Green Production

Bis 2030 muss die Industrie ihre CO2-Emissionen gegenüber 1990 in etwa halbieren. Das fordert die Bundesregierung. - (Bild: AdobeStock/Artjazz)

Bei den CO2-Emissionen kann die Industrie mit der Energiewirtschaft bei Weitem nicht mithalten. Während vor allem Kohle- und Gaskraftwerke für knapp 39 Prozent der deutschen Gesamtemissionen an CO2 von 798 Millionen Tonnen (Stand: 2017) verantwortlich sind, kommen das verarbeitendes Gewerbe und die Industrie zusammengenommen auf knapp 23 Prozent. Das ist in den nationalen Trendtabellen des Umweltbundesamts zu lesen. Getoppt werden jedoch die Werte für die Kategorien Haushalte/Kleinverbraucher (rund 17 Prozent) und Verkehr (knapp 21 Prozent).

Bis 2030 muss die Industrie ihre Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 in etwa halbieren. So hat es sich die Bundesregierung selbst über die Sektorenziele ins Pflichtenheft geschrieben. Auf den ersten Blick etwas weniger ambitioniert erscheinen die Vorgaben im Bereich Verkehr mit einem angestrebten Minus von rund 40 Prozent Kohlendioxid. Doch angesichts der Stagnation in diesem Sektor – seit 1990 reduzierten sich die CO2-Emissionen hier gerade mal um eine Million Tonnen auf 162 Millionen Tonnen – ist klar, dass dies eine Herkules­aufgabe sein wird. Die Aufgaben in Sachen Umwelt und Klimaschutz soll vor allem die Elektromobilität erfüllen. 

Peter Kössler, Mitglied des Audi-Vorstands

"Bis 2030 stellen wir alle Werke CO2-neutral. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen ist auch wirtschaftlich nachhaltig."

Peter Kössler, Mitglied des Audi-Vorstands

Warum rückt die klimaneutrale Autoproduktion in den Fokus der Autobauer und OEM?

Dass dies nur mit einem ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatz geht, machte vor Kurzem der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, deutlich: „Alternative Antriebe entfalten nur dann ihre volle CO2-Wirkung, wenn sie auf Basis regenerativer Energien verwendet werden. Mobilitätswende und Energiewende sind zwei Seiten einer Medaille“, betonte er.

Eingeschlossen werden soll dabei der gesamte Wertschöpfungsprozess. „Wir streben von der Entwicklung über Produktion und Vertrieb bis zur Nutzung und Verwertung des Fahrzeugs CO2-Neutralität an“, gibt Matthes die Marschrichtung der Branche in die Zukunft vor. 

Die Botschaft scheint angekommen zu sein. Immer mehr Industriebetriebe haben in den vergangenen Monaten ambitionierte Klimaziele verkündet. Ähnlich kompromisslos wie bei der E-Mobilitätsstrategie zeigt sich der VW-Konzern. „Das E-Auto leistet erst dann einen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz, wenn es mit Energie aus erneuerbaren Quellen gebaut und genutzt wird“, heißt es aus Wolfsburg.

Da will der Daimler-Konzern nicht nachstehen. Die Vorgabe lautet: „Bis 2022 werden alle deutschen Mercedes-Benz Cars Werke über eine CO2-neutrale Energieversorgung verfügen. Neue Werke weltweit werden bereits mit dieser Prämisse geplant.“ Der Fokus liege hierbei unter anderem auf einer ressourcenoptimierten, energieeffizienten Produktion und einer CO2-neutralen Energieversorgung, teilen die Stuttgarter mit. Hierbei würden alle Werke dem gleichen Zielsystem unterliegen, auch wenn sich die verbesserten Verbräuche unterscheiden und die lokalen Versorgungskonzepte sich an lokalen Rahmenbedingungen, Infrastrukturen und Verfügbarkeiten orientierten.

