
Kleinere Teams arbeiten häufig viel effizienter als große Teams. (Bild: redmind-studio/unsplash)

Dagmar Hebenstreit, Unternehmensberaterin bei Agileus Consulting, erörtert, wie KMU sinnvoll verknappen.
Der Mittelstand glänzt in vielerlei Hinsicht mit Sympathie. Dazu zählen die kleineren Teams, die meist über Jahre zusammenarbeiten und sich untereinander kennen und schätzen. So viel Zusammenhalt erhöht jedoch den emotionalen Druck, gerät das Unternehmen in Schieflage. Für Unternehmensverantwortliche ist die Situation besonders belastend, da sie Mitarbeitende schützen wollen, aber ihr Unternehmen aufrechthalten müssen. Schließlich heißt es: Entweder ein paar müssen gehen – oder alle. Ganz abgesehen von dem finanziellen Verlust, der an der wirt-schaftlichen Situation der Firma hängt.
Klein gleich fein
Chefs und Chefinnen versuchen grundsätzlich mindestens ihre bestehende Unternehmensgröße zu halten. Sich zu verkleinern ist ökonomischer Unsinn – oder? Nein, denn kleinere Teams arbeiten häufig viel effizienter als große Teams: Alle fühlen sich für das Unternehmen und dessen Produkte verantwortlich und lassen einander Unterstützung zukommen. Selbst, wenn die Aufgaben nicht zu ihrer eigentlichen Jobspezifikation gehören. Der Vertrieb braucht Unterstützung bei der Anzeigen-schaltung? Vielleicht kann das Backoffice helfen. Einem Mitarbeiter in der Produktion fällt etwas auf, das sich zu einem Problem entwickeln könnte? Der Schritt zur Entwicklung ist nicht weit und wird gedankt. Wissen verschiedener Fachdisziplinen vereint für ein besseres Produkt und als Geheimrezept für Innovation – das gelingt nur ohne abgegrenzte Departments. Und kleinere Teams sind darin spitze!
Größere Unternehmen kommen nicht daran vorbei, einzelne Abteilungen zu schaffen, aber sie können sich ein Beispiel an der Arbeitsweise der Kleinen nehmen und von deren Flexibilität profitieren. Sollten größere Unternehmen sich also verkleinern müssen, kann diese Chance genutzt werden, um diese positiven Effekte im kleineren Team gezielt umzusetzen. Häufig übersehen Geschäftsführende diese Auswirkungen, die eine Verkleinerung mit sich bringt. Zeit, dies in den Mittelpunkt zu rücken und Verant-wortlichen Mut zu machen.
Wie gehen Verantwortliche vor?
Mitarbeitende bekommen schnell mit, wenn etwas im Unternehmen nicht stimmt. Besonders in kleineren Firmen verbreiten sich negative News wie ein Lauffeuer. Die grundsätzlich angespannte wirtschaftliche Lage sorgt zudem für Dauersensibilität. Unternehmen jeder Größe fußen auf der Expertise ihrer Mitarbeitenden. Auch, wenn alle Angestellten wichtige sind, so gilt es die Spezialisten mit besonderer Expertise zu halten. Werden diese nervös, weil die Geschäftsleitung die Lage nicht kommuniziert, ziehen sie die Reißleine und finden schnell einen neuen Job. Das darf unter keinen Umständen passieren!
Deshalb ist richtige interne Kommunikation der Königsmacher: Respektvoll, vertrauensvoll, zuversichtlich und ehrlich sprechen Chefs die schwierige Situation des Unternehmens bei den Angestellten an. Der Feind der geregelten Verkleinerung ist Panik.
Haben Chefs diejenigen Mitarbeitenden ins Bild gesetzt, die sie auf keinen Fall verlieren wollen, so treffen sie schnell eine Entscheidung, welche Stellen sie streichen. Ein Fehler, den in dieser Situation viele begehen: der Fokus auf niedrigschwellige Jobs richten. Eine zwanghafte Verkleinerung soll Geld einsparen. Je geringer das Gehalt der zu Debatte stehenden Positionen, umso mehr Mitarbeitende müssen gehen. Effizienter ist der Blick in die höheren Hierarchieebenen. Wenn mehrere Angestellte gehen müssen, sinkt meist auch die Zahl derjenigen, die das Management zu betreuen hat. So kann das Unternehmen auch Managementposten reduzieren.
Die gleiche Arbeit auf weniger Schultern
Nach dem erfolgten schweren Einschnitt in die Unternehmenskultur und die Einführung einer neuen Arbeitsweise stellt sich die Frage: Wie verteilen KMU die Arbeitslast von vielen Schultern auf wenige, ohne die verbleibenden Mitarbeitenden zu überlasten?
Die Goldene Regel: Sie fokussieren konsequent die wichtigsten Projekte und Aufgaben. Was bringt den höchsten Kundennutzen und hat damit den höchsten Business Value? Geschäftsführende müssen hier die Linie vorgeben und möglicherweise Mitarbeitende motivieren, die klare Linie in ihre Arbeitsweise zu implementieren.
- Dazu priorisieren sie Projekte klar von eins - x und füllen sie mit den vorhandenen Kapazitäten auf. Eine 100-prozentige Zuteilung der Mitarbeiter auf die Projekte, die maximal zwei Projekte parallel betreuen, sollte hier die Norm darstellen. Sehr spezifische Fachexperten mit wenig Zeitaufwand pro Projekt bilden eine Ausnahme.
- Alle Projekte mit einer geringeren Bewertung stoppt die Geschäftsleitung. Erfahrungswerte zeigen, dass Parallelisierung von zu vielen Aufgaben alle Projekte verlangsamt und damit den Markteintritt verzögert. Erfolgreiche Hersteller entwickeln zunächst den ersten Schwung und holen dann mit voller Kapazität bei nächsten Projekten auf.
- Wichtig: Die Priorisierung gilt auch für Produktfeatures! Welche haben den größten Business Value, weil sie für den größten Teil der Zielgruppe attraktiv sind? Merkmale, die nur für einen kleinen Anteil des Marktes Relevanz besitzen, erhöhen die Entwicklungszeit, die Kosten und damit den Preis auf Kosten des Großteils der Kunden – was wiederum den Absatz erschwert. Produktfeatures zu priorisieren bedeutet, den Kundennutzen zu verstehen und gleichzeitig Mitarbeitenden Arbeitslast abzunehmen.
Quelle: Agileus Consulting