Enge Taktzeiten sind in Analyselaboren an der Tagesordnung, denn ganze Prozessketten in der Wirtschaft hängen von deren pünktlichen und exakten Ergebnissen ab. Um bei gleichbleibend hoher Qualität eine mehr Proben zu analysieren und die Labormitarbeitenden zu entlasten, hat die Eurofins Dr. Specht Express die Pestizidanalytik mit einer Roboteranlage automatisiert. Unterstützung erhielt das Unternehmen dabei vom Systemintegrator Elbatron, der dazu Automatisierungslösungen von ABB Robotics verwendete. Nun übernehmen drei Sechsachs-Roboter vom Typ IRB 1200 das Handling der Proben im Analyselabor.
„Wenn man einen Zuckerwürfel in den Bodensee wirft, kann Eurofins den Zuckergehalt im Bodensee nachweisen“ – so skizziert Rainer Herrmann, Geschäftsführer Elbatron, mit einem Augenzwinkern den Präzisionsgrad der Analysen. Das nach DIN 17025 zertifizierte Labor untersucht Lebens- und Futtermittel qualitativ und quantitativ auf 800 verschiedene Pestizide. Wenn vormittags eine Probe eingeht, muss die Firma das Analyseergebnis spätestens um 16 Uhr liefern. Denn von der Analyse hängen kritische Prozesse ab, etwa wenn ein Container mit Lebensmitteln im Hafen wartet oder eine Produktion stillsteht, bis die Probe untersucht wurde. Aber auch unter größtem Zeitdruck muss die Analysequalität stimmen.
Warum wollte das Labor die Pestizidanalytik automatisieren?
Bislang führte das Laborpersonal alle Prozessschritte bei der Pestizidanalytik manuell durch. Die monotone Handarbeit ist unbeliebt. Angesichts des Fachkräftemangels ist es für Arbeitgeber daher ein Wettbewerbsvorteil, dem Laborpersonal diese Aufgabe abzunehmen. „Chemielaborantinnen und -laboranten haben Pipettieren und Titrieren gelernt, aber in der modernen Arbeitswelt ist es nicht mehr sinnvoll, diese Prozesse manuell durchzuführen“, erklärt Dr. Alexander Zahm, Geschäftsführer bei Eurofins Dr. Specht Express. „Vielmehr entwickelt sich das Berufsfeld dahin, dass sie das Wissen aus ihrer Ausbildung anwenden, um Roboter entsprechend zu bedienen.“
Dazu kam: Die Kapazität der Labormitarbeitenden wurde für anspruchsvollere Aufgaben benötigt und die Anforderungen an Qualität und Durchsatz waren gestiegen. Deshalb entschied sich das Unternehmen dafür, die Pestizidanalyse zu automatisieren.
Das Schwesterlabor WEJ Contaminants hatte bereits gute Erfahrungen mit der automatisierten Analyse von Lebensmittelproben auf Mykotoxine gemacht. Darüber entstand der Kontakt zum Systemintegrator Elbatron, der auch mit der Sonderanfertigung für Eurofins beauftragt wurde. Elbatron unterstützt Eurofins seit 2016 bei der Industrialisierung individueller Laboranalytik.
Was ist schwierig an der Automatisierung von Laborprozessen?
Der erste Schritt war die Konzeption der automatisierten Anlage. Eine zentrale Herausforderung dabei war es, die komplexen Laborprozesse auf einzelne, automatisierbare Bewegungsabläufe zu reduzieren. „Diese Anlage war unser erstes Automatisierungsprojekt, entsprechend häufig mussten wir umdenken“, erinnert sich Zahm. „Wir haben uns gemeinsam mit unserem Partner Elbatron Stück für Stück an die Lösung herangetastet.“ Hinzu kam der extreme Anspruch an Genauigkeit in den Prozessen, insbesondere beim Dosieren.
