
Schon so einige deutsche Unternehmen und Manager haben Negativschlagzeilen gemacht. Wir haben die größten Skandale für Sie zusammengestellt. (Bild: Goss Vitalij - stock.adobe.com)
Ob Steuerbetrug, Schneeballsystem oder großflächige Bilanzfälschung: Deutsche Unternehmen haben sich in der Vergangenheit einiges einfallen lassen, um in die (negativen) Schlagzeilen zu kommen. Wir haben die 10 größten Wirtschaftsskandale zusammengetragen – garantiert subjektiv und ausdrücklich nicht wertfrei.
Platz 10: Arcandor – Thomas Middelhoff veruntreut Millionen

Obwohl es ihm nicht gelungen war, den Handelskonzern Arcandor und seine Töchter Karstadt, Quelle, Primondo und Thomas Cook zu retten, lässt sich Vorstandschef Thomas Middelhoff kurz vor der Pleite im Jahr 2009 rund 2,3 Millionen Euro Bonus auszahlen. Dafür wurde er wegen Veruntreuung zu drei Jahren Haft verurteilt, von denen er zwei absitzen musste.
Middelhoff pendelte außerdem auf Firmenkosten für 1,1 Millionen Euro mit dem Hubschrauber von seiner Villa in Bielefeld zur Arbeit in die Essener Arcandorzentrale und ließ sich mit Privatjets in seine Villa in St. Tropez und nach New York fliegen.
Einen Beigeschmack hinterließ auch der Verkauf von fünf Immobilien an einen Fonds, an dem Middelhoff und seine Frau beteiligt waren. Der Fonds vermietete die fünf Kaufhäuser für durchschnittlich gut 8,5 Millionen Jahresmiete an Karstadt. Für ihre 164 anderen Filialen zahlte die Kette dagegen nur jeweils 1,7 Millionen Euro Miete.
Platz 9: Mannesmann-Vodafone – Abfindungsaffäre bei Übernahme

Der Deal ist perfekt. Am 4. Februar 2000 stimmt nach einer spektakulären Abwehrschlacht der Mannesmann-Aufsichtsrat der Übernahme des Industriekonzerns durch Vodafone für 178 Milliarden Euro zu. Noch am selben Tag verteilen im Aufsichtsratsausschuss für Vorstandsangelegenheiten Deutsche-Bank-Vorstand Josef Ackermann, Mannesmann-Aufsichtsratschef Joachim Funk und IG-Metall-Boss Klaus Zwickel 30 Millionen Euro „Anerkennungsprämien“ an Topmanager bei Mannesmann.
Obwohl eine Stuttgarter Kanzlei deshalb am 24. Februar 2000 Anzeige wegen des Verdachts auf Untreue erstattet, verteilt der Ausschuss im März weitere 32 Millionen Euro an bereits pensionierte Mannesmann-Vorstände. Das Oberlandesgericht Düsseldorf spricht Ackermann, Funk und Zwickel zunächst vom Vorwurf der Untreue frei. Später hebt der Bundesgerichtshof das Urteil auf. Im zweiten Anlauf wird das Verfahren gegen eine Zahlung von 5,8 Millionen Euro eingestellt.
Platz 8: Flowtex - Schneeballsystem mit fiktiven Bohrmaschinen

In den 90er Jahren betrog der badische Unternehmer Manfred Schmider Banken und Versicherungen um rund zwei Milliarden Euro. Seine Firma Flowtex produzierte Horizontalbohrsysteme, mit denen man unterirdisch Kabel verlegt, ohne die Straßen aufzureißen. Flowtex verkaufte zahlreiche dieser Systeme an Investoren und leaste sie anschließend zurück. Dieses Vorgehen ist an sich nicht unüblich, nur dass in diesem Fall die meisten der Geräte gar nicht existierten.
Das Unternehmen täuschte einen hohen Bestand an Bohrern vor, indem es an die wenigen real exisiterenden Systeme immer neue Seriennummern schraubte. Um die Leasingraten zahlen zu können, musste die Firma im Laufe der Zeit immer mehr fiktive Maschinen verkaufen – es war ein Schneeballsystem. Im Februar 2000, nur Tage vor dem geplanten Börsengang, wurden Schmider und weitere Verantwortliche festgenommen. Er war sieben Jahre in Haft, bevor er auf Bewährung entlassen wurde. Im Jahr 2016 wurde er in der Schweiz dann erneut zu einer Haftstrafe verurteilt - wegen Geldwäsche.
Platz 7: MAN – Schmiergeldauszahlungen in bar

