Geschäftsführer aufgepasst: Seit Anfang des Jahres gibt es ein neues Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (Starug). Es soll laut der Unternehmensberatung Falkensteg die Lücke zwischen der außergerichtlichen Sanierung und der Sanierung in der Insolvenz schließen. PRODUKTION fasst die wichtigsten Punkte zusammen.
Darum geht es
„Das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts schafft einen Rechtsrahmen, der es Unternehmen ermöglicht, sich bei drohender, aber noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit, außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu sanieren. Dies geschieht auf Grundlage eines Restrukturierungsplans, den ihre Gläubiger mehrheitlich angenommen haben“, heißt es auf der Website der Bundesregierung. Ziel des Gesetzes sei es, die Rahmenbedingungen für die Durchführung frühzeitig eingeleiteter und gut vorbereiteter Sanierungen zu verbessern. Wichtig ist, dass die Unternehmen nur drohend und nicht komplett zahlungsunfähig sind (zum Gesetz geht es hier).
So sieht der neue Restrukturierungsrahmen genau aus
Bisher war bei Fragen der Unternehmensrettung eine Einstimmigkeit notwendig. Das ändert sich nun, erklärt Steffen Reusch, Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO in einem Beitrag: Der Restrukturierungsrahmen ermögliche nun eine Unternehmensrettung, wenn nur 75 Prozent der Gläubiger pro Gruppe – gemessen an der Forderungshöhe, nicht nach Köpfen – zustimmen. Das heißt: Ein Sanierungskonzept ohne förmliches Insolvenzverfahren kann künftig umgesetzt werden, wenn eine Mehrheit der Gläubiger von den Plänen überzeugt ist.
Diese Maßnahme werde die Restrukturierungswelt erheblich verändern, sagt Wolfram Lenzen, Partner der Unternehmensberatung Falkensteg in einer Mitteilung. Ein Schuldner, der sich außergerichtlich sanieren möchte, habe durch das Starug nun mehr Einflussmöglichkeiten.
Die Unternehmensberatung erklärt außerdem, dass die weiteren Möglichkeiten der Verwertungs- und Vollzugssperre der Firma ausreichend Zeit und Ruhe geben, um einen Restrukturierungsplan zu entwickeln und mit den Gläubigern abzustimmen.
Sanierungsgesetz ist rein finanzwirtschaftliches Instrument
Ursprünglich war in dem Gesetz auch eine einseitige Vertragskündigung ungünstiger Dauerschuldverhältnisse vorgesehen. Diese wurde laut Falkensteg aber noch gestrichen, weshalb die Anwendung des Starug stark eingeschränkt und das Gesetz ein rein finanzwirtschaftliches Instrument sei. Dadurch sei die Chance hin zu einem Schuldnerverfahren, wie zum Beispiel in den Niederlanden, verpasst worden, sagt Lenzen. „Gerade für Unternehmen, die von den beiden Lockdowns stark betroffen sind, fehlt nun ein Sanierungsinstrument.“
Dafür wurde an anderer Stelle nachgebessert und der § 313 BGB konkretisiert, erklären die Experten von Falkensteg. Demnach können sich Mieter und Pächter nun aufgrund der Pandemie und den damit verbundenen Umsatzausfällen auf eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ berufen. In der Folge seien je nach Einzelfall Anpassungen, Stundungen und sogar Kündigungen der Mietverträge möglich.
Änderungen des geltenden Insolvenzrechts
Das Starug bringt auch einige Änderungen im geltenden Insolvenzrecht mit sich. Eine davon: Der Prognosezeitraum der drohenden Zahlungsfähigkeit beträgt nun 24 Monate. Das heißt, Geschäftsführer müssen nun eine Liquiditätsplanung von zwei Jahren vorlegen. Ziel sei es, die drohende Zahlungsfähigkeit und die Überschuldung deutlicher abzugrenzen, schreibt die Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.
Carola Rinker, Unternehmensberaterin und Senior Director und Mitglied im Banking & Finance Kader bei Excelliance Management Partners, kritisiert gegenüber PRODUKTION den Prognosezeitraum von 24 Monaten: „Dieser Zeitraum ist viel zu lang. Denn die dafür erforderliche Planung über einen solch langen Zeitraum dürfte bei mittelständischen Unternehmen auch in normalen Zeiten kaum darstellbar sein“, erklärt sie. „Die regelmäßige Aktualisierung der Liquiditätsplanung ist vor allem derzeit unmöglich: Bei beinahe täglich neu erlassenen Maßnahmen von Bund und Ländern aufgrund der Corona-Pandemie ist eine Prognose über mehr als zwei Wochen teilweise nicht möglich.“
Ein Prognosezeitraum von mehr als 18 Monaten erscheint laut Rinker daher völlig unrealistisch. „Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist auch allen Unternehmen die Relevanz einer Liquiditätsplanung klar. Denn diese muss nicht nur der Bank vorgelegt werden können. Auch bei der Vorbereitung von Sparmaßnahmen ist eine Liquiditätsplanung unerlässlich“, sagt sie weiter.
Der Prognosezeitraum für die Überschuldung wurde im Übrigen auf zwölf Monate festgelegt.
„Die regelmäßige Aktualisierung der Liquiditätsplanung ist vor allem derzeit unmöglich: Bei beinahe täglich neu erlassenen Maßnahmen von Bund und Ländern aufgrund der Corona-Pandemie ist eine Prognose über mehr als zwei Wochen teilweise nicht möglich.“ - Carola Rinker, Unternehmensberaterin und Senior Director und Mitglied im Banking & Finance Kader bei Excelliance Management Partners (Bild: Auroras Fotografie)
Für wen das neue Gesetz gilt
„Das Starug wird zu Beginn nur für Mittelständler über 100 Mitarbeitern geeignet sein. Alle Beteiligten befinden sich erstmal in einer Forschungsphase“, sagt Lenzen. „Um vom Laborstadium in den Serieneinsatz zu gelangen, wird es sicherlich noch ein Jahr dauern. Somit werden die Pandemie-Folgen durch das Starug kurzfristig nicht beseitigt werden können. Erst wenn diese Lernphase durchlaufen ist, kann man mit den erarbeiteten Instrumenten auch kleineren Unternehmen helfen. Das war mit dem Insolvenzplan Anfang der 2000er so, das war mit der Eigenverwaltung im ESUG 2012 so und ähnlich wird das auch beim Starug sein“, so der Experte.
Grundsätzlich setzt das Starug laut Falkensteg neue Impulse für eine Sanierungskultur. „Außergerichtliche Sanierung, Starug, Eigenverwaltung - der Sanierungsbaukasten hält nun für jede wirtschaftliche Schieflage ein Instrument bereit. Nun sind die Unternehmer am Zug. Sie müssen sich frühzeitig um die Sanierung kümmern. Je eher sie damit beginnen, umso mehr Instrumente und Handlungsoptionen stehen ihnen offen“, erklärt Lenzen.