So funktioniert die vollautomatische Probenaufbereitung für die Pestizidanalytik
Herzstück der neuen Anlage sind drei ABB-Sechsachsroboter vom Typ IRB 1200. Durch ihre Reichweite und Arbeitshöhe, gepaart mit dem Bewegungsumfang eignen sie sich für filigrane Applikationen dieser Art. Zudem passen die Dimensionen der drei Roboter gut zur Baugröße der Roboter-Anlage. Darin werden die Proben nun vollautomatisch bis zum messfertigen Probenextrakt aufbereitet:
Nach der Eingabe der Proben befüllen Roboter die Trays, die jeweils zehn Proben fassen. Sie schaffen in einer Rüstzeit bis zu 200 Proben, insgesamt lassen sich in 24 Stunden bis zu 400 Proben bearbeiten. Nach der Bestückung mit Probenbehältern fahren die Trays mit den Proben auf einem Fließband zur Dosierstation. Dort entnimmt ein Roboter mit einer Pipette die benötigte Menge Flüssigkeit – er dosiert sie auf den Mikrometer genau. An den Probenbehältern sind QR-Codes mit Informationen zur Art der Probe angebracht, die der Roboter scannt. Nach Extraktion und einer Salzzugabe schüttelt ein Roboter die Probe. Anschließend wird sie in eine Zentrifuge mit insgesamt 16 Plätzen gegeben. Nach dem Zentrifugieren füllt ein Pipettierarm die behandelte Probe in die Vials. Die Mitarbeitenden im Labor müssen zum Schluss nur noch die messfertigen Vials entnehmen.
Manuell erfolgt bei dem Prozess also die Probeneingabe. Die Anlage kann zwölf Stunden ohne weitere Eingriffe der Labormitarbeitenden autonom arbeiten. Das System ist darauf ausgelegt, auch einen 24-Stunden-Betrieb zu schaffen, falls ein wachsendes Auftragsvolumen dies in Zukunft erforderlich macht.
Was für Roboter sind die IRB 1200?
Diese Industrieroboter von ABB sind in zwei Varianten erhältlich: Die Variante mit 700 mm Reichweite kann bis zu 7 kg handhaben, die Variante mit 900 mm Reichweite hat eine Traglast von 5 kg. Sie eignen sich für Materialhandhabung, Maschinenbedienung, Montage und Verpackung. Die Industrieroboter verfügen über Bewegungs-Überwachung, sodass sie eng mit Menschen zusammenarbeiten können. Bei Bedarf baut der Hersteller sie in Schutzart IP67, mit lebensmittelverträglicher Schmierung (Klasse NSF H1) und ISO-Reinraumklasse 3. Ansonsten haben sie Schutzart IP40. Es gibt sie mit der IRC5- oder mit der Omnicore-Steuerung.
Welche Software verwendet Elbatron für die Auslegung?
Ausgelegt wurde die Roboter-Anlage mithilfe der Planungssoftware Robotstudio. „Robotstudio ist ein wesentliches Argument für unsere Zusammenarbeit mit ABB, da kaum eine Software auf dem Markt unsere Anforderungen auf diesem Qualitätsniveau erfüllt. Besonders gerne greifen wir auch auf die VR-Funktion […] zurück“, berichtet Elbatron-Geschäftsführer Herrmann.
Fazit: Welche Auswirkungen hatte diese Labor-Automatisierung?
Für Eurofins ist die robotergestützte Automatisierungslösung ein Gewinn: Dank ihrer Wiederholgenauigkeit und der geringen Fehlerquote im Vergleich zum Menschen helfen die Roboter dem Labor, immer striktere Qualitätsstandards einzuhalten: Im manuellen Prozess lag die Schwankungsbreite der Ergebnisse bei 20 Prozent. Mit der Roboteranlage ist sie auf unter fünf Prozent gesunken – bei einem höheren Durchsatz.
Die frei gewordenen Kapazitäten nutzt das Laborpersonal, um die Analyseprozesse zu verbessern und neue Methoden der Pestizidanalyse voranzutreiben. In Zukunft ist es denkbar, die Anlage zu erweitern und auch weitere Schritte im Analyseprozess zu automatisieren. „Die Automatisierungslösung hat unsere Anforderungen voll erfüllt und bietet Potenzial für zukünftige Projekte“, resümiert Geschäftsführer Alexander Zahm.