Erstmals wird die IG Metall von einer Frau geführt. Auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt wählten die Delegierten die bisherige Vize-Vorsitzende Christiane Benner für vier Jahre zur Ersten Vorsitzenden. Die 55-jährige Soziologin erhielt 96,4 Prozent Zustimmung, wie die Wahlkommission berichtete.
Benners Vorgänger Jörg Hofmann war nach zwei Amtszeiten aus Altersgründen nicht mehr angetreten. In ihren rund 132 Jahren Geschichte hatten die IG Metall und ihre Vorgängerorganisationen bislang ausschließlich männliche Vorsitzende. Zu den ersten Gratulanten gehörte die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi.
Benner verbesserte ihr vorangegangenes Wahlergebnis aus dem Jahr 2019 in Nürnberg von 87 Prozent um fast zehn Punkte. "Unsere Industrie muss weiterentwickelt werden, nicht abgewickelt", hatte sie in ihrer Bewerbungsrede gesagt. Die IG Metall wolle sie stärker im Team führen und die Belange der Beschäftigten stärker sichtbar machen.
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Vorliebe für schwierige Themen: Das ist Christiane Benner
Christiane Benner war bereits seit acht Jahren Hofmanns Stellvertreterin. Seit ihrem Gewerkschaftseintritt im Jahr 1988 hat die einstige Jugendvertreterin eines Metallbetriebs im südhessischen Bensheim die IG Metall aus vielen Perspektiven kennengelernt - und dabei eine bemerkenswerte Vorliebe für schwierige und zukunftsträchtige Themen entwickelt. Nach einem von der Hans-Böckler-Stiftung finanzierten Soziologie-Studium sowie Stationen in Frankfurt und Hannover wurde sie 2008 Bereichsleiterin beim Vorstand, zuständig unter anderem für IT-Kräfte und Zielgruppenarbeit.
Diese Gruppen waren unter anderem Frauen, Angestellte, Studenten und Ingenieure und damit recht weit entfernt von der prägenden Gruppe der klassischen Facharbeiter. Benner hat bereits scheinselbstständige Click-Worker organisiert sowie über Kreislaufwirtschaft und künstliche Intelligenz nachgedacht, als das für andere noch weit entfernte Zukunftsmusik war. Sie sagt über sich selbst: "Ich habe die Informationstechnologie immer als Treiber begriffen. Wenn ich verstehe, was bei IBM oder SAP geschieht, dann weiß ich, was in den anderen Betrieben drei oder vier Jahre später passiert."
Aus der nach eigener Einschätzung "leicht nerdigen" Frau für komplexe Zukunftsfragen wurde recht schnell eine Frau mit Zukunft, die 2011 in den Vorstand berufen wurde und 2015 zur Zweiten Vorsitzenden avancierte.
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Benner will sich auf die Vielfalt der IG Metall konzentrieren
Sie sei in ihrem Leben immer bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen, sagt die groß gewachsene und sportliche Ex-Handballerin, die bevorzugt am Main joggt. Der Posten an der Gewerkschaftsspitze bedeutet nach den Usancen der IG Metall demnächst auch den Wechsel in den Aufsichtsrat von VW, dem sich die designierte Chefin nicht verschließen wird. "Es gibt eine Erwartungshaltung und es gibt eine Tradition. Und der werde ich selbstverständlich entsprechen."
In der starken Auto-Fraktion ihres Hauses sieht sich die langjährige BMW- und Continental-Aufseherin bestens vernetzt. Die IG Metall sei aber weit vielfältiger, macht Tarife für Kfz-Mechatroniker ebenso wie für die Textil- und Holzwirtschaft und hat mit dem Maschinenbau und der Metallverarbeitung weitere Schlüsselindustrien in ihrem Organisationsbereich.
Christiane Benner wird auch auf dem Maschinenbau-Gipfel 2023 sprechen. Alle Infos zur Veranstaltung gibt's hier:
Kommen Sie zum Maschinenbau-Gipfel!
Der 14. Deutsche Maschinenbau-Gipfel war ein herausragender Erfolg! Über 900 Teilnehmer versammelten sich in Berlin für den größten Gipfel aller Zeiten. Prominente Gäste wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner bereicherten die Veranstaltung.
2025 geht es weiter! Die Branche trifft sich am 16. und 17. September 2025 in Berlin.
Benner kämpft gegen Fachkräftemangel und will IG Metall sichtbarer machen
Benner ist eine entschiedene Verfechterin der Frauenquote und will in der Arbeitswelt die strukturellen Nachteile abbauen, die dazu führen, dass Frauen nach der Babypause nicht mehr auf den Karrierezug gelassen werden. Eine "kurze Vollzeit" von 32 Stunden für Männer und Frauen gleichermaßen scheint ihr ein richtiges Mittel gegen den Fachkräftemangel zu sein. Diese Forderung nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung, die auf eine Vier-Tage-Woche hinauslaufen könnte, will sie aber zunächst auf die Stahlindustrie beschränkt sehen, die vor einem ökologischen Umbau steht.
Manchmal rutscht der Soziologin noch ein Anglizismus wie "empowern" durch, doch grundsätzlich ist Benner um klare Ansprache nicht verlegen. "Ich muss die Dinge einfach so erklären, dass das ein ganz normaler Mensch auf dem Hallenboden versteht - und kein überkandideltes Zeug." Ihre Organisation mit gut 2,1 Millionen Mitgliedern will sie künftig deutlich sichtbarer machen, in herkömmlichen wie in den sozialen Medien viel präsenter sein. Ihre Vorgänger bevorzugten eher das politische Hinterzimmer statt das grelle Licht der Talkshows, doch Benner sagt: "Ich scheue überhaupt nicht das Licht der Öffentlichkeit."