
SiC-Chip mit Bonddrähten aus Kupfer statt Aluminium. Das Material steigert die Lebensdauer der SiC-Chips auf 35 Jahre. (Bild: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz)
Deutschland kann Zukunft, das beweisen aktuelle Durchbrüche in der Siliziumkarbid-Technologie. Forschung und Industrie verschieben damit die Grenzen der Leistungselektronik hin zu mehr Energieeffizienz für erneuerbare Energien, E-Mobilität und große elektrische Antriebe. Bei Fortschritten und Durchbrüchen in der Halbleitertechnik denken die meisten an das Silicon Valley oder Asien. Dabei spielt Deutschland hier auch in der obersten Liga mit. In der Leistungselektronik ist schon lange bekannt, dass Siliziumkarbid (SiC) als Ausgangsmaterial wesentliche Vorteil gegenüber konventionellem Silizium bietet, wie es in IGBTs (Insulated Gate Bipolar Transistoren) zum Einsatz kommt. „Siliziumkarbid kann bei gleicher Baugröße deutlich höhere Stromflüsse verarbeiten, reduziert die Schaltverluste um bis zu 90 Prozent und steigert damit die Energieeffizienz des Gesamtsystems um bis zu zehn Prozent“, betont Thomas Basler, Professor für Leistungselektronik an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der TU Chemnitz.


Thomas Basler, Professor für Leistungselektronik an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der TU Chemnitz: „Siliziumkarbid kann bei gleicher Baugröße deutlich höhere Stromflüsse verarbeiten, reduziert die Schaltverluste um bis zu 90 Prozent und steigert damit die Energieeffizienz des Gesamtsystems um bis zu 10 Prozent.“
Warum ist Siliziumkarbid so innovativ?
Aber die bei Silizium-Chips etablierten Herstellschritte und Werkstoffe können nicht einfach übertragen werden, weil SiC andere Materialeigenschaften mitbringt. Genau hier setzte ein Projektteam mit Dr. Konrad Schraml, Director Chip Development bei Infineon Technologies, Dr. Caspar Leendertz, Principal Engineer SiC Device Design, Infineon Technologies, und Thomas Basler an.
Das Team, das sich als eines von drei für die Endrunde des Deutschen Zukunftspreises des Bundespräsidenten 2024 qualifiziert hat, stellt sich der Herausforderung mit einem grundsätzlichen Ansatz. „Wir haben einen neuen 'Hochvolt-Chip' auf Siliziumkarbid-Basis und Graben-Gate designt, dann die Entscheidung gefällt, dass wir wegen der mechanischen Probleme von Aluminium auf Kupfer wechseln müssen, und schließlich ein Bonding und die restliche Modultechnologie entwickelt, damit das Kupfer nicht den Chip zerstört“, fasst der Teamsprecher Schraml zusammen.