ABB Werk Lüdenscheid
PV-Anlagen, Energiespeicher und ein BHKW sorgen am ABB-Werk Lüdenscheid seit Kurzem dafür, dass am Standort 14 Prozent mehr Energie produziert wird als benötigt. - (Bild: ABB)

Bosch: Bis 2020 alle Standorte CO2-neutral

Auch bei Audi verfolgt man eine klare Agenda. „Bis 2030 stellen wir alle Werke CO2-neutral“, verkündete kürzlich Vorstandsmitglied Peter Kössler. Dabei ist man in Ingolstadt davon überzeugt, dass „ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen im Ergebnis auch wirtschaftlich nachhaltig ist“. Laut Kössler hat man als erster Premium-Autohersteller seinen CO2-Fußabdruck unabhängig zertifizieren lassen. 

Noch stärker drückt der Bosch-Konzern aufs Tempo. Schon 2020 sollen die weltweit über 400 Bosch-Standorte – von der Entwicklung über die Produktion bis zur Verwaltung – keinen CO2-Fußabdruck mehr hinterlassen. Damit ist man nach eigenen Angaben das erste große Industrieunternehmen, das die CO2-Neutralstellung bis 2020 vollständig realisiert. Der Bosch-Chef Dr. Volkmar Denner kommentiert dies so: „Wir übernehmen Verantwortung für den Klimaschutz und handeln deshalb jetzt.“ 

Auch bei anderen Zulieferern gibt es entsprechende Aktivitäten. So will Siemens den CO2-Fußabdruck in den eigenen Betrieben bis 2020 gegenüber 2014 halbieren und bis 2030 klimaneutral sein. Wettbewerber Schneider Electric hat ähnliche Ziele: Bis 2030 plant der Energiespezialist, die Energiezufuhr für seine Produktionsstätten weltweit auf 100 Prozent erneuerbarer Energien umgestellt zu haben. Der Anfang ist nach eigenen Angaben mit neun Standorten bereits gemacht.

Bosch-Standort Renningen
Am Bosch-Standort Renningen ergänzt seit Anfang des Jahres die Stromproduktion von 460 PV-Modulen den Grünstrombezug.- (Bild: Bosch)

Welche grünen Technologien eignen sich als Energiekonzepte in der Autoproduktion? 

Die Strategie zur grünen Fabrikation folgt mehr oder weniger überall dem Grundsatz: zuerst die Entstehung von CO2 vermeiden, dann soweit wie möglich reduzieren – und danach die nicht vermeidbaren Emissionen durch Klimaschutzmaßnahmen an anderer Stelle ausgleichen. Erkennbar ist, dass der Weg zur grünen Fabrik eng mit der Umstellung auf die Produktion von E-Fahrzeugen verzahnt ist. So hat der VW-Konzern vor allem für seine künftigen E-Auto-Produktionsstätten wie in Zwickau oder Emden entsprechende Greening-Strategien verkündet.

In Emden soll der Bedarf an Strom und Wärme vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Dazu baut VW nur wenige Kilometer vom Werk entfernt eine eigene Windkraftanlage, die direkt ins Werksstromnetz einspeist. Auch für Zwickau, wo ab 2022 rund 1 500 Elektroautos pro Tag von den Bändern rollen sollen, verspricht VW eine ‚grüne Produktion‘. Dort setzt man neben Energieeeffizienz vor allem auf externen 100 Prozent zertifizierten Ökostrom. Dieser soll aus österreichischen Wasserkraftwerken bezogen werden.

Bei Daimler gilt insbesondere die Factory 56 in Sindelfingen nicht nur in puncto Technologie, sondern auch in puncto Nachhaltigkeit als Vorzeigeprojekt. In der Fabrik, die Anfang der kommenden Dekade in Betrieb gehen soll, sorgt eine Photovoltaik (PV)-Anlage auf dem Dach in Kombination mit einem Batteriespeicher für einen Teil der Stromversorgung. Ein Großteil des Strombedarfs wird aber zugekauft und stammt zukünftig „in Deutschland und Europa nachweisbar aus regenerativen Quellen“, teilt der Automobilhersteller auf Nachfrage mit. Der Rest des Strombedarfs wird in bereits bestehenden, eigenen hocheffizienten Gas-Kraft-Wärme-Kopplung-Anlagen erzeugt.

Bernhard Mattes, VDA-Präsident

"Wir streben von der Entwicklung über die Produktion bis zur Nutzung und Verwertung des Fahrzeugs CO2-Neutralität an."

