Schweißen zählt zu den Paradedisziplinen der Industrierobotik. Aber für KMU sind diese Lösungen oft überdimensioniert. Es geht auch günstiger: mit Cobots. Projekte bei Köhler MFE und bei dem Metallbauer Hodapp zeigen, wie die sogenannten Cobots in der Praxis die dringend benötigte Unterstützung bieten. Denn die Baby-Boomer-Generation geht nach und nach in Rente und so verabschieden sich auch viele erfahrene Schweißer in den Ruhestand – der geburtenstärkste Jahrgang 1964 erreicht 2031 die Regelaltersgrenze von 67 Jahren, so ein Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Die Fachkräftelücke der Branche wird zusätzlich verstärkt, da sich immer mehr junge Menschen für ein Studium und gegen eine Ausbildung entscheiden. Eine Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz ergab, dass die Schweiß- und Verbindungstechnik schon heute eine Stellenüberhangsquote von über 40 Prozent verzeichnet.
Fehlt es hier an Fachkräften, hat das Folgen für die Industrie: Ob Edelstahlrohre für die Pharmaindustrie oder Teile für den Automobil- und Maschinenbau - kaum ein Industriezweig kann auf diese Fachkräfte verzichten. Zwar soll ein beschleunigtes Fachkräfteverfahren die Hürden für die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus dem Ausland senken. Das ändert aber nichts daran, dass Schweißen Schwerstarbeit ist und deshalb ein Attraktivitätsproblem beim Nachwuchs hat.
So lohnt sich die Automatisierung von Schweißprozessen für kleine und mittlere Unternehmen
Um Aufträge auch in Zukunft fristgerecht und in der geforderten Qualität erfüllen zu können, muss die Branche neue Wege gehen. Eine Möglichkeit ist, auf Technik setzen. Zwar übernehmen Industrieroboter schon seit langem Schweißaufgaben. Doch sie erfordern hohe Investitionen, lassen sich nur mit Expertenwissen programmieren und nehmen viel Raum in der Fabrikhalle ein. Damit sind sie für viele Aufgaben schlichtweg überdimensioniert – beispielsweise, wenn es um Vorarbeiten, die Produktion kleiner Losgrößen oder den Einsatz in kleinen oder mittleren Betrieben geht.
Cobots werden daher immer häufiger eingesetzt, um Fachkräfte von repetitiven oder körperlich anstrengenden und unergonomischen Arbeiten zu entlasten. Sie sind kleiner, leichter und wesentlich einfacher zu programmieren und zu installieren als herkömmliche Industrieroboter. Zudem amortisieren sie sich aufgrund der geringeren Investitionskosten schneller.
Mittlerweile können Cobots immer mehr Aufgaben übernehmen. Interessante Features sind beispielsweise die Überwachung des Schweißprozesses per Kamera, so dass registrierte Positionsabweichungen des Brenners ausgeglichen werden, oder die automatische Dokumentation des Schweißprozesses. Zunehmend sind heute schlüsselfertige Lösungen verfügbar, mit denen sich Anwendungen einfacher realisieren lassen. Die folgenden Beispiele zeigen, wie Cobots ihre menschlichen Kollegen bei Schweißaufgaben unterstützen.
Köhler MFE: Leichtbauroboter schweißen große Bauteile
Eine immer größere Produktvielfalt bei gleichbleibend hoher Qualität - vor dieser Herausforderung stand Köhler MFE aus Alsdorf in Rheinland-Pfalz. Das Unternehmen suchte nach einer Technologie, mit der es kurzfristig auf Änderungen im Produktionsprozess reagieren kann. Der Edelstahlverarbeiter beliefert unter anderem Unternehmen aus der Lebensmittelproduktion, der Zulieferindustrie und dem Großhandel mit Regalen, Servierwagen und anderen Arbeitsmöbeln.
„Konkret haben wir nach einer Lösung gesucht, um den präzisen Schweißprozess der Edelstahl-Rohrrahmen zu automatisieren, die teils eine Größe von zwei Meter haben. Wir hatten den Wunsch, die Mitarbeiter zu entlasten und die Produktionsgeschwindigkeit zu erhöhen“, so Heinz Lück, Produktionsleiter bei Köhler.