Konrad Schraml, Director Chip Development bei Infineon Technologies: „Diese Innovation ist ein entscheidender Schritt für die Energiewende, da sie eine effizientere Nutzung erneuerbarer Energien ermöglicht und die Elektrifizierung großer Antriebe vorantreibt sowie durch ihre geringe Größe und Gewicht neue, bisher nicht mögliche Anwendungen der Elektrifizierung, beispielsweise von Bau- oder Agrarfahrzeugen ermöglicht.“
Welche Vorteile SiC in der Leistungselektronik bietet
„SiC ist extrem hart und steif mit einem 3,5mal so hohem E-Modul wie Silizium“, hebt Basler hervor. Die Härte des Materials liegt gleichauf mit Diamanten. Dies erschwert die mechanische Bearbeitung des Materials. SiC-basierte Leistungsmodule schalten hohe Ströme von aktuell bis zu 1.000 A im kHz-Bereich. Hinzu kommt, dass sie häufigen Temperatur- und Lastwechseln in der Applikation ausgesetzt sind, beispielsweise im Einsatz bei Straßenbahnen. Diese belasten die Lötverbindungen – und damit die Lebensdauer der SiC-Chips - erheblich. „Darum bietet sich der Einsatz von Kupfer mit den besseren mechanischen Eigenschaften an, aber bei einem direkten Kontakt diffundieren Kupferatome in das Siliziumkarbid und richten dort Schäden an“, erläutert Basler, der vor seiner Berufung bei Infineon Technologies bereits an diesem Thema gearbeitet hat.
Besserer Wirkungsgrad bei Teillast und hohen Schaltfrequenzen
Das Team entschied sich dennoch für Kupfer als Vorderseitenmetallisierung und vorderseitige Anschlussdrähte (Bonddrähte) und ersetzte das klassische Löten auf der Chiprückseite durch Sinterverbindungen. Hinzu kommen zahlreiche weitere Veränderungen in der Massenproduktion. Das Ergebnis der sechsjährigen Entwicklungsarbeiten: Ein Hochvoltmodul, das bis zu 3.300 V und 1.000 A schaltet.
Gegenüber dem Vorgängermodul mit siliziumbasierten IGBT-Chips ist vor allem bei Teillastbetrieb und hohen Schaltfrequenzen der Wirkungsgrad in der Applikation deutlich besser. Einsatzgebiete sind Solarwechselrichter, Straßenbahnen und Fernzüge, oder mobile Arbeitsmaschinen. Bei stationären Anwendungen können zusätzlich durch die hohen Schaltfrequenzen bei der Wandlung von Gleich- und Wechselstrom bislang notwendige Netzdrosseln und Netzfilter entfallen oder deutlich verkleinert werden. „SiC-Leistungselektronik schaltet auch bei hohen Leistungen im Kilohertzbereich und erzeugt damit einen deutlich besseren Sinus“, begründet Basler.


Jochen Hanebeck, Vorstandsvorsitzender von Infineon: „Unsere Technologie steigert die Energieeffizienz zahlreicher Anwendungen wie Elektroautos, Solar- und Windkraftanlagen und KI-Rechenzentren. Deshalb investieren wir in Malaysia, unterstützt von bedeutenden Kundenzusagen, in die weltweit größte und effizienteste Hightech-SiC-Fertigung.“
Wie beeinflusst SiC die E-Mobilität?
Durch den komplett neuen Herstellprozess mit Kupfer erreichen die Leistungshalbleiter-Module aus Siliziumkarbid eine Lebensdauer von 35 Jahren bei drastisch gesunkenen Produktionskosten. „Ich gehe davon aus, dass wir damit weltweit einen Vorsprung von mehreren Jahren haben“, ist Basler überzeugt. Das sieht auch Infineon Technologies so und errichtet in Kulim, Malaysia die weltweit größte und wettbewerbsfähigste 200-Millimeter-Fab für Leistungshalbleiter aus Siliziumkarbid. Allein in die erste Ausbaustufe der Fabrik fließt ein Investitionsvolumen von zwei Milliarden Euro. Die bestehenden Kapazitäten für die Fertigung von Leistungshalbleitern im österreichischen Villach hat das Unternehmen erst kürzlich ausgebaut.
Europaweit einzigartig in der Einbetttechnologie
Einen weiteren Forschungsansatz verfolgt das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin. Dort leitet Lars Böttcher die Arbeitsgruppe Embedding & Substrate Technologies. „Wir setzen Chips nicht auf Leiterplatten, sondern integrieren sie in mehrlagige Leiterplatten“, umreißt er sein Forschungsgebiet. Gemeinsam mit Industriekunden testet das IZM neue Ideen rund um das Packaging und die Modularisierung von Halbleiterbaugruppen auf ihre Machbarkeit und stellt auf Standardmaschinen Prototypen her.
Aktuell laufen zum Thema SiC mehrere Projekte mit Halbleiterherstellern, OEMs und TIER 1-Zulieferern der Automobilindustrie. „Bei dieser Einbetttechnologie sind wir zumindest europaweit einzigartig, und selbst Unternehmen aus Japan, Taiwan und Südkorea fragen uns für Projekte an“, ist der Gruppenleiter stolz. „Das Packaging muß sich ganz klar mit den 'traditionellen' Technologien messen, sich im ersten Schritt im Volumen in deren Preiskorridor bewegen, sicher auch darunter, bietet dazu dann aber die beschriebenen Vorteile.“
Aktuelle Meldungen aus der Industrie
Energiekrise, Lieferengpässe, Fachkräftemangel: Die Industrie steht vor vielen Herausforderungen. Alle Meldungen aus Maschinenbau und Co finden Sie in unserem News-Blog. Hier klicken!
Ein Megawatt auf der Fläche einer Visitenkarte
In einem Projekt mit einem Industriepartner arbeitet das Fraunhofer IZM derzeit einem SiC-Schalter für 850 – 1.200 V Spannung und einer Stromstärke bis 1.000 A pro Portalbrücke. „Wir haben ein Modul mit einem MW Leistung auf die Fläche einer Visitenkarte reduziert“, präsentiert er ein aktuelles Ergebnis. Mit seiner Forschung zur Einbettung von Chips in Leiterplatten sorgt Böttcher seit über 20 Jahren dafür, dass elektronische Systeme kleiner, weniger anfällig und zugleich besonders hochfrequenztauglich sind. Dafür wurde er mit dem Forschungspreis 2021 des Fraunhofer IZM geehrt.


