einer Milliarde Yuan. Innerhalb von nur zwei Jahren verdoppelte die Firma den Umsatz.
Expansion über Produktionsstätten und Joint-Ventures
Die internationale Expansion begann 2007, als Midea seine ersten Produktionsstätten in der Nähe von Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam eröffnete. Es folgten mehrere strategische Joint-Venture-Partnerschaften mit dem amerikanischen Klimaanlagenhersteller Carrier Corporation in Ägypten, Brasilien, Argentinien, Chile und Indien. Das Unternehmen erreichte im selben Jahr einen Jahresumsatz von mehr als 100 Mrd. Yuan (etwa 13 Mrd. Euro).
Midea heute: Mehr als 150.000 Leute
Die Midea Group ist an der Börse von Shenzhen notiert und hat mehr als 200 Tochtergesellschaften, darunter Kuka und eine Mehrheitsbeteiligung von 80,1 Prozent an der Toshiba Home Appliances Group. Midea produzierte mit über 150.000 Mitarbeitenden alleine 2022 etwa 67 Millionen Klimaanlagen und Wärmepumpen. Zum Vergleich: Im gleichen Jahr wurden in ganz Deutschland 236.000 Wärmepumpen installiert. Der Konzern setzt bei seiner Produktion und seinen Geräten auf Vernetzung und künstliche Intelligenz, um den Energieverbrauch zu minimieren und gleichzeitig die Leistung zu maximieren.
Die Fertigung ist hoch automatisiert, um bei den stark gestiegenen Löhnen in Südchina auch weiter wettbewerbsfähig zu produzieren. Der Umsatz stieg trotz Corona 2022 leicht auf 344 Mrd. Yuan, und der Nettogewinn stieg auf 29 Mrd. Yuan.
Wer ist He Xiangjian?
Der Firmengründer gibt sich bescheiden und setzt auf engagierte Mitarbeiter. "Ich würde lieber auf ein Geschäft mit einem Millionengewinn verzichten, als eine Person aufzugeben, die die richtigen Talente in unser Unternehmen bringt", erklärt er auf der Unternehmenswebsite.
He ist Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas und saß in seiner Heimatstadt als Delegierter im Volkskongress. Dabei beschreiben Geschäftspartner den Schulabbrecher als umfassend gebildeten Menschen mit entgegenkommenden Manieren, welche wenig mit den überheblichen Gebaren vieler Selfmade-Milliardären zu tun hätten. Er sei immer noch der sympathische Junge aus Shunde.
Der eher zurückgezogene He, der wenig von sich verlautbaren lässt, stand im Sommer 2020 erstmals im Rampenlicht der internationalen Medien, als er von Entführern als Geisel genommen wurde, die Lösegeld erpressen wollten. In einer filmreifen Aktion schwamm sein Sohn He Jianfeng über einen See neben dem luxuriösen Familiensitz, um Alarm zu schlagen und die Polizei zu rufen, berichteten chinesische Medien.
Das dramatische Ereignis dämpfte Hes Elan jedoch nicht. Ende 2020 eröffnete er das He Art Museum (HEM) in Foshan. Shao Shu, der Geschäftsführer des Museums, erklärt, dass die Familie He mit dem Ausstellungs- und Veranstaltungsort ein Gleichgewicht zwischen chinesischen, kantonesischen und westlichen Kunstkulturen zeigen möchte. Die Familie beauftragte den japanischen Architekten Tadao Ando mit dem Entwurf des Betongebäudes mit Glaswänden, das teilweise von den traditionellen Rundhäusern aus Lehm der Region inspiriert ist.
Mit dem Museum möchte He auch die besondere Kultur seiner Heimat Südchina in einer modernen Interpretation zeigen. Die Provinz Guangdong alleine hat 127 Millionen Einwohner. Dort wird überwiegend Kantonesisch gesprochen, eine von mehreren chinesischen Sprachen beziehungsweise Dialekten, die in dem Vielvölkerstaat anzutreffen sind. Als Hochchinesisch gilt Mandarin, was viele Menschen in Südchina – und auch He – allerdings nur wenig sprechen.
Hightech und KI sollen Klimawandel aufhalten
Nicht nur für Kulturprojekte spendet He viele Millionen. Bereits 2017 führte er in China die Liste der Großspender für soziale Projekte an. Anfang Juni 2023 stellte er den He-Wissenschaftsfonds vor, der mit drei Milliarden Yuan ausgestattet ist. Dieser soll künstliche Intelligenz und die Klimaforschung fördern.
"Die Einrichtung des Wissenschaftsfonds wird dazu beitragen, dass sich mehr Wissenschaftler auf ihre Arbeit konzentrieren und wir mehr junge Menschen für den technologischen Fortschritt und die Innovation im Land gewinnen, um die Zukunft der Menschheit zu sichern“, sagte He bei der Vorstellung des Fonds. Nach chinesischer Sichtweise kann die dringend notwendige ökologische Wende nur durch den massiven Einsatz von Hightech und KI gelingen.
Hes Strategie für den Generationenwechsel
Dass He hat jetzt Zeit für diese Projekte, denn schon vor mehr als zehn Jahren organisierte er die Nachfolgeregelung für seinen Weltkonzern. 2012 trat er als Unternehmenschef zurück, um sich bei der Midea Investment Holding auf die Entwicklungsstrategie zu konzentrieren.
Obwohl sein einziger Sohn He Jianfeng im Vorstand des Geräteherstellers sitzt, mischt sich der Erbe nicht in die Geschäftsführung ein. Stattdessen beaufsichtigt er die Investmentfunktionen der Familie bei Infore Investment.
„Unter den chinesischen Konglomeraten können nur diejenigen mit solidem Management und angemessenen Vorbereitungen für die Machtübergabe einen Generationswechsel verkraften“, sagte Ding Haifeng, Berater bei der in Shanghai ansässigen Finanzberatungsfirma Integrity. "Midea sei eines der besten Beispiele dafür, wie eine effektive Nachfolge das langfristige Wachstum eines nicht-staatlichen chinesischen Herstellers sicherstellte.
Seine beiden Töchter machen ihre Milliarden eher außerhalb von Midea. He Qianchang gründete die Hefei Huitong New Materials Company. Nach der erfolgreichen Börsennotierung des Unternehmens im Jahr 2020 überstieg der Gesamtmarktwert ihres Konzerns 7,5 Mrd. Yuan. Die jüngste Tochter He Qianxing gründete mit ihrem Mann ein Technologieunternehmen in Guangdong und soll damit zur Multimilliardärin geworden sein.
Corona und Luxusleben lassen Hes Vermögen schmelzen
Im Juni 2023 lag He Xiangjian mit 22,9 Mrd US-Dollar auf Platz 7 der reichsten Chinesen. Zwei Jahre zuvor lag sein Vermögen noch bei 37,7 Mrd US-Dollar. Der Rückgang lag hauptsächlich daran , dass Midea-Aktien durch Corona stärk an Wert verloren, aber auch da He sein Vermögen ausgibt. Nicht nur für soziale Zwecke, sondern auch für einen eher luxuriösen Lebensstil, auch wenn das Parteimitglied nach außen immer noch bescheiden und bodenständig auftritt. Als Privatflugzeug nutzt er einen Gulfstream G450.