Aufgrund der Größe der Werkstücke beauftragte Köhler den von Universal Robots zertifizierten Systemintegrator FSK Industries mit der Entwicklung einer maßgeschneiderten Schweißlösung. Für Köhler war es wichtig, schnell eine einsatzfähige Lösung an der Hand zu haben, die ohne Programmierkenntnisse in Betrieb genommen und bei Bedarf an neue Anforderungen angepasst wird. FSK Industries entschied sich daher für einen Cobot von Universal Robots. Heute schweißt bei Köhler ein UR10e die Teile.
Der Cobot ist in einer Schweißanlage installiert, die unter dem Namen Smartarc verkauft wird. Die Applikation ermöglicht es, Schweißprogramme mit einem Cobot intuitiv zu erstellen. Die Schweißanlage bei Köhler besteht aus zwei Stationen: Während die Mitarbeiter eine Seite der Station mit neuen Teilen beladen, schweißt der Roboter im anderen Bereich bereits eine Baugruppe zusammen. Damit der UR10e auch große Werkteile schweißen kann, ist er auf einer Linearachse montiert. Eine zusätzliche Wendeachse ermöglicht es, das Bauteil in jede beliebige Position zu bringen.
Der Einsatz des Roboters halbierte die Dauer des Schweißprozesses. Der kollaborierende Roboterarm sorgt für gleichmäßige Schweißnähte, auch bei einer Produktion rund um die Uhr.
Hodapp: Schneller im Roboter-Mensch-Team
Um die Entlastung seiner hochqualifizierten Mitarbeiter sowie einen höheren Durchsatz bei gleichbleibender Qualität ging es auch dem mittelständischen Metallbauer Hodapp mit Sitz im baden-württembergischen Ortenaukreis. Schweißarbeiten machen bei dem Unternehmen mehr als ein Drittel der Gesamtproduktion aus. Als Auftragsfertiger für Stahltüren und -tore fertigt es vor allem Kleinserien von 80 bis 120 Stück an. Dabei handelt es sich meist um Spezialkonstruktionen; die Qualitätsansprüche sind hoch. Die Mitarbeiter schweißten die einzelnen Werkstücke bislang per Hand – was nicht nur anstrengend, sondern auch zeitaufwendig ist. Aufgrund des ausgeprägten Fachkräftemangels in der Region Ortenaukreis konnte die Firma das Auftragsvolumen auf diesem Weg nicht dauerhaft bewältigen.
Auch bei Hodapp entschied man sich für die Integration eines UR10 in den laufenden Betrieb, der als Bestandteil des Lorch-Cobot-Welding-Packages Schweißprozesse automatisiert. Mit seiner Reichweite von 1,3 m bedient der Roboterarm zwei unterschiedliche Vorrichtungen auf einem Schweißtisch. So kann eine Mitarbeiterin das nächste Werkstück bereits einlegen, während der Cobot-Kollege hinter einer Sichtschutzscheibe noch am vorangegangenen Auftrag arbeitet. Der Roboter arbeitet so präzise, dass kaum Nacharbeit nötig ist.
Für die Inbetriebnahme, die weniger als drei Stunden in Anspruch nimmt, lernt das Schweißpersonal den Roboter ein, indem es ihn am Start- und Endpunkt der Schweißnaht positioniert. Dann gibt es die wichtigsten Parameter wie Blechdicke oder a-Maß in das Teach-Panel ein. „Ist der Cobot einmal programmiert, besteht die Hauptarbeit aus dem korrekten Einlegen der Werkstücke und dem Knopfdruck, den Schweißvorgang einzuleiten”, erklärt Markus Lang, Fertigungsleiter bei Hodapp. So können auch weniger qualifizierte Mitarbeiter den Cobot bedienen, während ausgebildete Schweißer ihre Expertise bei Spezialaufgaben einbringen. Durch sein Gewicht von 30 kg kann der Cobot flexibel im Raum bewegt und an verschiedenen Stellen eingesetzt werden.
Fazit
Der aktuelle Fachkräftemangel in der Schweißbranche wird sich in den nächsten Jahren verstärken. Um am Markt zu bestehen, müssen Unternehmen darauf reagieren. Eine Möglichkeit ist, kollaborierende Roboter einzusetzen.
Quelle: Andrea Alboni, General Manager Western Europe Universal Robots