Lars Böttcher, Leiter Arbeitsgruppe Embedding & Substrate Technologies am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM: „Bei dieser Einbetttechnologie sind wir zumindest europaweit einzigartig, und selbst Unternehmen aus Japan, Taiwan und Südkorea fragen uns für Projekte an.“
SiC-Leistungselektronik für schaltschranklose Antriebe
Die SIC Technologie erschließt aber auch Anwendungen in kleineren Leistungsklassen, beispielsweise in der Fabrikautomation für die diskrete Fertigung. Die ersten Antriebe mit dieser Technik bewähren sich bereits im Feld. So rüstet Bosch Rexroth jetzt die schaltschranklosen Antriebe ctrlX DRIVE cabinet-free mit der innovativen Leistungselektronik aus. „Die Verwendung von Siliziumkarbid-Leistungshalbleitern ist ein Stellhebel, um eine höhere Leistungsdichte bei gleichzeitig reduzierten Leistungsverlusten zu erreichen,“ betont Reinhard Mansius, Produktmanager Antriebssysteme bei Bosch Rexroth. "Das Ergebnis: Den Maschinenherstellern wird es dadurch ermöglicht, das Antriebssystem ideal an ihre elektromechanische Maschinentopologie anzupassen."


Dr. Reinhard Mansius, Produktmanager Antriebssysteme bei Bosch Rexroth: „Die Verwendung von Siliziumkarbid-Leistungshalbleitern ist ein Stellhebel, um eine höhere Leistungsdichte bei gleichzeitig reduzierten Leistungsverlusten zu erreichen.“
Wie sieht die Zukunft von SiC in der Industrie aus?
Eine geringere Verlustleistung schaltschrankloser Antriebe trägt auch weniger Wärme in Maschinen und Anlagen ein. Gerade bei der Verarbeitung gekühlter Produkte, beispielsweise Margarine, ist dies ein wichtiger technischer und wirtschaftlicher Vorteil, weil die sonst notwendigen Kühlelemente für die Antriebe entfallen können. Ein weiterer wesentlicher Pluspunkt ist die nochmals gesteigerte Kompaktheit. Auch Beckhoff erweitert sein Multiachs-Servosystem AX8000 um ein Achsmodul mit SiC-Halbleitern anstelle der herkömmlichen IGBTs. Durch die geringere Verlustleistung passt die SiC-Leistungselektronik für 28 A Nennstrom in das gleiche Gehäuse wie für das 18-A-IGBT-Gerät. Das entspricht 55 Prozent mehr Leistung bei gleicher Baugröße der Achsscheibe.
Das Ökosystem für technische Innovationen Made in Germany ist nach wie vor intakt und in der Lage, neue Basistechnologien zu entwickeln. Mehr noch, innovative Hersteller integrieren die SiC-Technologie bereits in marktfähige Produkte mit Zusatznutzen für die Anwender. Deutschland kann Zukunft.
überarbeitet von: Dietmar Poll