Wie sind Sie persönlich in den Maschinenbau-Gipfel Salon involviert, und was erwarten Sie sich davon?
Carl Martin Welcker: Wir sind traditionell als interessierter Werkzeugmaschinenhersteller, das Familienunternehmen Schütte, bei den Maschinenbau-Gipfeln präsent. Angefragt wurde ich vom VDMA, an dieser Veranstaltung teilzunehmen und unsere Erfahrungen mit der sogenannten Generation Z einzubringen.
Eine klare Erwartungshaltung haben sicher eher die Besucherinnen und Besucher. Die Veranstalter jedenfalls haben dieses Format aufgesetzt, weil es in der Branche offenbar noch ein Bedürfnis nach Hilfestellung und Klärung in dieser Frage gibt. Der Arbeitsmarkt ist derzeit angespannt. Den Industriefirmen fällt es schwer, geeignetes Personal, insbesondere auch geeignete junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zu finden und für die Industrie zu begeistern.
Fachkräftemangel ist ein gutes Stichwort Die Belegschaften in den Betrieben werden immer älter, und die Babyboomer gehen in Rente. Gleichzeitig hatten in den zurückliegenden Jahren immer weniger Schülerinnen und Schüler Interesse daran, einen technischen Ausbildungsberuf oder Studiengang zu ergreifen. Wie kann diesem Dilemma begegnet werden?
Welcker: Das ist aus meiner Sicht aber nur ein Teil der aktuellen Herausforderung, vor der die Industrie steht. Die Deutschen sind nicht mehr so zahlreich wie früher. Dafür ist der Zugang der jungen Generation zum Arbeitsmarkt ein ganz anderer. Wir haben heute zum Beispiel viel mehr Frauen, die ehemals kaum in den Arbeitsmarkt drängten.
Entgegen aller Unkenrufe wächst laut aktuellen Statistiken die in Deutschland lebende Bevölkerung sogar. Schwarzmalereien wie die Befürchtung, dass niemand mehr auf die Babyboomer folgen könne, sind so nicht eingetreten. In Wirklichkeit leben 83 Millionen Menschen im Land. Wir müssen nun schauen, dass wir aus diesem Reservoir genügend junge Leute gewinnen können, die auch in Industrieunternehmen arbeiten wollen.
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Soziologen haben die Kategorie „Generation Z“ kreiert. Darüber geistern nun alle möglichen Urteile und Vorurteile in der Branche herum. Warum haben die Jungen und der Maschinenbau noch nicht wirklich zusammengefunden?
Welcker: Ich denke nicht, dass wir mit der Arbeitshaltung der jungen Menschen ein Problem haben, weder in puncto Motivation noch mit der Einstellung zur Arbeit. Ja, die Disziplin wird heute anders gelebt als früher, aber auch das ist nicht das dringlichste Thema. An erster Stelle steht aus meiner Sicht die Ausbildungs- und Bildungsfrage. Wir führen zu wenige junge Menschen an die Mint-Berufe heran. Das geht schon in den Grundschulen los und setzt sich dann in den weiterführenden Schulen fort. Naturwissenschaftliche Fächer wie Mathe, Physik, Chemie usw. stehen bei der jüngeren Generation nicht mehr sonderlich hoch im Kurs.
Und an den Universitäten sehen wir heute einerseits einen fast schon unheimlichen „Run“ auf Fächer wie Sozialwissenschaften und Psychologie und auf der anderen Seite ein stetiges Abschmelzen der Studierendenzahlen in den technischen Fächern. Das führt am Ende dazu, dass wir die Fachkräfte, die wir dringend brauchen, nicht mehr in ausreichender Anzahl finden. Darin, und nicht in der Einstellung der jungen Menschen zur Arbeit, besteht in puncto Fachkräftenachwuchs aus meiner Sicht eindeutig das größere Dilemma für die Industrie.
Kommen Sie zum Maschinenbau-Gipfel Salon!
