Shortcuts zum Inhalt:
- Fremdfirmenunterweisung - richtig und wichtig
- Informationen für alle externen Beschäftigten
- Management durch Präsenz
- Sprachbarrieren als Gefahr für die Sicherheit
- Arbeitssicherheit ist auch Gesundheitsschutz
- Qualifikationen der Fremdfirma prüfen
- Eine Plattform für mehr Schulungstransparenz
- Unterweisung per Software
Um marktwirtschaftliche, aufgabenabhängige und saisonal bedingte Auslastungsschwankungen abfedern zu können, kommen bei vielen Unternehmen Fremdfirmen zum Einsatz. Neben Vertrauen braucht es dafür vor allem ein gutes Fremdfirmenmanagement, welches die Einweisung, den Einsatz, die Koordination und die Überwachung der Kontraktoren konsequent regelt.
"Der Bedarf des Marktes für Turnarounds ist nicht kontinuierlich. Die Projekte unserer Hauptkunden können wir überwiegend mit Eigenpersonal abdecken, für die Spitzen holen wir uns Unterstützung von Fremdfirmen", erklärt Dennis Lubsch, Leiter des Geschäftsbereichs Turnaround der Bilfinger Maintenance GmbH den Hauptgrund, weshalb viele Firmen Aufgaben an einen externen Dienstleister vergeben.
Ein Kontraktor bietet jedoch weit mehr als nur Manpower. Spezialisiert auf gewisse Anwendungen oder Technologien, verfügt er über entsprechendes Know-how und das nötige Equipment, dessen Anschaffung sich für den Auftraggeber oftmals nicht lohnt. Auch kann eine Fremdfirma dem Fachkräftemangel, geschuldet der internen demografischen Entwicklung, kurzfristig entgegenwirken.
Eine Situation, die auch Lubsch kennt: "Für einen Turnaround haben wir nur vier Wochen Zeit. Da kann man keinen Auszubildenden mitnehmen, denn da muss jeder Handgriff sitzen". Darüber hinaus stellt eine Generalrevision eine große Herausforderung bei der Arbeitssicherheit dar: Zum einen ist der Zeitdruck enorm groß, zum anderen arbeiten sehr viele Menschen auf engstem Raum an einer Anlage.
Fremdfirmenunterweisung - richtig und wichtig
Und genau hier darf ein Auftraggeber kein Risiko eingehen, denn wer eine Fremdfirma beschäftigt – egal ob im Rahmen eines Werkvertrags oder einer Arbeitnehmerüberlassung – trägt neben der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht auch die Verantwortung zur Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen. Sprich: Er muss richtig unterweisen.
Deshalb bekommt auch bei Bilfinger jeder Arbeiter einer Fremdfirma eine Unterweisung in Sachen Sicherheit. Und diese Informationen erhalten die Kollegen nicht etwa kurz vor Arbeitsbeginn, sondern das Sicherheitsverständnis jedes einzelnen wird am Standort Leuna in einem Onboarding-Prozess geprüft.
"Das Onboarding umfasst sowohl die Sicherheit als auch Qualität, Effizienz und Motivation. Stellen wir dabei Defizite fest, so werden die neuen Mitarbeiter in Gruppen aufgeteilt und zielgerichtet geschult", erklärt Lubsch die Vorgehensweise bei seinem Arbeitgeber Bilfinger, der selbst als Fremdfirma auf dem Werksgelände der Anlagenbetreiber tätig ist.
Ohne eine allgemeine Unterweisung gelangt auch bei der Badische Stahlwerke GmbH (BSW) kein Fremdfirmenmitarbeiter auf das Werksgelände. Für den wöchentlichen Revisionsstillstand, der unter anderem die Reparaturen, Reinigungsarbeiten und die Überprüfung von überwachungspflichtigen Anlagenteilen umfasst, sind im Schnitt zwischen zehn bis 15 Fremdfirmen für das Unternehmen im Einsatz. Für den jährlichen, länger dauernden Weihnachtsstillstand, sowie für Großprojekte, kommen weitere Firmen hinzu.
Der Projektleiter unterweist entweder selbst die Mitarbeiter der Fremdfirma oder deren Vorarbeiter, der dann dazu verpflichtet ist, seine Mitarbeiter zu unterweisen. "Erst wenn der BSW-Pforte der tagesaktuelle Unterweisungsnachweis im Original vorliegt, erhält der Mitarbeiter einen digitalen Ausweis, der ihn zum Zutritt auf unser Gelände berechtigt", erläutert Arne Haferkorn, Leiter Arbeitssicherheit und Werkschutz, den Ablauf der allgemeinen Unterweisung bei BSW.