Dreist: Wer im Dienste der Volkswagentochter bis 2009 Kunden schmieren wollte, ließ sich die erforderliche Summe in bar an der Kasse auszahlen. Später verschleierte der Münchner Nutzfahrzeughersteller die Korruption mit Briefkastenfirmen und Scheinverträgen mit vermeintlichen Beratern in Slowenien und Liechtenstein.
Die insgesamt rund 50 Millionen Schmiergelder schlug MAN auf den Preis für seine Busse und Lkw drauf. So ließen sich die Münchner den Betrug von den Steuerzahlern in den Abnehmerstaaten finanzieren. Im Jahr 2009 flogen die Machenschaften auf.
Die Affäre kostete MAN über 250 Millionen Euro – größter Posten war mit 150,6 Millionen Euro die Geldbuße der Staatsanwaltschaft.
Platz 6: Scania - Rekord-Bußgeld für LKW-Kartell

1997 bis 2010 sprachen sich mehrere europäische LKW-Hersteller über Preise ab und über die Einführung neuer Emissionstechnologien sowie die Weitergabe der damit verbundenen Kosten. Die ersten Treffen der leitenden Manager:innen fanden in Brüssel und auf Messen statt. Später verlagerte sich die Organisation zu den Tochterunternehmen der deutschen Hersteller. MAN ließ das Kartell schließlich auffliegen und ging als Kronzeuge straffrei aus, während die anderen Hersteller Geldbußen zahlen mussten.
DAF, Daimler Iveco und Volvo/Renault teilten sich eine Rekord-Kartellbuße von insgesamt 2,93 Milliarden Euro. Scania arbeitete nicht mit den Ermittlern zusammen und büßte deshalb in einem getrennten Verfahren mit 880 Millionen Euro.
Platz 5: Siemens – Größter Schmiergeldskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte

Am 15. November 2006 durchsuchen Fahnder Büros an 30 Siemens-Standorten. Auch Privatwohnungen führender Manager des Konzerns blieben nicht unbehelligt. Sie finden Beweise für wenigstens 4.300 Schmiergeldzahlungen. Damit hatte sich der Elektronik- und Telekommunikationskonzern zwischen 1999 und 2006 Aufträge in Ägypten, Saudi-Arabien, Indonesien und Griechenland erkauft. Insgesamt 1,3 Milliarden Euro blätterten die Münchner dafür hin.
Außerdem unterhielt der Dax-Konzern mit mehreren Hundert Millionen Euro gefüllte schwarze Kassen in Österreich, Liechtenstein und der Schweiz und machte sich so der Geldwäsche schuldig. Aufsichtsratchef Heinrich von Pierer und Vorstandsvorsitzender Klaus Kleinfeld müssen ihren Hut nehmen. Der Skandal kostet Siemens rund 2,9 Milliarden Euro an Strafen, Steuernachzahlungen und Anwaltskosten.
Platz 4: Deutsche Bank - dienstbar für Geldwäsche im großen Stil

Wenn es um Skandale geht, darf die Deutsche Bank nicht fehlen. Jahrelang drückte sie gern ein Auge zu, wenn es um verdächtige Geldflüsse ging und musste in den USA und Großbritannien deshalb diverse Strafen begleichen: 2017 zahlte sie 630 Millionen US-Dollar, weil sie verdächtigen Geldflüssen aus Russland nicht nachgegangen war. Zusätzlich kam im selben Jahr noch eine Geldstrafe in Höhe von 41 Millionen US-Dollar dazu, weil sie Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche nicht eingehalten hatte.
Dagegen ist die diesjährige Strafzahlung gar nicht so teuer: "Nur" 186 Millionen Dollar forderte die FED im Juli 2023 von der Bank - auch diesmal wegen ungenügender Maßnahmen gegen Geldwäsche. Es geht um die frühere Geschäftsbeziehung zur estnischen Tochter der Danske Bank. Die Danske Bank hatte in den Jahren 2008 bis 2016 diverse US-Banken betrogen und wurde in einem der größten US-Geldwäscheskandale zu einer Milliarden-Geldbuße verurteilt. Die Deutsche Bank wickelte verdächtige Transaktionen im Wert von mehr als 267 Milliarden US-Dollar für die Danske Bank ab.
Platz 3: Volkswagen-Dieselbetrug – Größter Industrieskandal der deutschen Geschichte