Bernhard Mattes, VDA-Präsident

„KWK ist durch den hohen Brennstoffnutzungsgrad aktuell die technisch und wirtschaftlich effektivste Lösung, um Industrieprozesse nicht nur mit Strom, sondern auch mit Wärme zu versorgen“, betonen die Stuttgarter. Genutzt werden auch die nach Auslaufen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) immer beliebteren Strom-Direktlieferverträge, so genannte PPA.

So hat Daimler etwa für die Versorgung eines neuen Motorenwerks in Polen einen PPA mit dem Betreiber eines benachbarten Windparks mit 22 Windanlagen abgeschlossen. Für diverse deutsche Produktionswerke unterzeichnete man ein PPA mit dem Energieversorger Statkraft, der Ökostrom aus sechs Bürgerwindparks mit 31 Windturbinen liefert.

Welche Vorreiterprojekte sind bereist umgesetzt?

Auch Bosch setzt in seiner Kurzfriststrategie vorwiegend auf externe Effekte. Ab 2020 gleicht man verbleibende, nicht vermeidbare CO2-Emissionen vor allem durch den Zukauf von Ökostrom aus bestehenden Anlagen und Kompensationsleistungen aus. Hier investiert das Unternehmen in Umweltprojekte, die „die soziale und ökologische Entwicklung unterstützen und nach strengen Standards zertifiziert sind“.

Bis 2030 sollen diese Kompensationsmaßnahmen sukzessive zurückgefahren werden. Im Gegenzug plant Bosch, seine Investitionen in regenerative Energien zu verstärken. Hier gibt es bereits erste Fortschritte. So ergänzt am Standort Renningen seit Anfang des Jahres die Stromproduktion von 460 PV-Modulen auf den Dächern der Campusgebäude den Zukauf von Ökostrom. Bereits seit 2013 versorgt ein eigenes Biomasseheizwerk den Standort Rodez in Frankreich mit Warmwasser und Prozesswärme.

Besonders ambitioniert ist ein Green-Factory-Projekt, das ABB vor Kurzem am eigenen Standort in Lüdenscheid umgesetzt hat. Eine 3.500 Quadratmeter große PV-Anlage über den Parkplätzen des Firmengeländes produziert dort pro Jahr rund 1 100 MWh an klimaneutralem Sonnenstrom. Die Kombination mit einem effizizienten Blockheizkraftwerk sorgt dafür, dass nach ABB-Angaben rund 14 Prozent mehr Energie erzeugt wird, als am Standort benötigt. Die Überschussproduktion wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist, eventuelle Bedarfsspitzen deckt ein Ökostromliefervertrag mit der Mannheimer MVV Energie ab.


Was fehlt noch für eine vollständige Umsetzung einer Green Production vor Ort?

Abseits von Ökostromzukauf und Kompensationsmaßnahmen sind jedoch noch große Anstregungen vonnöten, um idealerweise tatsächlich die gesamte an einem Produktionsstandort benötigte Energie – inklusive Wärme, Dampf oder Kälte – vor Ort über regenerative Anlagen selbst zu erzeugen. Dem ist man sich auch bei Daimler bewusst: „Aktuell stehen wir noch vor großen Herausforderungen auf dem Weg zur Zero-Emission-Fabrik“, heißt es aus Stuttgart. Mit der konsequenten Steigerung der Energieeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien könne bereits kurzfristig eine große Reduzierung erreicht werden.

Allerdings: „Zur Eliminierung der verbliebenen, aktuell noch unvermeidbaren, CO2-Emissionen, insbesondere in der Wärmeversorgung, sind wir auch auf die lokale Verfügbarkeit erneuerbarer Energien an den jeweiligen Standorten angewiesen.“ Beispielsweise erfordere eine Ablösung der bereits bestehenden, hocheffizienten, erdgasbasierten KWK-Anlagen eine wirtschaftliche Alternative aus erneuerbaren Energien mit der notwendigen Versorgungssicherheit. Und auch bei Bosch weiß man, dass „konkrete Umsetzungsmöglichkeiten stark von den Gegebenheiten der jeweiligen Fabrik abhängig sind“. Die Eigenerzeugung deckt bei Bosch derzeit 5 Prozent des eigenen Energiebedarfs ab. „Die Möglichkeiten sind hier – oftmals aus natürlichen Restriktionen – begrenzt“, so der nüchterne Blick auf die Fakten.

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