Airbus A320neo.

Die stark gefragten Jets aus der Modellfamilie A320neo. (Bild: franz massard - stock.adobe.com)

Fehlende Bauteile und knappe Arbeitskräfte machen den Flugzeugherstellern und ihren Zulieferern weiter zu schaffen. Dennoch gehen die Branchenriesen Airbus und Boeing davon aus, dass sie in diesem Jahr so viele Passagierjets ausliefern werden wie versprochen. Der weltgrößte Flugzeugbauer Airbus meldete am Mittwochabend überraschend gute Geschäfte im zweiten Quartal und bekräftigte seine Pläne, die Produktion seiner stark gefragten Jets aus der Modellfamilie A320neo bis zum Jahr 2026 auf den Rekordwert von 75 Maschinen pro Monat auszuweiten. Wie schnell er dabei vorankommt, will Vorstandschef Guillaume Faury aber nicht mehr so genau verraten.

Zuletzt hatte Airbus das Zwischenziel von monatlich 65 Maschinen auf Ende 2024 verschieben müssen. Er wolle nicht mehr jeden Monat und jedes Quartal über die geplante Produktionsrate Auskunft geben müssen, sagte der Manager am Abend in einer Telefonkonferenz. Das Ziel von 75 Maschinen pro Monat für 2026 stehe aber weiterhin. "Es gibt keine Änderung an unserem Plan."

An der Börse ging es trotz des bestätigten mittelfristigen Produktionsziels und guter Zahlen nach unten. Die zuletzt gut gelaufene Aktie verlor im frühen Handel bis zu zweieinhalb Prozent.

Rückruf von Triebwerken könnte Auswirkungen auf Airbus haben

Indes könnte der jüngste Rückruf von Triebwerken des Herstellers Pratt & Whitney indirekte Folgen für die Flugzeugproduktion bei Airbus haben. Im laufenden Jahr rechnet Faury zwar mit keinen Auswirkungen. Denn der in dieser Woche bekannt gewordene Materialmangel betrifft nur rund 1.200 längst ausgelieferte Turbinen - und damit Flugzeuge, die schon länger in Betrieb sind. Sollte Pratt & Whitney jedoch in den kommenden Jahren Kapazitäten für diese Reparaturen umwidmen müssen, könnte dies zulasten von Triebwerken für neue Jets gehen.

Pratt & Whitney (P&W) gehört zum US-Konzern Raytheon Technologies, der sich künftig nur noch kurz RTX nennt. Zusammen mit seinem deutschen Partner MTU Aero Engines baut P&W die Antriebe vom Typ PW1100G-JM, die etwa bei jedem zweiten Flugzeug aus der A320neo-Familie zum Einsatz kommen. Die übrigen Jets sind mit Triebwerken vom Typ Leap von CFM ausgestattet, einem Gemeinschaftsunternehmen von Safran und General Electric.

Das Problem bei den betroffenen P&W-Triebwerken besteht laut MTU-Chef Lars Wagner in einem seltenen Zustand eines Metallpulvers, das bei Pratt & Whitney in einem gewissen Zeitraum in Rohlinge für neue Turbinenscheiben eingeschmolzen wurde. Die derzeit produzierten Triebwerke und Ersatzteile seien davon nicht betroffen. Allerdings müssten rund 200 der 1.200 Triebwerke spätestens Mitte September in die Inspektion, die restlichen 2024 oder Anfang 2025.

Airbus kann sich vor Bestellungen kaum retten

Die betroffenen Maschinen fehlen den Airlines während der Reparaturen für den laufenden Betrieb - und das in einer Zeit, in der die Flugzeughersteller die immense Nachfrage nach neuen Jets ohnehin kaum erfüllen können und Ersatztriebwerke knapp sind.

Schon in den vergangenen Monaten hatten ein Wartungsstau und fehlende Ersatzteile viele Maschinen mit den P&W-Antrieben am Boden gehalten. Im Juni räumte P&W ein, dass etwa jedes zehnte Flugzeug mit diesem Triebwerkstyp außer Betrieb sei. Neben den Maschinen der A320neo-Familie waren davon auch die kleinsten Airbus-Typen der A220-Reihe und möglicherweise auch die E2-Jets des brasilianischen Flugzeugbauers Embraer betroffen.