Management durch Präsenz
Im Anschluss erfolgt die arbeitsplatzbezogene Unterweisung durch den BSW-Projektleiter, welche primär auf Sicherheit und Gefahren am Arbeitsplatz eingeht, aber auch wie man zum Beispiel unfallfrei zur Kantine gelangt. Und das ist nicht weniger wichtig, wie sich im wahren Leben immer wieder zeigt. "Wir mussten feststellen, dass Absperrbänder selten respektiert werden, damit die Leute eben leichter durchkommen, um eine Abkürzung zu nehmen", berichtet Haferkorn.
Natürlich hat man daraus gelernt und die Absperrbänder durch Bauzäune ersetzt. Doch weil auch dieser nicht unüberwindbar ist, sind sowohl die Arbeitsschutzabteilung als auch der Projektleiter angewiesen, häufig vor Ort zu sein.
Ohne Überwachung beziehungsweise Kontrolle geht es nicht. Das hat aber keinesfalls mit Misstrauen zu tun, sondern mit der Tatsache, dass es eben zwei verschiedene Firmen sind, zu denen die Mitarbeiter in einem unterschiedlichen Verhältnis stehen.
Wie schafft man es also, dass Mitarbeiter einer Fremdfirma ihre Arbeit für den Auftraggeber genauso zuverlässig und pflichtbewusst erledigen wie für ihre eigene Firma?
Die Antwort von Haferkorn ist einfach: "Die Verbundenheit lebt und stirbt mit dem Vorarbeiter. Den müssen sie überzeugen! Und man muss den Leuten klarmachen, dass es für ihre eigene Gesundheit ist." Klingt leichter als es ist, denn um dies zu vermitteln, spielen sowohl Sprache als auch Kultur eine große Rolle.
Sprachbarrieren als Gefahr für die Sicherheit
Bezüglich der Sprache haben Bilfinger und BSW im Fremdfirmenmanagement klare Vorgaben: Bei Bilfinger muss in jeder Gruppe, zum Beispiel bei den Schlossern, ein Vorarbeiter dabei sein, der sowohl Deutsch beziehungsweise Englisch als auch die Sprache der Schlosser spricht. Auch bei BSW muss der Vorarbeiter der deutschen Sprache mächtig sein, die Mannschaft muss das Wichtigste in Deutsch verstehen.
"Das mit dem Vorarbeiter schaffen wir, doch das mit der Mannschaft bekommen wir nicht immer hin", bedauert Haferkorn. Denn schließlich geht es ihm dabei vorrangig darum, dass die Beschäftigten Warnrufe wie 'Alle weg hier!' oder Warnschilder verstehen können.
Deshalb fordert man beim Auftraggeber BSW zusätzlich mindestens einen Übersetzer im Team. "Da würden wir gerne besser werden, sehen für die Zukunft aber aufgrund des Fachkräftemangels eher das Gegenteil", sagt Haferkorn über den Trend, den er bereits bei den LKW-Fahrern beobachten kann, die auf dem BSW-Firmengelände ihrer Arbeit nachgehen: "Das Speditionsgewerbe wandert immer weiter nach Osten, da ist dann auch mit Englisch oft nichts mehr zu machen."
Die Badischen Stahlwerke behelfen sich für die Wegbeschreibung mit Bildern und Fotos, die an der Pforte ausgegeben werden. Zudem sind alle Anfahrtsstellen im Unternehmen durchnummeriert, sodass der Fahrer statt zur Warenannahme zu Tor 2 fahren muss. Zumindest hier lassen sich Sprachbarrieren mit einfachen Mitteln überwinden.
Arbeitssicherheit ist auch Gesundheitsschutz
Schwieriger ist es bei der Fremdfirmenunterweisung, den verhaltensbezogenen Arbeitsschutz zu vermitteln. Vielen ist der Zusammenhang zwischen Arbeitsunfällen und Qualität der Arbeit noch nicht bewusst, die Unterweisung steht der Kultur gegenüber.
Denn während der Mitteleuropäer weiß, dass er versichert ist und bis zu sechs Wochen bei voller Lohnfortzahlung zu Hause bleiben kann, sind es Mitarbeiter aus fremden Kulturkreisen gewöhnt, kein Geld zu bekommen, wenn sie nicht arbeiten.
Die Folgen: Entweder gehen die Mitarbeiter mit einer Schnittwunde zur Arbeit und erhöhen so das Infektionsrisiko. Oder Arbeitsunfälle werden verheimlicht, weil die Fremdfirma den Mitarbeiter sofort entlassen würde, um ihn nicht bezahlen zu müssen.
"Natürlich ziehen wir Konsequenzen daraus, wenn so eine Kultur in der Fremdfirma vorherrscht", sagt Haferkorn. Schließlich widerspricht dieses Verhalten genau dem, was man seit 2008 verstärkt ausgebaut hat: die Zusammenarbeit mit den Fremdfirmen, um gemeinsam aus Vorkommnissen zu lernen und so Unfälle zu verhindern.