In der Motorsteuerung von wenigstens elf Millionen Fahrzeugen verbaute Volkswagen bis 2015 illegale Abschalteinrichtungen. Damit ist „Dieselgate“ der größte Industrieskandal der deutschen Geschichte und ein schamloser Betrug an Kunden und Behörden.
Verwickelt in die kriminellen Machenschaften sind fast alle Marken des Konzerns sowie der Zulieferer Bosch. Die Konzerntochter Audi soll bei der Entwicklung der verbotenen Software eine Vorreiterrolle gespielt haben.
Der Dieselbetrug kostete den langjährigen VW-Chef Martin Winterkorn den Job. Ein Strafverfahren wegen möglicher Marktmanipulation gegen VW-Konzernchef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wurde gegen eine Zahlung von neun Millionen Euro eingestellt. Rupert Stadler wurde wegen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten sowie einem Bußgeld von 1,1 Millionen Euro verurteilt.
Platz 2: Wirecard - spektakulärster Bilanzskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte

An der Geschäftspraxis und den Bilanzzahlen des deutschen Fintech-Hoffnungsträgers Wirecard kamen schon mehr als ein Jahrzehnt vor der Insolvenz Zweifel auf, aber die Firma schaffte es trotzdem in den Dax. Im Jahr 2019 deckt ein Bericht der britischen Zeitung 'Financial Times' Unregelmäßigkeiten bei Geschäften in Singapur auf. Nach einigem Hin und Her kam 2020 der jähe Absturz des Unternehmens, als klar wurde, dass auf Treuhandkonten 1,9 Milliarden Euro fehlen. CEO Markus Braun trat zurück und wurde festgenommen, während Vorstandsmitglied Jan Marsalek unter einem Vorwand das Land verließ und die Flucht ergriff.
Am 25. Juni 2020 meldete der Dax-Konzern Insolvenz an. Es stellte sich heraus, dass wesentliche Teile des Geschäfts tatsächlich nie stattgefunden hatten. Der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz geriet unter Druck, weil die ihm unterstellte Bafin trotz aller Hinweise wenig gegen den Zahlungsdienstleister unternommen hatte.
2022 begann der Strafprozess gegen Markus Braun, Oliver Bellenhaus und den ehemaligen Wirecard-Chefbuchhalter. Sie sind angeklagt wegen Marktmanipulation, Untreue, falscher Darstellung und gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Marsalek wäre sicherlich mit auf der Anklagebank, ist aber bis heute flüchtig und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Im Juli 2023 meldete er sich mit einem Brief beim Landgericht München, welcher Braun entlasten sollte.
Zeugenaussagen zeichneten im Prozess das Bild eines Konzerns, in dem es chaotisch zuging und der Vorstand kein besonderes Interesse an der Rechtstreue zeigte. Auch die Firmenkultur ließ wohl zu wünschen übrig: "Pornografie war ganz normal bei uns", gab ein ehemaliger Mitarbeiter der internen Revision im Zeugenstand zu Protokoll. Brauns Anwälte versuchten unterdessen mit 450 Beweisanträgen zu belegen, dass Marsalek und Kronzeuge Bellenhaus sowie zahlreiche Mittäter die Schuld tragen, während Braun ahnungslos war. Ob sie das Gericht überzeugen können? Aktuell zeichnet sich erstmal eine Verlängerung der Verhandlung ab. Für diesen filmreifen Skandal gibt es hier im Ranking Platz 2.
Platz 1: Cum-Ex-Skandal – Größter Steuerbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik

Die kriminelle Energie deutscher Banken und ihrer Anleger kennt keine Grenzen. Mit „Cum-Ex“- und „Cum-Cum“-Wertpapiertransaktionen zwischen mehreren Anlegern rundum den Dividendenstichtag einer Aktie verwirrten die Kreditinstitute von 2005 bis 2011 gezielt den Fiskus. So sehr, dass Finanzbeamte am Schluss nicht mehr erkennen konnten, welcher Bankkunde auf die Ausschüttung Kapitalertragsteuer gezahlt hatte, und welcher nicht.
So konnten sich auch Anleger die Steuer zurückerstatten lassen, die sie gar nicht bezahlt hatten. Insgesamt prellten Banken und Aktionäre den deutschen Steuerzahler so um bis zu 32 Milliarden Euro – der größte Steuerbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik.
Überarbeitet von Julia Dusold und Dagmar Merger (14.08.2023)