Dabei kann sich Airbus vor Bestellungen kaum retten. Allein seit Jahresbeginn holte er Aufträge über mehr als 1.000 Verkehrsflugzeuge herein. Der Löwenanteil entfiel auf die A320neo-Familie, darunter immer häufiger die Langversion A321neo. Ende Juni saß der Hersteller über alle Modelle hinweg auf einem Rekord-Auftragsbestand von knapp 8.000 Jets.

Zum Vergleich: In diesem Jahr dürften insgesamt nur rund 720 Maschinen den Weg zu ihren Kunden finden. Faury bekräftigte am Mittwochabend diesen Plan, auch wenn Airbus bis zur Jahresmitte erst 316 Stück ausgeliefert hat. Im vergangenen Jahr hatte sich Faury zunächst ebenfalls 720 Auslieferungen zum Ziel gesetzt, musste dieses Ziel aber zweimal kappen.

Wann der A321XLR in Betrieb gehen soll

Bei der neuen Langstreckenversion des Airbus A321neo sieht sich Faury allerdings im Zeitplan. Das Modell mit dem Namen A321XLR soll der erste richtige Langstreckenjet mit dem schmalen Rumpf eines Mittelstreckenjets werden und bis Mitte 2024 in den Linienbetrieb gehen.

Der für die große Reichweite notwendige Zusatztank unter der Passagierkabine hat jedoch verschärfte Anforderungen der europäischen Luftfahrtbehörde EASA zur Folge. Die zusätzlichen Verstärkungen zwischen Tank und Kabine bringen jedoch zusätzliches Gewicht, und das könnte die Reichweite des Jets verringern. "Wir wollen so nah wie möglich an das herankommen, was wir den Kunden versprochen haben", sagte Faury. Das ist vor allem die Reichweite von bis zu 8.700 Flugkilometern - was etwa für Flüge zwischen Europa und Nordamerika reicht.

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Airbus steigert Umsatz um fast ein Viertel

Im zweiten Quartal erzielte Airbus einen Umsatz von 15,9 Milliarden Euro und damit fast ein Viertel mehr als ein Jahr zuvor. Der um Sonderposten bereinigte operative Gewinn (bereinigtes Ebit) legte um mehr als ein Drittel auf 1,85 Milliarden Euro zu. Damit übertraf der Konzern die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten.

Der Überschuss sprang sogar um 55 Prozent auf knapp 1,1 Milliarden Euro nach oben. Analysten hatten hier jedoch noch mehr erwartet. Ein Jahr zuvor hatten zusätzliche Kosten für den Militärtransporter A400M den Gewinn belastet. Diesmal bremste der veränderte Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar den Anstieg. Für das Gesamtjahr rechnet die Airbus-Führung weiter mit einem bereinigten operativen Gewinn von etwa sechs Milliarden Euro.

An der Börse konnten die Zahlen und der Ausblick der Aktie allerdings keinen weiteren Auftrieb geben. Die Airbus-Anteile sackten in den ersten Handelsminuten um bis zu zweieinhalb Prozent ab. Zuletzt konnte das Papier die Verluste zwar verringern, lag aber mit rund 131 Euro immer noch 1,6 Prozent unter dem Xetra-Schlusskurs vom Vortag. Die Aktien des Flugzeugbauers haben aber in den vergangenen Monaten deutlich zugelegt. Seit Ende September summieren sich die Gewinne auf fast 50 Prozent.

Erst am Dienstag war der Kurs auf das Mehrjahreshoch von 138,76 Euro gestiegen. Damit liegt das Papier wieder in Reichweite des Rekordhochs von 139,40 Euro aus dem Januar 2020 - also vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Im Frühjahr 2020 war der Kurs bis auf 48 Euro gesackt.

Mit einem Börsenwert von inzwischen wieder mehr als 100 Milliarden Euro gehört Airbus zu den wertvollsten Unternehmen Deutschlands. Nur SAP (148 Milliarden) und Siemens (121 Milliarden) kommen auf einen höheren Börsenwert.

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dpa