Um dies im Alltag auch umsetzen zu können, stehen beide Seiten in der Pflicht: Die Fremdfirmen müssen sämtliche Vorkommnisse dem Projektleiter melden, BSW muss dafür Sorge tragen, dass für jede Fremdfirma ein kompetenter Ansprechpartner auf der Baustelle präsent und greifbar ist.
Qualifikationen der Fremdfirma prüfen
Neben Sicherheit, Arbeitsschutz und Kommunikation ist das Qualifikationsmanagement eine weitere Herausforderung, welche der Auftraggeber zu meistern hat. Natürlich können Fremdfirmenmitarbeiter anhand von Zertifikaten ihre Qualifikation nachweisen, doch "oft werden Schulungen von Stellen durchgeführt, die im Gegensatz zu uns kein internes Interesse an Qualität haben", begründet Lubsch den Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Auch Fälschungen seien im Umlauf.
Um Qualitätsmängel zu reduzieren, investiert Bilfinger viel Zeit und Kosten, indem beim Onboarding die Arbeitsweise jedes Fremdfirmenmitarbeiters aus dem Stegreif am Flanschenbaum geprüft wird. So kann jeder Mitarbeiter vom Unternehmen eingeordnet, entsprechend geschult und dann für den Turnaround zugelassen werden.
Eine Plattform für mehr Schulungstransparenz
Mangelnde Schulungstransparenz, unnötige Mehrfachschulungen und Schulungsdefizite zu verhindern waren auch Gründe, die Roche zu der Entwicklung einer Schulungsplattform bewegten.
Der Gedanke dahinter: Sicherstellen, dass externe Auftragnehmer den gesetzlichen Vorgaben, den sicherheitstechnischen und den definierten Qualitätsanforderungen entsprechen und so jederzeit zuverlässig und effizient im Unternehmen eingesetzt werden können.
"Damit haben wir für rund 640 Roche-User, welche die Aufträge vergeben, eine Möglichkeit geschaffen, den Überblick über die insgesamt mehr als 1.700 Mitarbeiter von 160 externen Dienstleistern zu behalten", erklärt Ralph Kürschner, Contractors Management Expert bei Roche Diagnostics in Mannheim.
Die Systematik hinter der Plattform, auf die jederzeit und von überall aus zugegriffen werden kann, ist leicht erklärt: Roche hinterlegt auf der Plattform externe Qualifikationen, Schulungen sowie einsatz- und tätigkeitsbezogene Schulungsgruppen. Nach Eingabe der Stammdaten weist der externe Dienstleister seinen Mitarbeitern die erforderlichen Qualifikationen und Schulungsgruppen zu, führt die Schulungen durch, dokumentiert dies und archiviert die Schulungsnachweise auf der Plattform.
Auf diese Weise haben Roche-Mitarbeitende nicht nur einen schnellen und detaillierten Überblick über die Qualifikationen eines jeden relevanten Beschäftigten der Fremdfirmen, sondern auch der Dienstleister kann mit diesem Hilfsmittel seine Einsatzplanung verbessern.
Unterweisung per Software
Derzeit sind auf der Plattform rund 1.240 aktive Schulungen und Qualifikationen sowie 246 Schulungsgruppen hinterlegt. "Für die Firmen ist dieses System etwas völlig Neues, weshalb wir die Schulungsverantwortlichen der Fremdfirma nach der Einweisung die ersten ein bis zwei Monate noch begleiten", erklärt Kürschner. Dass die Plattform auch nach diesem Zeitraum sorgfältig und korrekt gepflegt wird, stellt Roche auf mehreren Wegen sicher.
"Dadurch, dass viele verschiedene Roche-Verantwortliche auf dieselben Dienstleister zugreifen, jedoch mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen, haben wir einen hohen Anteil an Stichprobenkontrollen", nennt Kürschner einen davon. Zudem werden alle drei Jahre alle wichtigen Auftragnehmer durch das Fremdfirmenmanagement in Kooperation mit dem Arbeitsschutz auditiert. Anlassbezogene Überprüfungen finden dann statt, wenn Roche selbst durch eine Zulassungsbehörde auditiert wird.
Und schließlich wird mit dem Schulungserfüllungsgrad eine monatliche Kennzahl erhoben. Sie ist das Verhältnis der erfolgreich absolvierten Schulungen in Bezug auf die der Firma zugewiesenen Schulungen. Wird der Zielwert von 95 Prozent wiederholt unterschritten, suchen die Mitarbeiter des Roche Competence Center das Gespräch, um es zu einem Besseren zu führen.
"Allerdings", betont Kürschner, "wird diese Plattform sehr gut angenommen. Zumal sie seit ihrer Einführung im September 2013 ohne große Ausfallzeiten stabil läuft." Um Fehler, die im Zuge des Prozesses einfach passieren können, in Zukunft zu verringern, wird die Plattform hinsichtlich intuitiver Bedienbarkeit und Übersichtlichkeit stetig optimiert.
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