Der Maschinenbau-Gipfel ist richtungsweisend und impulsgebend für die gesamte Branche. Damit Sie nicht ein ganzes Jahr auf spannende Diskussionen verzichten müssen, laden wir Sie zu unserem Networking-Format "Maschinenbau-Gipfel Salon" mit anschließendem Catering ein – live vor Ort oder digital.
Der nächste Maschinenbau-Gipfel Salon findet am 8. Juli in Ludwigsburg in Präsenz oder digital in unserer Community-App statt. Das Thema: "Generative KI: Wie zieht der Maschinenbau den größten Nutzen daraus?"
Sie können also die vielen Vorwürfe und Klagen gegenüber der jüngeren Generation aus Schütte-Sicht nicht bestätigen?
Welcker: Das Phänomen Generation Z besteht nicht darin, dass die Jungen alle nur möglichst Ferien und Homeoffice machen wollen. Mit Zeiterscheinungen wie dem Wunsch nach mobilem Arbeiten muss man umgehen. Wie bereits ausgeführt, ist das nicht das Grundproblem unseres aktuellen Facharbeitermangels.
Ich zum Beispiel komme aus der Flower-Power-Zeit; andere, heute ebenfalls gestandene Leute stammen aus der Hausbesetzer-Zeit usw. Aus der damaligen Sicht einiger Soziologen oder Personaler waren diese jungen Menschen völlig unbrauchbar. Ich halte von solchen Kategorien und Verallgemeinerungen relativ wenig.
Auf der anderen Seite ist es nicht falsch, auch zu schauen, in welcher Umgebung oder unter welchen Rahmenbedingungen jemand aufgewachsen ist. Da findet man immer wieder Spuren, an denen man gewisse Entwicklungen festmachen kann. Aber deswegen den Stab über eine ganze Generation zu brechen, halte ich für kompletten Unsinn. Ganz im Gegenteil: Der große Vorteil der Generation Z ist, dass sie Digital Natives sind, wie man heute sagt: Die jungen Menschen heute sind mit diesen Technologien ganz anders vertraut, als meine Generation das ist.
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?
Welcker: Lassen Sie mich etwas ausholen: Wenn man von den 1990er Jahren ausgeht, blicken wir bis etwa 2015 auf eine langanhaltende Periode des ultimativen Wohlstandes und der Versorgungssicherheit zurück. Die Jüngeren sind letztendlich mit der Idee aufgewachsen: „Der Strom kommt aus der Steckdose.“ Das waren ganz andere Bedingungen, als sie die von Mangel geprägte Nachkriegsgeneration oder die „aufmüpfige“ Generation mit der Frauen- und Studierendenbewegung vorfanden, die ihre Grundrechte einforderte.
Und genau diese selbstverständliche Vollversorgung wird in den kommenden 20 bis 30 Jahren so nicht fortführbar sein. Das wird zwangsläufig dazu führen, dass sich auch die Vertreter der Generation Z mehr anstrengen werden müssen, als sie sich das vielleicht ursprünglich mal gedacht haben. Die Erkenntnis wird wachsen, dass wer sich einen gewissen Wohlstand erhalten will, eben doch mehr arbeiten muss.
Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt der Zukunft?
Welcker: Dass wir in Deutschland Gefahr laufen, Wohlstandsverluste zu erleiden, wird so langsam den meisten klar. Wir werden keine günstige Energie mehr aus Russland bekommen, keine kostenlose Verteidigung aus den USA, und auch unsere in der Nachkriegszeit aufgebaute Infrastruktur bedarf dringend der Erneuerung. All‘ das wird Geld kosten. Und weil dieses Geld irgendwo herkommen muss, wird auch irgendwo gespart werden müssen.
Auf dem Arbeitsmarkt selbst wird ein weiteres Abschmelzen der Arbeitszeiten nur in wenigen Berufsfeldern sinnvoll und möglich sein. In manchen Feldern werden wir weiter automatisieren, in anderen mit KI enorme Fortschritte erzielen. Es wird aber auch große Bereiche geben, in denen wir mehr arbeiten müssen, wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass die Generation Z dazu in der Lage und willens ist, diese Herausforderungen auch anzunehmen.