Christiane Benner, Vorsitzende der IG Metall, diskutierte mit dem VDMA-Präsidenten Karl Haeusgen unter anderem über Arbeitszeitmodelle.

Christiane Benner, Vorsitzende der IG Metall, diskutierte mit dem VDMA-Präsidenten Karl Haeusgen unter anderem über Arbeitszeitmodelle. (Bild: Anna McMaster)

Laut ,Spiegel' sei sie die „mächtigste Frau Deutschlands“, stellte Moderatorin Ursula Heller die frischgewählte Chefin der IT Metall vor. In der Diskussion zwischen Christiane Benner und VDMA-Präsident Karl Haeusgen ging es zunächst um das Thema Arbeitszeit. Eine TED-Umfrage im Saal ergab, dass 89 Prozent der Unternehmen auf dem Berliner Branchengipfeltreffen kein Interesse haben, die Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich einzuführen. Benner verwies darauf, dass viele Unternehmen das Modell einer verkürzten Wochenarbeitszeit auch nutzen würden, um erfolgreicher Fachkräfte zu rekrutieren.

Angebote für die jüngere Generation

Man fordere die Arbeitszeitverkürzung vor allem im Stahlbereich für die anstehende Stahltarifrunde. Mit Blick auf Veränderungen durch Elektrifizierung und stärkere Automatisierung in 2026 wolle man den drohenden Jobverlust für einen Teil der Arbeitskräfte durch Lösungen wie die 32-Stundenwoche abwenden. In der Metall- und Elektroindustrie würden bisherige Tarifverträge zudem das Bedürfnis nach weniger Arbeitszeit, zum Beispiel für Pflegesituationen, nicht erfüllen. Das sei eine zunehmende demographische, gesellschaftliche Herausforderung.

Im Gespräch zwischen VDMA-Präsident und IG Metall-Chefin spiegelte sich eine sehr unterschiedliche Auffassung beim Thema Arbeitszeit. So war Haeusgen wichtig, dass es weiter eine individuelle Entscheidung der Unternehmen bleiben solle, ob sie etwa für Fachkräfte durch eine Viertagewoche attraktiver werden wollen.

Aus Sicht von Benner geht es auch darum, die Industrie attraktiver für jüngere Menschen zu machen. „Ich gehe stark in den Dialog mit Jüngeren zum Thema ‚wie wollt ihr leben und arbeiten?‘. Wir haben über 200.000 Menschen unter 27 Jahren bei uns organisiert. Dabei beobachte ich nicht, dass die Leute sagen, sie haben keinen Bock auf Arbeit“, so Christiane Benner. Das sei eine Scheindiskussion.

„Wir müssen uns vor einer Pauschalisierung der Generation Z hüten, die nicht zutrifft“, meinte auch Haeusgen. Die drohende Arbeitslosigkeit im Stahlbereich sieht er jedoch nicht als Problem. Würden die 80.000 gut qualifizierten Menschen dort keinen Arbeitsplatz finden, werde der Maschinenbau sie mit Kusshand nehmen, prognostizierte der Verbandschef.

Benner hofft auf Jobturbo nach Migrationsgipfel

Auf den Vorwurf, dass die Gewerkschaft mit ihren Arbeitszeitmodellen Flexibilität für Unternehmen verhindern wolle, konterte Benner: „Es geht nie darum, dass jemand so arbeiten muss. Es gibt Wahlmöglichkeiten für 35, 37,5 oder 40 Stunden pro Woche: Wir sind nicht komplett vernagelt, sondern bieten eine Lösung an aufgrund eines Problems das wir durch den technologischen Umbau bekommen werden.“ Die Tarifverträge böten einen Rahmen und seien schlank gehalten, es gebe eine Öffnungsklausel, mit der dann auf die betriebliche Ebene verwiesen werde.

Benner erklärte auch, dass man bereit sei, gemeinsam mit den Unternehmen neue Wege zu gehen. Das gelte etwa bei der VW-IT-Tochter Cariad, bei der es um Regelungen für Agile Arbeit ging und um 360-Grad Beurteilungsmodelle, in denen auch die Mitarbeitenden ihre Vorgesetzten bewerten.

Für Christiane Benner steht das Thema Weiterbildung, etwa für Themen wie Manufacturing X, Digitalisierung und Nachhaltigkeit, besonders im Fokus. Zugleich hoffe sie darauf, sagte die Gewerkschaftschefin, dass es jetzt einen Jobturbo gebe, wenn man geflüchtete Menschen endlich schneller in die Arbeit bekommen und die Anerkennung von Studienabschlüssen beschleunige.

Vor allem gehe es auch um das Potenzial von Frauen. „Wir haben zu viele Frauen in Teilzeit, die gerne mehr arbeiten würden. Für junge Familien ist die Situation ein echter Deal Breaker und dann kommt noch ein blödes Ehegatten-Splitting hinzu. Wir haben absolute Fehlstellungen für dieses Land“, kritisierte Benner. Frauen würden gerne mehr arbeiten und Männer gern weniger: Da sei die 32-Stundenwoche eine gute Lösung.

Für mehr Demokratie: Beschäftigte zu Akteuren machen

Beim Thema Freiwilligkeit gingen die Vorstellungen der Diskussionspartner auseinander. Sie sei zunächst bis 2005 eine Gegnerin des Mindestlohns gewesen, in der Annahme, man werde das schon geregelt bekommen, sagte Benner dazu. „Aber wir haben durch die Agenda 2010 einen Drift nach unten feststellen müssen“, erklärte die IG Metall-Vorsitzende, und daher habe der Gesetzgeber das regeln müssen.

„Wir haben eine Demokratie und eine Vorgabe für die Mindestlohnrichtlinie aus der EU – und dass wir 80 Prozent Tarifbindung erreichen sollen“, betonte die IG Metall-Chefin. Hier sei die Frage zu stellen, warum rückläufige Tarifbindungen festzustellen seien, denn Tarifverträge stützten auch die Demokratie.

„Wir haben Fliehkräfte auch durch die Transformation zum Beispiel hinsichtlich der Dekarbonisierung. Wir vertreten die Position, dass es uns guttäte, stärker auf mehr Mitbestimmung und Augenhöhe zu kommen“, so Benner. Das sei auch wichtig, um früher vor die Welle zu kommen, wenn es um die strategische Ausrichtung der Unternehmen gehe. So arbeite die Gewerkschaft mit an Alternativkonzepten, damit nicht, wie häufig der Fall, ganz plötzlich die „Lichter ausgehen“. Bei einer Continental-Tochter würden jetzt beispielsweise Wärmepumpen statt Bremssysteme gebaut, weil sich das bestehende Geschäftsmodell nicht mehr gerechnet habe.

Es gehe darum, Beschäftigte noch stärker zu Akteuren in Veränderungsprozessen zu machen, erklärte Benner. Zwar konterte Karl Haeusgen, dass die erfolgreichen Unternehmen der Branche ihre Beschäftigten bereits mehr oder weniger formalisiert in ihre Strategiefindung einbinden würden. Doch Benner verwies auf eine Umfrage aus dem September in 2.500 Unternehmen, dass es vielen Beschäftigten nicht möglich ist, eine Strategie zu erkennen. Das sorge für viel Unsicherheit.

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